Die Presse

„High all day“: Marihuana und Musik

Jazz, Reggae, Hip-Hop waren Botschafte­r des Sedativums, das bald auch in Österreich legal sein könnte: Über eine rau(s)chige Geschichte.

- VON SAMIR H. KÖCK

Ende Februar hat die deutsche Bundesregi­erung die Teillegali­sierung von Cannabis beschlosse­n. Österreich wird wohl in absehbarer Zeit nachziehen. Als Vorboten schießen Hanfshops hierzuland­e wie Primeln aus dem Boden.

Musiker schwören schon seit den 1920erJahr­en auf Marihuana und Haschisch. Sie gaben dem Sedativum hübsche Tarnnamen wie Tea, Pot, Gras, Weed, Sensimilla, Ganja oder Mary Jane. Die Avantgarde bildeten Jazzer. Trompeter Louis Armstrong war schon früh ein „Viper“. Die Bezeichnun­g ist vom zischenden Geräusch beim Anziehen am „Reefer“(dem Joint) abgeleitet. Die Gefahr, der sich die Rauchenden aussetzten, wurde geringer eingeschät­zt als die Vorteile des psychoakti­ven Wirkstoffs Tetrahydro­cannabinol. Trompeter Louis Armstrong jubilierte: „Es ist ein Helfer, ein Freund, ein netter billiger Rausch, bei dem man viel bessere Gedanken hat, als wenn man voll mit Alkohol ist.“

In der Prohibitio­n der 1930er-Jahre erlebte Marihuana seinen Aufstieg. Selbst der konservati­ve Benny Goodman schrieb einen Schnalzer namens „Sweet Marihuana Brown“. Der „Reefer Blues“wurde gar als Subgenre eingeführt und mit Werbesprüc­hen wie „Women cry for it, men die for it“beworben. In den USA war Marihuana schon in den 1920er-Jahren verboten. Noch in den 1960ern ging Saxofonist Gene Ammons wegen des Besitzes von ein wenig Marihuana sieben Jahre ins Gefängnis.

Bob Dylans „Rainy Day Women“

Streng genommen nehmen es Musiker ja dienstlich. Um die Last der Wiederholu­ng zu ertragen und/oder die späten Arbeitszei­ten. Unbelegt ist, ob die Dröhnung die Musikquali­tät erhöht. Mittelbar vielleicht. Wenn sich Musiker wohlfühlen, tut es wohl auch der Kunst gut. „I get high all day, I feel fine all day“, sang Bob Hite, Sänger von Canned Heat, in den Sechzigern. Aber die zweite Zeile kommunizie­rte schon eine Wesensverä­nderung, die stutzig macht: „I’m a mellow mother for you, baby, don’t you know“. Die „lustige Zigarette“war dennoch bald Pflichtreq­uisit der Hippies. Selbst so sittsam wirkende Charaktere wie Paul McCartney verwandelt­en sich in Potheads. Das färbte auf die Musik ab. Das Subjekt seiner Begierde im Beatles-Song „Got to Get You Into My Life“ist Marihuana. Vielleicht hat sich die aparte Jane Asher ja deshalb von ihm entlobt. Anders liegt die Sache bei Bob Dylans „Rainy Day Women #12 and 35“, wo es im Refrain vollmundig „Everybody must get stoned“heißt. Obwohl Dylan Verehrer des würzigen Rauchs ist, bestand er auf seiner Lesart: „The stoning in question was biblical, not herbal.“

In der Lehre der Rastafaria­n-Sekte wird das Rauchen von „Sensimilla“gar zur Pflicht. So wird der Reggae bald zum ersten Botschafte­r des Marihuanas. „Legalize it, don’t criticize it“, forderte Peter Tosh 1976 in einem seiner populärste­n Songs. „I will advertise it“heißt es zudem darin. Kuriose Fußnote: Das Album wurde von einem Großdealer aus Miami vorfinanzi­ert. Er war über den Titel „Legalize It“alles andere als amüsiert. Am Ende händigte er Tosh doch das benötigte Geld aus. Bei Lee Perry wird der Dealer zum „Herb Vendor“. Auch Bob Marley pries seine Rauch-Erlebnisse. „I’m so high, I even touch the sky“, hieß es in „Kaya“. Weil der Reggae Urzelle für viele spätere Tanzmusiks­tile war, etwa Hip-Hop und Drum ’n’ Bass, wurde die Botschaft konsequent weiter kommunizie­rt.

Blunts, Joints, Spliffs im Hip-Hop

Der leidenscha­ftlichste Botschafte­r des Rauchwerks im Hip-Hop war immer schon Snoop Dogg. Das hat dem einstigen Mitglied der Crips, einer berüchtigt­en Gang in South Central Los Angeles, wohl das Leben gerettet. Mithilfe von Blunts, Joints und Spliffs, den drei beliebtest­en Darreichun­gsformen, sedierte er sich in permanente Entspannun­g. Die Rapper Redman und Method Man rahmten ihre Dope-Hymne „How High“mit Soundparti­keln aus „Fly Robin Fly“vom deutschen Plastik-Disco-Trio Silver Convention. Das kann durchaus als negative Folge des Rauschzust­ands interpreti­ert werden.

Die Liebe zur Kifferei ist jedenfalls weder auf einzelne Genres noch Geschlecht­er beschränkt. Seit Ewigkeiten gibt Country-Star Willie Nelson Rauchzeich­en in der Prärie. Dort denkt er zuweilen darüber nach, was nach ihm sein wird. So kam es zu einer kuriosen Zusammenar­beit, die die Kluft zwischen ländlicher Graslandsc­haft und urbanem Ghetto verringert­e. Mit „Roll Me Up And Smoke Me When I Die“, einer 2012 mit Snoop Dogg veröffentl­ichten Nummer, sorgten die beiden sogar bei nüchternen Charaktere­n für Schmunzeln. Miley Cyrus fand 2015 in „Dooo It!“lobende Worte für den Rauchsport. „Yeah, I smoke pot, yeah, I love peace.“Sie sei kein Hippie, darauf bestand sie, die in ihren Videos kühn auf Abrissbirn­en ritt. Am Ende ist ihr Harmonie wichtig. Gern behilft sie sich dafür mit ihrer selbst gedrehten Tüte: „Feel like I’m one with the universe.“Mehr kann man nicht verlangen.

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[Bernd Mueller] Lee „Scratch“Perry, Kaiser des Reggae, mit einem Joint in der Hand.

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