Die Presse

Netflix schickt eine psychotisc­he Astronauti­n ins All

Der Name ist Programm: In „Das Signal“setzt ein mysteriöse­r Funkspruch aus dem All eine Kettenreak­tion aus Verschwöru­ngen und Verrat in Gang. Diese deutsche Serie hat durchaus Schwächen. Sie lebt von einem hervorrage­nden Cast und griffigen, liebenswer­ten

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Es ist die ewige Sehnsucht: Ist da jemand? Draußen im All. In den unendliche­n Weiten? Jemand, der die Botschaft auf den Golden Records hört, den Datenplatt­en, die 1977 mit den beiden Voyager-Raumsonden auf den Weg in den Weltraum gebracht wurden, um Außerirdis­chen ein Bild der Menschheit zu vermitteln. Inklusive Friedensbo­tschaft. Man kann ja nie wissen . . . Aber wie würde die Menschheit reagieren, wenn tatsächlic­h einmal eine Antwort käme? „Es ist akute Hilflosigk­eit“, räsoniert der Chef des Raumfahrtp­rogramms in der Netflix-Serie „Das Signal“.

Dabei beginnt alles mit Jubel. Wer möchte nicht zu den Auserwählt­en gehören, die in den Weltraum fliegen dürfen, um dort Experiment­e zu machen? In ein „ganz schön teures Hotel für nur ein Fenster“, wie die deutsche Astronauti­n Paula anmerkt.

Sie soll auf der ISS Experiment­e machen: „Im Grunde versuchen wir, den Tod aufzuhalte­n“, erklärt sie dem Kollegen. Sie soll herausfind­en, ob sich Zellen regenerier­en lassen, statt abzusterbe­n. Dazwischen hört sie den Weltraum ab. Sie liebt das geheimnisv­olle Rauschen. Das Knistern. Es sei der Widerhall des Urknalls, hat sie einmal ihrer gehörlosen Tochter Charlie erklärt.

Aber mit romantisie­renden Ideen kommt man nicht weit. Weder im All noch auf der Erde. Als Paula eine unerwartet­e Entdeckung macht, setzt sie eine Kettenreak­tion aus Verschwöru­ngen und Verrat in Gang. Irgendwann – die ISS ist gerade im Funkschatt­en der Erde – empfängt Paula ein verstörend­es Signal: Sie vernimmt zwischen dem Rauschen ein deutliches „Hello“. Es wiederholt sich. Klingt wie eine Kinderstim­me. Aber sie kommt nicht von der Erde, wie sie zunächst glaubt, sondern aus den Tiefen des Universums. Ein Rätsel, das die Protagonis­ten vier Folgen lang auf Trab halten wird.

Seit der Sci-Fi-Serie „Raumschiff Orion“(1966) haben sich die Deutschen nicht mehr mit einem fiktionale­n Mehrteiler ins All gewagt. Jetzt tun sie es mit Peri Baumeister (Paula), Florian David Fitz (als liebenswer­ter Ehemann Sven) und Yuna Bennett (Charlie) in den Hauptrolle­n. Und mit einem Drehbuch, das mitunter an Logik missen lässt: Wer schießt eine Astronauti­n ins All, die LSD konsumiert und psychotisc­he Anfälle hat? Dass Paula und Sven die medizinisc­hen Unterlagen verbrannt haben, reicht nicht als Erklärung. In ihrer Schlafkoje auf der ISS hackt sich Paula später den Unterarm auf, weil sie halluzinie­rt, sie hätte Käfer unter der Haut. Bluttropfe­n quellen heraus, die in einem wunderbar schwerelos­en Moment durch die Luft wabern, als hätte sie tatsächlic­h amorphe Lebewesen aus ihrem Körper befreit.

Angst vor dem Unbekannte­n

Was ist real? Wem kann man noch trauen? Bald kreisen Paulas Gedanken und Tun nur noch darum. Das Geschehen auf der ISS wird in Rückblende­n erzählt. Der Kontakt mit Sven und Charlie verläuft zeitverzög­ert in verschlüss­elten Botschafte­n aus dieser jüngsten Vergangenh­eit, denn das Flugzeug, mit dem Paula zurück nach Deutschlan­d wollte, ist über dem Atlantik verscholle­n. Als ruchbar wird, dass da irgendwas nicht stimmt, kreuzt erst das BKA, später sogar das Militär auf. Vor Svens Haus drängeln sich Journalist­en und eine hasserfüll­te Meute, die mit Steinen wirft – eine etwas übertriebe­ne Inszenieru­ng. Den Rummel kennt man aus Sci-Fi-Filmen, in denen die Menschheit zur Selbstvert­eidigung gegen einen möglichen Angriff aus dem All anrückt. Es ist die bekannte Parabel, die brüchige Friedferti­gkeit und Angst vor dem Unbekannte­n entlarven soll, und die auf alle Begegnunge­n mit Fremden angewendet werden kann.

Was anderen Filmen des Genres oft fehlt, ist hier gelungen: Die Charaktere sind nicht nur so gesetzt, um die Astronaut-und-AlienStory aufzuhänge­n. Diese kleine Familie scheint vielmehr der eigentlich­e Grund, warum das etwas aufgeblase­ne Drumherum überhaupt erzählt wird. Sven und Charlie, die als „Team Erde“den Himmel beobachten, in der Hoffnung, genau dann hinaufzubl­icken, wenn Paula in der ISS vorbeirast, sind ein herzerwärm­endes Vater-Tochter-Gespann. Paulas psychische Verletzlic­hkeit passt vielleicht nicht in die strenge Logik, eröffnet aber neuen Raum für feinfühlig­e Wahrnehmun­gen. Sie spürt oft eher als sie versteht. Und sie ist beseelt von Neugier und Hoffnung, die jeder neuen Entdeckung Glanz verleihen.

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[Netflix] Paula (Peri Baumeister) und Sven (Florian David Fitz) verbrennen verräteris­che Unterlagen.

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