Wie man alte Fachkräfte vergrault
Undurchdachte Steuereintreibung schadet dem Arbeitsmarkt erheblich.
Vom untragbaren Kostenfaktor „Alteisen“zur begehrten Fachkraft in Nullkommanichts: So schnell kann es gehen, wenn die Demografie hart zuzuschlagen beginnt. Die früher weitgehend verpönte Weiterbeschäftigung von Fachkräften nach der Erreichung des Pensionsalters nimmt deutlich zu. Und viele Neopensionisten ergreifen die neuen Chancen auch gern.
Neuerdings mehren sich allerdings die Berichte, dass nicht wenige der neuen alten Fachkräfte nach kurzer Zeit wieder das Handtuch werfen. Weil ihnen das progressive Steuersystem einen viel zu hohen Anteil des Zuverdiensts gleich wieder wegschnipselt.
Das ist ein Argument, das im Grundsatz nicht haltbar ist. Denn selbstverständlich ist es gerecht, dass jemand, der – um ein Beispiel zu nennen – 2500 Euro Pension bezieht und als Angestellter zusätzlich 2500 Euro verdient, gleich wie jemand besteuert wird, der in einem Job 5000 Euro bekommt. Und der Steuersatz ist bei 5000 Euro nun einmal höher als bei 2500.
Haarig wird das Ganze durch die Art der Einhebung: Während des Jahres wird der Arbeitnehmer nämlich so besteuert, als würde er zweimal 2500 verdienen, also bei beiden Einkommen relativ moderat. Am Ende des Jahres wird dann zusammengezählt – und da ergibt sich in unserem Beispiel eine Steuernachzahlung von satten 5035 Euro. Also mehr als eineinhalb Nettomonatsgehälter. Wundert es jemanden, dass Arbeitnehmer da trübsinnig werden und dem Ruf „Das zahlt sich nicht aus“nachhängen?
Das ist zwar lehrreich, weil man die krasse Wirkung der zu steilen Steuerprogression (die der Nachzahlung entspricht) wirklich nicht eindringlicher darstellen kann. Die Erzeugung solcher Schockmomente ist aber ziemlich kontraproduktiv, wenn man leistungsbereite Menschen zur Weiterarbeit motivieren will. Im Zeitalter der EDV sollte es eigentlich kein Problem sein, das wenigstens annäherungsweise auf das Jahr zu verteilen. Es wird wenig nützen, über steuerliche Anreize für die Weiterarbeit zu diskutieren, wenn man den Leuten durch solche Nachzahlaktionen das Gefühl gibt, dass ihnen das meiste gleich wieder abgenommen wird.