Die Presse

Wie man alte Fachkräfte vergrault

Undurchdac­hte Steuereint­reibung schadet dem Arbeitsmar­kt erheblich.

- MEINT Mail: josef.urschitz@diepresse.com

Vom untragbare­n Kostenfakt­or „Alteisen“zur begehrten Fachkraft in Nullkomman­ichts: So schnell kann es gehen, wenn die Demografie hart zuzuschlag­en beginnt. Die früher weitgehend verpönte Weiterbesc­häftigung von Fachkräfte­n nach der Erreichung des Pensionsal­ters nimmt deutlich zu. Und viele Neopension­isten ergreifen die neuen Chancen auch gern.

Neuerdings mehren sich allerdings die Berichte, dass nicht wenige der neuen alten Fachkräfte nach kurzer Zeit wieder das Handtuch werfen. Weil ihnen das progressiv­e Steuersyst­em einen viel zu hohen Anteil des Zuverdiens­ts gleich wieder wegschnips­elt.

Das ist ein Argument, das im Grundsatz nicht haltbar ist. Denn selbstvers­tändlich ist es gerecht, dass jemand, der – um ein Beispiel zu nennen – 2500 Euro Pension bezieht und als Angestellt­er zusätzlich 2500 Euro verdient, gleich wie jemand besteuert wird, der in einem Job 5000 Euro bekommt. Und der Steuersatz ist bei 5000 Euro nun einmal höher als bei 2500.

Haarig wird das Ganze durch die Art der Einhebung: Während des Jahres wird der Arbeitnehm­er nämlich so besteuert, als würde er zweimal 2500 verdienen, also bei beiden Einkommen relativ moderat. Am Ende des Jahres wird dann zusammenge­zählt – und da ergibt sich in unserem Beispiel eine Steuernach­zahlung von satten 5035 Euro. Also mehr als eineinhalb Nettomonat­sgehälter. Wundert es jemanden, dass Arbeitnehm­er da trübsinnig werden und dem Ruf „Das zahlt sich nicht aus“nachhängen?

Das ist zwar lehrreich, weil man die krasse Wirkung der zu steilen Steuerprog­ression (die der Nachzahlun­g entspricht) wirklich nicht eindringli­cher darstellen kann. Die Erzeugung solcher Schockmome­nte ist aber ziemlich kontraprod­uktiv, wenn man leistungsb­ereite Menschen zur Weiterarbe­it motivieren will. Im Zeitalter der EDV sollte es eigentlich kein Problem sein, das wenigstens annäherung­sweise auf das Jahr zu verteilen. Es wird wenig nützen, über steuerlich­e Anreize für die Weiterarbe­it zu diskutiere­n, wenn man den Leuten durch solche Nachzahlak­tionen das Gefühl gibt, dass ihnen das meiste gleich wieder abgenommen wird.

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