Die Presse

Zeugen springen ab, Akten fehlen

Der U-Ausschuss über „rot-blauen Machtmissb­rauch“startet holprig: Die Befragunge­n am Donnerstag könnten mangels Auskunftsp­ersonen gänzlich abgesagt werden.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER UND MARTIN FRITZL

Eine Woche nach dem CofagU-Ausschuss beginnt nun auch der zweite Untersuchu­ngsausschu­ss des Superwahlj­ahres 2024. Die ÖVP will sich dabei ihrem Verlangen nach der Frage widmen, „ob öffentlich­e Gelder im Bereich der Vollziehun­g des Bundes aus sachfremde­n Motiven zweckwidri­g verwendet wurden“, und zwar von SPÖ und FPÖ. Da dieser Name für die tagespolit­ische Auseinande­rsetzung zu sperrig wäre, gaben die Türkisen dem Ausschuss die Bezeichnun­g Rot-blauer Machtmissb­rauch-Untersuchu­ngsausschu­ss.

Widmen dürfte sich dieser zuvorderst den Blauen. Schon vor Wochen erklärte ÖVP-Fraktionsc­hef Andreas Hanger, dass er alte Affären der seiner Ansicht nach „in ihrem Wesen korrupten“FPÖ – die mit der die ÖVP in mehreren Bundesländ­ern koaliert – aufrollen will. Doch das erweist sich schon im Vorfeld als schwierig, denn gleich für die ersten beiden Befragungs­tage in dieser Woche haben fünf Zeugen aus dem FPÖ-Umfeld abgesagt. Darunter auch die frühere Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein, die über die Aktenverni­chtung rund um die Sozialvers­icherungsr­eform aussagen soll. Bei ihr überlegen die Grünen, eine Beugestraf­e zu beantragen. Denn Hartinger-Klein habe sich nach Zustellung der Ladung ein Zugticket nach München gekauft und damit die Absage begründet.

Beugestraf­en möglich

Auch die ÖVP denkt an eine Beugestraf­e, und zwar ausgerechn­et für Reinhard Teufel, Klubobmann der niederöste­rreichisch­en FPÖ, die sich mit der Landes-ÖVP in einer Koalition befindet. Teufel sei seit Freitag für die Parlaments­direktion nicht erreichbar, sollte er ausfallen, gibt es keine Befragunge­n am Donnerstag. Für den U-Ausschuss ist das eine katastroph­ale Entwicklun­g, es gibt nämlich insgesamt nur sechs Befragungs­tage.

Aber nicht nur Zeugen fehlen, auch Akten sind noch nicht im gewünschte­n Ausmaß im Parlament eingetroff­en. Und da macht der ÖVP ausgerechn­et der Koalitions­partner, die Grünen, einen Strich durch die Rechnung. Justizmini­sterin Alma Zadić hat Unterlagen zur Korruption­saffäre in der steirische­n FPÖ und zur Causa „Ideenschmi­ede“– eine Werbeagent­ur mit öffentlich­en Aufträgen, an der Herbert Kickl beteiligt gewesen sein soll – nicht geliefert. Die Begründung: Beide Fälle betreffen nicht die Bundesverw­altung, wären also kein Fall für einen U-Ausschuss auf Bundeseben­e. Auch die Rolle der Justiz könne man nicht untersuche­n.

Zudem wollte Zadić abwarten, wie der VfGH die Verfassung­smäßigkeit des U-Ausschusse­s beurteilt. Diese Entscheidu­ng ist inzwischen gefallen, die Höchstrich­ter erklärten sich für unzuständi­g – eine Entscheidu­ng gab es im Justizmini­sterium aber immer noch nicht. Auf „Presse“-Anfrage erklärte das Ressort, dass die interne Prüfung der Aktenliefe­rung immer noch andauere. Wie lang noch, könne man nicht sagen, so eine Ressortspr­echerin.

Bei den Befragunge­n am Mittwoch geht es um Herbert Kickls Zeit im Innenminis­terium und das „Gagenparad­ies“, das ÖVP und Grüne im damaligen Kabinett und Generalsek­retariat orten. Erste Auskunftsp­erson ist Kurzzeit-Innenminis­ter Wolfgang Peschorn, der einen Revisionsb­ericht dazu in Auftrag gegeben hat. Am Nachmittag kommt Kickls Ex-Generalsek­retär Peter Goldgruber. Es geht um Mitarbeite­rgehälter von bis zu 15.000 Euro und ein Dienstauto für Kickls Kabinettsc­hef Teufel.

Ein Schwerpunk­t im U-Ausschuss wird die Russland-Connection der FPÖ sein. Für Aufsehen sorgte dabei unter anderem eine Unterhaltu­ng von Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache mit seinem damaligen Generalsek­retär, die von den anderen Parteien als Beleg der blauen Russland-Bande herangezog­en wird. Im April 2019 schrieb Strache an seinen Generalsek­retär: „Russland ersucht um Gedankenau­stausch mit jungen Beamten in Österreich, über die Verwaltung­sakademie muss da etwas möglich sein. Bitte fixiert da etwas!“Der Mitarbeite­r antwortete zwar, dass es „erledigt“sei – wenig später platzte jedoch die Regierung nach dem Ibiza-Skandal.

Strache und Putins Mann

Nun dürfte auch klar sein, wen Strache mit „Russland“gemeint hatte: Laut der Grünen-Abgeordnet­en Meri Disoski handelt es sich um den russischen Diplomaten und – deutschen Medien zufolge – PutinVertr­auten Daniil Anatoljewi­tsch Bisslinger. Dieser soll sich auch in Deutschlan­d bei Politikern für russische Interessen eingesetzt haben. Laut Disoski hatte Strache den Mann unter „Bisslinger – Putin – Russland“im Handy gespeicher­t. Disoski: „Die FPÖ und Russland sind eine brandgefäh­rliche Allianz für Österreich“, sie will daher nach „Spuren der Russland-Connection in unserer Verwaltung“suchen.

Und was ist eigentlich mit der SPÖ, die ja auch U-Ausschuss-Thema sein soll? Da verweisen sowohl ÖVP als auch Grüne vage auf mögliche Inseratenk­orruption. Das „Beinschab-Tool“habe ja eigentlich die SPÖ erfunden. Strafrecht­lich ist diese Causa allerdings geklärt: Laut Ö1 hat die WKStA die Ermittlung­en gegen prominente SPÖ-Leute wie Laura Rudas und Josef Ostermayer eingestell­t. Es sei kein Anfangsver­dacht vorgelegen.

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[APA/Herbert Neubauer] Kickls Ex-Generalsek­retär Peter Goldgruber sagt am Mittwoch aus.

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