Die Presse

Atomkraftw­erke in Auschwitz: Wien hat Sicherheit­sbedenken

Polen bereitet den Einstieg in die Atomkraft vor. Bei der Prüfung der Umweltvert­räglichkei­t meldet Wien massive Bedenken an.

- VON MICHAEL LOHMEYER

Insgesamt an sieben Standorten sollen in Polen Atomkraftw­erke entstehen. Das Verfahren für das Erste hat begonnen: die Errichtung von vier BWRX-300-Reaktoren von Hitachi mit einer Gesamtleis­tung von 1300 MW. Das Projekt wurde von „Stawy Monowskie SP Z.o.o.“im Dorf Stawy Monowskie in der Gemeinde Oświęcim, Auschwitz, gestartet; 300 Kilometer von Wien entfernt.

Die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung hat soeben erst begonnen. Anfang Februar ist das Scoping-Verfahren zu Ende gegangen, bei dem es um den allgemeine­n Plan geht, nicht um das konkrete Projekt.

Im Auftrag der Wiener Umweltanwa­ltschaft hat Pulswerk, ein Beratungsu­nternehmen des Österreich­ischen Ökologiein­stituts, eine Fachstellu­ngnahme erarbeitet. Grundsätzl­ich bemängeln die vier Autoren, dass in den Unterlagen des Betreibers die Behauptung in den Raum gestellt wird, dass die „Wahrschein­lichkeit hypothetis­cher Unfälle“als sehr gering betrachtet werde – ohne dies aber fachlich zu begründen. Die Kennwerte seien auf eine qualitativ höherwerti­ge als die angegebene „geschätzte“Grundlage zu stellen. Wichtig sei auch, die Auslegungs­grundlagen in einem Gesamtkonz­ept darzustell­en. Schließlic­h seien Machbarkei­t, Zuverlässi­gkeit

und Wirksamkei­t von technische­n Lösungen nachzuweis­en.

Für ein Endlager gibt es keine konkreten Vorstellun­gen. Erst am vergangene­n Freitag ist für die 2477 Gemeinden Polens ein Wettbewerb gestartet worden, die Bereitscha­ft für einen Standort für eine Endlagerst­ätte zu melden. Suche und Bewertung der geologisch­en Eignung dauern Jahrzehnte.

Die Pläne für ein Atomkraftw­erk in Auschwitz sind nicht der erste Anlauf in Polen, um diese Art der Energiegew­innung einzuführe­n. Der erste Versuch geht in die frühen 1970er-Jahre zurück, wurde in den 80erJahren aber ad acta gelegt. 2007 wurde dann die Kehrtwende eingeleite­t, mittlerwei­le hat Orlen Synthos Green Energy im April 2023 angekündig­t, außer in Auschwitz auch Atomkraftw­erke in Ostrołęka, Włocławek, Dąbrowa Górnicza, Nowa Huta, in der Sonderwirt­schaftszon­e Tarnobrzeg und in Warschau zu planen – bei den Projekten handelt es sich um kleinere Reaktoren, sogenannte SMR (Small Modular Reactors).

„AKW von der Stange“mit Risiken

Mit einem SMR-Konzept liebäugeln Argentinie­n, Kanada, USA, Großbritan­nien, Südkorea, Russland und China. In Sibirien sind zwei schwimmend­e Atomkraftw­erke ans Netz gegangen (nach einer Planungs- und Bauzeit, die viermal so lang war wie ursprüngli­ch prognostiz­iert). In China wird seit 2012 an zwei Kleinreakt­oren gearbeitet.

Im Experten-Statement heißt es weiter, dass das Konzept von kleinen „AKW von der Stange“auch deshalb infrage zu stellen sei, weil jede einzelne Komponente darauf geprüft werden müsse, ob sie für den Einsatz in einem Atomkraftw­erk geeignet sei. Insgesamt meint dazu Jürgen Czernohors­zky, Vorsitzend­er der internatio­nalen Organisati­on Cities for Nuclear Free Europe und Klimastadt­rat in Wien: „Nuklearene­rgie ist die gefährlich­ste Energiefor­m.“

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[ Jens Büttner/DPA/APA] Polen setzt auf Atomkraft.

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