Als Olaf Scholz „den Stier bei den Hörnern packen“wollte
Deutschland. Nach Wochen des Chaos um den Marschflugkörper Taurus stellte sich der Kanzler dem Parlament. Er beklagte sich über verbreitete „Halbwahrheiten“– und wurde selbst geheimnisvoll.
Bevor ihm die erste Frage gestellt wurde, kam Olaf Scholz auf den Marschflugkörper Taurus zu sprechen. „Ich will auch gern den Stier bei den Hörnern packen“, sagte der deutsche Bundeskanzler am Mittwochnachmittag im Bundestag in Berlin. Dann wiederholte er, warum er die Waffe nicht an die Ukraine liefern werde.
Der Taurus, der Stier, könne bis nach Moskau treffen. Eine solche Waffe wolle er nicht in die Hände der Ukrainer geben, ohne die Kontrolle über die Zielauswahl zu behalten. Das wiederum hieße in seiner Logik, deutsche Soldaten müssten darüber wachen, auf was die Marschflugkörper abgeschossen werden. Das wiederum käme einer Kriegsbeteiligung Deutschlands gleich – und die lehne er ab.
Diese Argumentation hatte Scholz in den vergangenen Tagen schrittweise öffentlich ausgebreitet : Erst vor einer Runde deutscher Chefredakteure, dann in einem Gespräch mit Schülern. Das bisher letzte Puzzleteil legte er auf den Tisch, nachdem russische Journalisten ein abgehörtes Gespräch deutscher Luftwaffegeneräle verbreitet hatten. Dass er sich erst jetzt den deutschen Volksvertretern im Bundestag erklärte, hatte für einigen Unmut gesorgt.
Taurus-Blockade aus „Besonnenheit“
Vor allem die CDU nutzte die Gelegenheit der Regierungsbefragung am Mittwoch, um den Kanzler wegen seiner Taurus-Blockade zu löchern. Zu der sind noch nicht alle Fragen beantwortet: So hat Deutschland das Taurus-System an Südkorea abgegeben – ohne dass deutsche Soldaten in einem Ernstfall an der Zielauswahl beteiligt wären. Misstraut Scholz den Ukrainern also? Außerdem hatte der Kanzler gesagt, deutsche Soldaten dürften beim Abschuss von Marschflugkörpern nicht so weit gehen wie britische oder französische. Heißt das, der Kanzler sieht Frankreich und Großbritannien bereits als Kriegsbeteiligte? Wenn nicht, warum wäre es Deutschland, wenn es seinen Taurus nach Kiew lieferte?
Scholz antwortet ausweichend, wurde aber angriffig. Er sprach von einer „Ansammlung von Halbwahrheiten“– ohne diese näher zu benennen. Als der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen fragte, wurde es geheimnisvoll. „Was mich aber ärgert, sehr geehrter Abgeordneter, lieber Norbert, dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist“, sagte Scholz. „Ich glaube, das sollte in einer Demokratie nicht der Fall sein“.
Was der Kanzler damit ansprach, führte er nicht aus. Röttgen wies die Unterstellung zurück, er würde etwas zum Marschflugkörper Taurus wissen, das er der deutschen Bevölkerung vorenthalte. Umgekehrt lässt sich aus Scholz’ Antwort schließen: Es gibt Erwägungen im Kanzleramt, über die weiter nicht öffentlich gesprochen wird.
Am Donnerstag wird die CDU einen parlamentarischen Antrag einbringen, den Taurus liefern zu lassen. Dieser ist allerdings symbolisch – die Entscheidung über einzelne Waffenlieferungen trifft nicht der Bundestag, sondern der Bundessicherheitsrat. Und damit am Ende der Kanzler, Olaf Scholz. Der sieht seine Blockade beim Stier als ein Zeichen der „Besonnenheit“.