Personenbetreuer halten das System am Laufen
Im österreichischen Pflegesystem mangelt es an Fachkräften. Auch die Gruppe der selbstständigen Personenbetreuer:innen müsste vergrößert werden. Doch es fehlt an Geld und Möglichkeiten zur Rekrutierung im EU-Ausland.
Robert Pozdena, Obmann der Fachgruppe der selbstständigen Personenbetreuung der Wirtschaftskammer Niederösterreich, ist täglich mit fehlendem Personal konfrontiert. Von den etwa 16.000 in Niederösterreich tätigen Personenbetreuer:innen sind 98,5 Prozent Arbeitsmigranten aus der EU und es gibt noch zusätzlichen, dringend nötigen Bedarf. Die Lösungen für die angespannte Lage lägen auf der Hand, ist Pozdena überzeugt. Lediglich die Politik bremst.
Wie trist ist die Situation wirklich, wenn wir über die Personenbetreuung sprechen? Gab es Verbesserungen?
Robert Pozdena: Es hat sich etwas getan, aber zu wenig. Besonders im Bereich der selbstständigen Personenbetreuung, die wir als Fachgruppe in der Wirtschaftskammer vertreten, haben wir einige Problematiken. Seit der Corona-Pandemie legten rund 7000 Personenbetreuer:innen, vor allem aus dem osteuropäischen Raum, ihre Gewerbeberechtigung zurück. Deshalb sind nur etwa 58.000 Personenbetreuer:innen in ganz Österreich tätig, davon 16.000 in Niederösterreich. 7000 Personenbetreuer:innen weniger bedeutet, dass rund 3500 Familien weniger innerhalb der 24Stunden-Betreuung versorgt werden können. Viele Personenbetreuer:innen sind altersbedingt in Pension gegangen, zudem sind die Honorare nicht mehr so attraktiv, damit Personenbetreuer:innen ihre eigenen Familien zwei, drei Wochen lang verlassen.
Als Fachgruppe konnten wir eine Erhöhung der Förderung erreichen, die länger als zwölf Jahre konstant bei 550 Euro lag. Heute sind das 800 Euro, was im Wesentlichen bloß eine Valorisierung bezüglich der Inflation seit dem Jahr 2007 bedeutet. Darin sind aber nicht die von uns geforderten Mittel zur Qualitätssicherung durch höhere Honorare für die Betreuer:innen enthalten.
Wir müssten außerdem viel mehr Personenbetreuer:innen aus anderen Ländern rekrutieren. Das Problem ist, dass wir aber keine Menschen außerhalb der Europäischen Union ansprechen dürfen. In der Gesamtheit gesehen, ist die Situation, trotz einiger finanzieller Hilfestellungen durch die Regierung, kritischer geworden.
Was wäre eine vernünftige Höhe der Förderung?
Pozdena: Wir haben von Beginn an eine Förderung von 1350 Euro gefordert. Darin wäre ein Qualitätsbonus enthalten und geleichzeitig zur Personenbetreuung kann eine Fachpflegekraft finanziert werden, die Familien visitiert und sicherstellt, dass eine ordentliche und gute Betreuung gewährleistet ist. Gleichzeitig könnten wir mit den 1350 Euro auch die Honorare der Personenbetreuer:innen erhöhen. Mit einer höheren Förderung könnten sich auch Familien in einkommensschwachen Regionen eine Betreuungskraft leisten. Ein Vorbild ist hier Vorarlberg, wo das Land unter gewissen Bedingungen den Selbstbehalt übernimmt.
Wie kann man die Abgrenzung zwischen den Berufsfeldern Heimhilfe, Pflegeassistent, Pflege und Personenbetreuung verstehen?
Pozdena: Wir vertreten die selbstständigen Personenbetreuer:innen, die dem Hausbetreuungsgesetz
unterliegen. Ihre Betreuungsleistungen sind eine Unterstützung im Haushalt, wie etwa kochen, waschen, putzen einerseits, und andererseits die Betreuung des Klienten in seinem Alltag. Alle medizinischen oder pflegerischen Tätigkeiten dürfen die Betreuer übernehmen, wenn es die Delegation durch einen Hausarzt oder eine DGKP (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekraft, Anm.) gibt. Müssten Pflegekräfte diese Tätigkeiten, die Personenbetreuer:innen übernehmen, selbst leisten, würde es das System zerreißen.
Hat sich die Situation durch die „Pflegemilliarde“im Vorjahr verbessert?
Pozdena: Im Bereich der selbstständigen Personenbetreuung hat sich, außer der kleinen Erhöhung der Förderung von 550 auf 800 Euro, durch die Pflegemilliarde gar nichts getan.
Würde Ihnen eine „Personenbetreuungsmilliarde“helfen?
Pozdena: Ja, aber wir benötigen keine Milliarde, 300 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre wären ausreichend. Viel wichtiger wäre es, dass wir Personenbetreuer:innen nicht nur in den Staaten der Europäischen Union rekrutieren dürfen. Hier gibt es einen riesigen Unterschied, denn bei den angestellten
Pflegekräften dürfen auch Damen und Herren etwa aus Asien bei uns arbeiten. Im selbstständigen Bereich ist es nicht möglich, Personen aus Drittstaaten außerhalb der EU aufzunehmen. Das ist absurd. Wir verfügen über Hunderte Bewerber:innen aus Serbien, aus Montenegro oder aus Bosnien, die uns kulturell nahestehen und geografisch viel näher beheimatet sind. Sie dürfen wir nicht in Österreich in ein Werksvertragsverhältnis übernehmen.
Woran liegt das?
Pozdena: Menschen aus Drittstaaten, die in der Pflege arbeiten, können das auf der Grundlage der RotWeiß-Rot-Karte. Das gilt ausschließlich für angestelltes Personal und nicht für Selbstständige. Unser Ziel ist es, Österreich auch für selbstständige Personenbetreuer:innen zu öffnen. Das wäre zu rechtfertigen, denn der Bereich der selbtständigen Personenbetreuer:innen ist ein Mangelberuf. Es ist mir unverständlich, weshalb sich die Politik hier nach wie vor gegen eine Öffnung wehrt, obwohl der Bedarf existiert und Menschen, die als Personenbetreuer:innen arbeiten möchten, nur ein paar Hundert Kilometer entfernt bereitstehen. In etlichen Staaten der EU darf jeder, der im Pflege- oder Betreuungsbereich arbeiten will, das auch tun. Die Einschränkung ist also ein rein österreichisches Thema.
Wie sieht es mit Flüchtlingen aus der Ukraine aus, die ja in Österreich arbeiten dürfen?
Pozdena: Bei den Ukrainer:innen funktioniert das mit der Blauen Karte für Flüchtlinge auch ganz gut. Sie dürfen in Österreich selbstständig arbeiten und das wird von vielen Menschen bereits genutzt. Allerdings ist die Blaue Karte befristet und wird Jahr für Jahr verlängert, aber in den Köpfen der Betroffenen ist eine Ungewissheit immer präsent. Es wäre ein Leichtes, eine Karte zu entwickeln, mit der Menschen aus der Ukraine, Bosnien, Serbien oder Montenegro und Albanien, die zum Teil sehr gut Deutsch sprechen, als selbstständige Personenbetreuer:innen
in Österreich arbeiten können.
Sehen Sie eine Chance darin, den Bedarf an Fachkräften durch eine Ausbildungsinitiative, finanzielle Anreize und Ähnliches mit heimischen Kräften zu decken?
Pozdena: Irgendwann stoßen wir weltweit an unsere Grenzen, Betreuer:innen aus dem EU-Ausland und Drittstaaten zu holen, jeder
kämpft um diesen Markt. Er ist nicht unerschöpflich. Wir müssen ein Modell finden, das es auch für Österreicher attraktiv macht, als Personenbetreuer:innen zu arbeiten. Das wäre aus meiner Sicht einfach und kostengünstig. Es gäbe meiner Meinung nach genügend Menschen, die ein Interesse an selbstständiger Arbeit hätten. Alles liegt auf der Hand, aber es scheitert wieder am politischen Willen.