Wie geht es in Haiti nach Rückzug von Premier Henry weiter?
Auch nach dem Rücktritt von Regierungschef Henry beruhigt sich die Lage im Karibikstaat nicht. Nun ist ein Päsidialrat am Zug.
Port-au-Prince/Wien. Seit zehn Tagen hatte sich der Premier von Haiti, Ariel Henry, nicht zu Wort gemeldet. Auch als bewaffnete kriminelle Banden in den vergangenen Wochen das Land an den Rand eines Bürgerkriegs manövriert und ihn nach einem Auslandsbesuch an der Rückkehr nach Haiti gehindert haben, blieb Henry schweigsam. Nicht einmal seinen Rücktritt verkündete der 74-Jährige in der Nacht auf Dienstag selbst. Das überließ er dem Vorsitzenden der Karibischen Gemeinschaft (Caricom), dem Präsident von Guyana, Mohamed Irfaan Ali. Erst spät in der Nacht meldete sich Henry schließlich mit einer aufgezeichneten Videobotschaft an seine Landsleute, in der er seinen Rücktritt bestätigte.
Henry sicherte seinen Nachfolgern eine „friedliche Übergabe“zu. Präsentiert wurde der neue Fahrplan von Caricom-Chef Irfaan Ali: Ein Präsidialrat soll nun rasch die Regierungsgeschäfte übernehmen. Das Gremium mit neun Mitgliedern wird eine Übergangsregierung und ein Kabinett benennen. Außerdem soll vom Präsidialrat die erste Wahl seit 2016 organisiert werden. Einen Termin gibt es dafür noch keinen. Henry hatte immer wieder die Abhaltung von Wahlen versprochen, sich aber nie einer Abstimmung gestellt.
Unklar ist, wer dem Präsidialrat angehören soll. Fest steht nur, dass die Mitglieder aus politischen Parteien, der Wirtschaft und auch aus Klerus und Zivilgesellschaft kommen sollen. Namen wurden bisher keine genannt, in Stellung haben sich schon einige gebracht. Der ehemalige Rebellenführer Guy Philippe macht kein Geheimnis daraus, dass er Interimspräsident werden will. Philippe ist eine Schlüsselfigur der Rebellion von 2004, damals wurde Präsident Jean-Bertrand Aristide gestürzt.
Erst im November wurde der 56Jährige aus den USA nach Haiti abgeschoben, nachdem er sechs Jahre wegen Geldwäsche aus dem Drogenhandel in einem Gefängnis in Miami gesessen hatte.
UNO-Truppe noch in Schwebe
Am Wochenende hatte in Jamaika ein Haiti-Krisengipfeltreffen stattgefunden. Caricom-Vertreter versuchten gemeinsam mit Hauptakteuren aus Haiti, einen Ausweg aus der verfahrenen Lage zu finden. US-Außenminister Antony Blinken, der nach Kingston gereist war, versprach mit zusätzlichen 100 Millionen US-Dollar die Finanzhilfen der USA auf insgesamt 300 Millionen Dollar aufzustocken. Auch Kanada und der ehemalige Kolonialherr Frankreich wollen sich beteiligen.
Dabei geht es um die Entsendung einer multinationalen Truppe mit UNO-Mandat, um die Sicherheit im bitterarmen Land herzustellen. Leiten soll diesen Einsatz Kenia. Doch nachdem ein kenianisches Gericht Pläne zur Entsendung von 1000 Polizisten gekippt hat, steht der Beginn dieser Mission in den Sternen.
Die Schutztruppe soll gegen bewaffnete Banden vorgehen, die den Inselstaat unter sich aufgeteilt haben und die Bevölkerung terrorisieren. Der mächtige Bandenboss, Jimmy „Barbecue“Chérizier, und seine Gang „G9“haben vergangenes Wochenende Tausende Gefängnisinsassen befreit und den Flughafen unter ihre Kontrolle gebracht. Den Akteuren einer etwaigen UNO-Mission haben sie schon jetzt den Krieg erklärt.