Vielleicht geht es in Salzburg wirklich nur ums Wohnen
Der Kommunist Kay-Michael Dankl könnte Bürgermeister der Festspielstadt werden. Warum? Ein Blick auf den Immobilienmarkt erklärt so einiges.
Immer spannend, wenn ein Wahlergebnis total aus dem Rahmen fällt: Während reihum in Europa und ganz besonders in Österreich über den politischen Rechtsruck geklagt wird, wünschen sich 28 Prozent der Wähler in SalzburgStadt einen kommunistischen Bürgermeister. Kay-Michael Dankl, Spitzenkandidat der KPÖ plus, wird am 24. März in der Stichwahl gegen den SPÖ-Bewerber Bernhard Auinger antreten. Es könnte also durchaus sein, dass die Festspielgäste im kommenden Sommer von einem Marxisten begrüßt werden.
Diese Entwicklung bringt geübte Kommentatoren des politischen Geschehens von Peter Filzmaier abwärts erkennbar außer Tritt. Himmel, wie soll man so etwas erklären? Die breite Unzufriedenheit taugt natürlich immer als Ansatz. Viele Wähler hätten dermaßen genug von den etablierten Parteien, dass sie jede Einladung von auswärts annehmen würden, heißt es. Der nette, junge, umfassend harmlos wirkende Herr Dankl kam da gerade recht. Eine andere Denkschule sieht die Hauptverantwortung bei der ÖVP, die bisher den Bürgermeister gestellt und am Sonntag fast die Hälfte ihrer bisherigen Wähler verloren hat. Harald Preuner trat nicht mehr an, was die Partei den Amtsbonus kostete. Außerdem habe Sebastian Kurz bei der vorherigen Wahl 2019, auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit, bis in den Salzburger Gemeinderat gestrahlt. Damit ist es bekanntlich vorbei.
Das klingt alles vernünftig und wird das Wahlergebnis sicher beeinflusst haben. Aber vielleicht würde es auch nicht schaden, die regionalen Besonderheiten zu würdigen. Dankls KPÖ plus (wofür das plus steht, wurde bisher nicht verraten, oder?) hat fast nur auf das Thema Wohnen gesetzt. „Damit beim Wohnen niemand vor die Hunde geht“, stand etwa auf einem Wahlplakat. Ist dieses Risiko in Salzburg tatsächlich größer als in anderen Städten?
Aus reiner Neugier habe ich mich auf der Plattform Willhaben nach einer Unterkunft umgesehen. Meine Suche: eine
Mietwohnung in Salzburg Stadt, mindestens 65 m2 groß, zum Gesamtpreis von höchstens 1000 Euro. Was schätzen Sie, wie viele Angebote (Stand: Montag) zu dieser bescheidenen Anfrage kamen? Ein einziges. Und das erwies sich als unbrauchbar, weil die inserierte Wohnung nicht langfristig vermietet werden und pro Woche 490 Euro kosten soll. Wer sich mit 50 m2 Fläche begnügt, hat unwesentlich mehr Auswahl; es kamen fünf Offerte. In Linz bringen beide Suchanfragen eine dreistellige Zahl von Ergebnissen.
Klar gibt es auch noch geförderte Wohnungen und Immobilienprojekte, die nicht im Internet gehandelt werden. Aber offenbar hat der ganz normale Mietmarkt in Salzburg, jedenfalls für Durchschnittsverdiener, seine Selbstauflösung beschlossen. Das dürfte bei manchen Leuten die Hemmschwelle gesenkt haben, eine Partei zu wählen, die den Markt sowieso nicht mag.
Auch ein KPÖ-Bürgermeister könnte an der Misere auf die Schnelle wohl nicht viel ändern. Aber manchmal reicht es dem Wähler schon, wenn ihm glaubhaft vermittelt wird, dass seine Probleme ernst genommen werden. Die auf dem Wohnungsplakat der KPÖ plus abgebildete Hundehütte war, so gesehen, eine ziemlich pfiffige Idee. Mit diesem Bild können sicher viele etwas anfangen, die derzeit in Salzburg auf der Suche nach einer Bleibe sind.
Natürlich hat jeder recht, der das Revival der Kommunisten für einen Irrweg der Wähler hält. Aber Moralpredigten helfen weder ganz rechts noch weit links der Mitte.
Natürlich hat jeder recht, der das Revival der Kommunisten für einen geschichtsvergessenen Irrweg der Wähler hält. Aber Moralpredigten helfen weder ganz rechts noch weit links der Mitte. Die KPÖ habe sich als erste und einzige Partei des Themas Wohnen angenommen, sagt der frühere Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP) in der „Kleinen Zeitung“. Alle anderen hätten die Bedeutung des Problems lang völlig unterschätzt. Damit das woanders nicht auch passiert: Einfach zwischendurch die Immobilienanzeigen studieren.