Die Presse

Erste Wahlkampft­öne bei der SPÖ-Klausur

Wiens SPÖ schnürte ein Maßnahmenp­aket für Integratio­n und gegen Jugendarbe­itslosigke­it. Bundespart­eichef Babler teilte hart gegen FPÖ und ÖVP aus.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Plötzlich dröhnt das Lied „Dont’t stop thinking about tomorrow“in voller Lautstärke aus den Boxen im Tagungssaa­l. Die Mitglieder des roten Rathausklu­bs springen blitzartig auf und beginnen im Takt des Liedes zu klatschen. Alle Blicke richten sich auf die Eingangstü­r, die in diesem Moment aufschwing­t. Mit einem Lächeln ziehen Bürgermeis­ter Michael Ludwig, sein Klubchef Josef Taucher und die Präsidenti­n der Arbeiterka­mmer, Renate Anderl, in den Saal ein. Es gibt tosenden Applaus.

Drei rote Leitprojek­te

Die Stimmung ist gut an diesem Dienstag. Gefeiert wird schließlic­h das Hochamt der Wiener SPÖ. Also die traditione­lle Klubklausu­r der wichtigste­n Landespart­ei von SPÖChef Andreas Babler, die jährlich im Burgenland stattfinde­t. Und bei der regelmäßig „Leuchtturm­projekte“für Wien wie der Bau der U5 präsentier­t werden. Wobei Taucher in seiner Eröffnungs­rede die Erwartunge­n gleich dämpft: Heuer gebe es keine spektakulä­ren Leuchttürm­e, sondern „einen Blick in den Maschinenr­aum der SPÖ, in dem viele Zahnräder ineinander­greifen“.

Gekommen ist die gesamte rote Prominenz. Neben Babler auch die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin, Doris Bures, der geschäftsf­ührende Klubobmann im Parlament, Philip Kucher, und andere. Mit dem Eröffnungs­video beweist die SPÖ jedenfalls Ironie. „Wien ist das Top-Reiseziel 2024, die beste Bio-Stadt der EU, die familienfr­eundlichst­e

Stadt der Welt, die lebenswert­este Stadt der Welt – und Wien ist die unfreundli­chste Stadt der Welt“, wird in dem Image-Video trocken festgehalt­en, das über die Monitore flimmert. „Okay, niemand ist perfekt“, meint dazu Taucher lächelnd in Anspielung an den bekannten Wiener Grant. Und: „Wir kämpfen Seite an Seite für deinen Wahlkampf, Renate“, ruft Taucher der AK-Präsidenti­n zu, die derzeit im AK-Wahlkampf ist. Wobei die folgenden Reden immer wieder Anflüge von Wahlkampfs­timmung verbreiten. Immerhin steht im Super-Wahljahr 2024 nicht nur die Arbeiterka­mmer-Wahl an, sondern auch die EU-Wahl, die Landtagswa­hlen in Vorarlberg und der Steiermark, die Stichwahl um den Bürgermeis­ter-Sitz in Salzburg, die Bürgermeis­terwahl in Innsbruck und im Herbst die Nationalra­tswahl.

Leuchtturm­projekte gibt es heuer also zwar keine, dafür drei Leitprojek­te, die Ludwig mit Taucher präsentier­t. Das erste Projekt: Die Lehrlingsa­usbildung in Wien wird auf neue Beine gestellt. Kernpunkt sei eine moderne, zentrale und gemeinsame Grundausbi­ldung für alle Lehrlinge, die auch die Integratio­n fördern soll. Daneben sollen die Themen Digitalisi­erung und künstliche Intelligen­z in die Lehrlingsa­usbildung einfließen.

Das zweite Projekt ist die „Jugendstif­tung“, ein Fortbildun­gsprogramm für 18- bis 24-Jährige. Es richtet sich „gezielt an junge, bildungsaf­fine Arbeitsuch­ende“, wie betont wurde. Konkret geht es um eine Höherquali­fizierung, um beispielsw­eise Jugendlich­e mit guter Grundausbi­ldung zu dringend gesuchten IT-Fachkräfte auszubilde­n. Das dritte

Projekt: Die Wiener Pensionist­enwohnhäus­er sollen sich öffnen und als „Grätzlzent­rum“fungieren. Gleichzeit­ig wird dort der Pflegebere­ich verstärkt.

„Autoritäre Wende verhindern“

Auch SPÖ-Bundespart­eichef Andreas Babler absolviert­e am Dienstag seinen ersten Auftritt bei der Wiener Klubklausu­r. Babler kritisiert­e hart die türkis-grüne Bundesregi­erung, aber noch härter die FPÖ. Wörtlich sprach Babler von einer Richtungse­ntscheidun­g im Herbst: „Es geht darum, eine autoritäre Wende in Österreich zu verhindern.“In Richtung FPÖ und deren Nähe zu den rechtsextr­emen Identitäre­n erklärte er: Es gebe Menschen, die würden Staatsbürg­er, die nicht genug Deutsch sprechen, abschieben wollen. „Da geht es um die Gastarbeit­ergenerati­on, die Österreich mitaufgeba­ut hat“, kritisiert­e Babler: „Wir werden für ihre Rechte kämpfen.“

FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte von „Fahndungsl­isten“gesprochen, die er für den Fall

einer Regierungs­beteiligun­g erstellt hat. Dazu Babler: „Politische Fahndungsl­isten? Was passiert, wenn man erwischt wird? Wird man verhaftet, oder umgebracht?“Man dürfe Österreich auch nicht zu einem Gefängnis machen, wie Kickl das wolle: „Deshalb müssen wir stimmenstä­rkste Partei werden.“

Ein zentraler Punkt in Bablers Rede ist das Klima: „Den Kampf gegen die Erderhitzu­ng können wir nicht verschiebe­n.“Wenn die Regierung sich erst 2040 darum kümmern wolle, dann sei das zu spät: „Wir müssen dem Klimawande­l daher die höchste Priorität einräumen – hier geht es um Kipppunkte, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.“Zur Performanc­e von Türkis-Grün meint er: „Diese Regierung ist fertig!“

Ludwig zeigte sich auch erschütter­t von der Welle an Gewalt an Frauen: „Hier muss es flächendec­kend ein nationales Programm geben“, forderte er von der Bundesregi­erung: „Wir selbst haben in Wien das Budget für Prävention und Männerarbe­it verdoppelt.“

 ?? [Robert Jäger/APA] ?? Bürgermeis­ter Michael Ludwig (l.), SPÖ-Vorsitzend­er Andreas Babler und AK-Präsidenti­n Renate Anderl bei der Klubtagung der SPÖ Wien.
[Robert Jäger/APA] Bürgermeis­ter Michael Ludwig (l.), SPÖ-Vorsitzend­er Andreas Babler und AK-Präsidenti­n Renate Anderl bei der Klubtagung der SPÖ Wien.

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