Zeugen springen ab, Akten fehlen
Der U-Ausschuss über „rot-blauen Machtmissbrauch“startet holprig: Die Befragungen am Donnerstag könnten mangels Auskunftspersonen gänzlich abgesagt werden.
Eine Woche nach dem CofagU-Ausschuss beginnt nun auch der zweite Untersuchungsausschuss des Superwahljahres 2024. Die ÖVP will sich dabei ihrem Verlangen nach der Frage widmen, „ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden“, und zwar von SPÖ und FPÖ. Da dieser Name für die tagespolitische Auseinandersetzung zu sperrig wäre, gaben die Türkisen dem Ausschuss die Bezeichnung Rot-blauer Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss.
Widmen dürfte sich dieser zuvorderst den Blauen. Schon vor Wochen erklärte ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger, dass er alte Affären der seiner Ansicht nach „in ihrem Wesen korrupten“FPÖ – die mit der die ÖVP in mehreren Bundesländern koaliert – aufrollen will. Doch das erweist sich schon im Vorfeld als schwierig, denn gleich für die ersten beiden Befragungstage in dieser Woche haben fünf Zeugen aus dem FPÖ-Umfeld abgesagt. Darunter auch die frühere Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, die über die Aktenvernichtung rund um die Sozialversicherungsreform aussagen soll. Bei ihr überlegen die Grünen, eine Beugestrafe zu beantragen. Denn Hartinger-Klein habe sich nach Zustellung der Ladung ein Zugticket nach München gekauft und damit die Absage begründet.
Beugestrafen möglich
Auch die ÖVP denkt an eine Beugestrafe, und zwar ausgerechnet für Reinhard Teufel, Klubobmann der niederösterreichischen FPÖ, die sich mit der Landes-ÖVP in einer Koalition befindet. Teufel sei seit Freitag für die Parlamentsdirektion nicht erreichbar, sollte er ausfallen, gibt es keine Befragungen am Donnerstag. Für den U-Ausschuss ist das eine katastrophale Entwicklung, es gibt nämlich insgesamt nur sechs Befragungstage.
Aber nicht nur Zeugen fehlen, auch Akten sind noch nicht im gewünschten Ausmaß im Parlament eingetroffen. Und da macht der ÖVP ausgerechnet der Koalitionspartner, die Grünen, einen Strich durch die Rechnung. Justizministerin Alma Zadić hat Unterlagen zur Korruptionsaffäre in der steirischen FPÖ und zur Causa „Ideenschmiede“– eine Werbeagentur mit öffentlichen Aufträgen, an der Herbert Kickl beteiligt gewesen sein soll – nicht geliefert. Die Begründung: Beide Fälle betreffen nicht die Bundesverwaltung, wären also kein Fall für einen U-Ausschuss auf Bundesebene. Auch die Rolle der Justiz könne man nicht untersuchen.
Zudem wollte Zadić abwarten, wie der VfGH die Verfassungsmäßigkeit des U-Ausschusses beurteilt. Diese Entscheidung ist inzwischen gefallen, die Höchstrichter erklärten sich für unzuständig – eine Entscheidung gab es im Justizministerium aber immer noch nicht. Auf „Presse“-Anfrage erklärte das Ressort, dass die interne Prüfung der Aktenlieferung immer noch andauere. Wie lang noch, könne man nicht sagen, so eine Ressortsprecherin.
Bei den Befragungen am Mittwoch geht es um Herbert Kickls Zeit im Innenministerium und das „Gagenparadies“, das ÖVP und Grüne im damaligen Kabinett und Generalsekretariat orten. Erste Auskunftsperson ist Kurzzeit-Innenminister Wolfgang Peschorn, der einen Revisionsbericht dazu in Auftrag gegeben hat. Am Nachmittag kommt Kickls Ex-Generalsekretär Peter Goldgruber. Es geht um Mitarbeitergehälter von bis zu 15.000 Euro und ein Dienstauto für Kickls Kabinettschef Teufel.
Ein Schwerpunkt im U-Ausschuss wird die Russland-Connection der FPÖ sein. Für Aufsehen sorgte dabei unter anderem eine Unterhaltung von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit seinem damaligen Generalsekretär, die von den anderen Parteien als Beleg der blauen Russland-Bande herangezogen wird. Im April 2019 schrieb Strache an seinen Generalsekretär: „Russland ersucht um Gedankenaustausch mit jungen Beamten in Österreich, über die Verwaltungsakademie muss da etwas möglich sein. Bitte fixiert da etwas!“Der Mitarbeiter antwortete zwar, dass es „erledigt“sei – wenig später platzte jedoch die Regierung nach dem Ibiza-Skandal.
Strache und Putins Mann
Nun dürfte auch klar sein, wen Strache mit „Russland“gemeint hatte: Laut der Grünen-Abgeordneten Meri Disoski handelt es sich um den russischen Diplomaten und – deutschen Medien zufolge – PutinVertrauten Daniil Anatoljewitsch Bisslinger. Dieser soll sich auch in Deutschland bei Politikern für russische Interessen eingesetzt haben. Laut Disoski hatte Strache den Mann unter „Bisslinger – Putin – Russland“im Handy gespeichert. Disoski: „Die FPÖ und Russland sind eine brandgefährliche Allianz für Österreich“, sie will daher nach „Spuren der Russland-Connection in unserer Verwaltung“suchen.
Und was ist eigentlich mit der SPÖ, die ja auch U-Ausschuss-Thema sein soll? Da verweisen sowohl ÖVP als auch Grüne vage auf mögliche Inseratenkorruption. Das „Beinschab-Tool“habe ja eigentlich die SPÖ erfunden. Strafrechtlich ist diese Causa allerdings geklärt: Laut Ö1 hat die WKStA die Ermittlungen gegen prominente SPÖ-Leute wie Laura Rudas und Josef Ostermayer eingestellt. Es sei kein Anfangsverdacht vorgelegen.