Russlands Uran für den Westen
Die Atomkraft in Europa und den USA ist in hohem Ausmaß von Russland abhängig. Und wird es aufgrund langfristiger Verträge bleiben.
Im April 2023 hat die Europäische Kommission ein vollständiges Embargo russischer Lieferungen unter anderem von Nuklearbrennstoffen beschlossen. Ein Beschluss ohne Folgen: Die Abhängigkeit der EU bleibt bestehen, weil die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn und Bulgarien Kernkraftwerke sowjetischer Bauart betreiben. Es gibt WWER-1000- und WWER-440-Reaktoren. Für die Brennstablieferung gibt es langfristige Verträge mit Tvel, einer Tochter von Rosatom. Der russische Atomkonzern ist aus der Ausgliederung des russischen Atomministeriums entstanden und der größte Player im Atombusiness. 90.000 der 275.000 Angestellten arbeiten im Kernwaffenkomplex.
Patricia Lorenz, Atomkraftexpertin bei Friends of the Earth in Brüssel, hat einen Bericht zum Thema erstellt. Er wurde von der Wiener Umweltanwaltschaft in Auftrag gegeben. Lorenz: „Trotz eindeutiger Aussagen von Betreibern und Politikern“, dass die Abhängigkeit von russischen Brennstäben verringert werde, habe sich an der Praxis „nichts geändert“. So heißt es beim Betreiber der tschechischen Atomkraftwerke dazu, dass erst „2025 Framatome-Lieferungen erwartet werden“, so der Bericht. In der Slowakei heißt es bei der slowakischen AKW-Betreiberfirma (die im Staatseigentum steht), dass ein Vertrag mit der Rosatom-Tochter Tvel bestehe, der bis 2026 läuft und eine Option zur Verlängerung bis 2030 enthält. Ungarn will nicht aus dem Vertrag und aus den Lieferungen von Tvel aussteigen. Außerdem plant Ungarn, das AKW Paks zu erweitern, und will dies mit Rosatom durchzuziehen.
Framatome hat ein doppeltes Problem: Einerseits ist der Zugang für Frankreich zu den Uranvorräten in Niger nach dem Militärputsch so gut wie gekappt. Andererseits gibt es seit mehr als einem Jahr keinerlei Bewegung bei der Genehmigung eines Joint Venture zwischen Rosatom und Framatome: In Lingen, Niedersachsen, sollen Brennstäbe für WWER-Reaktoren in Lizenz erzeugt werden. Außerdem ist ein weiterer Rosatom-Ableger bei Abkühlbecken, Zwischenlagern und AKW-Dekommissionierungen aktiv, unter anderem in Deutschland.
Unverändert ist die Situation auch in den USA: 14 Prozent des importierten Urans kommen aus Russland, 35 Prozent aus Kasachstan. Dort besitzt Rosatom Uranminen.