Die Presse

Russlands Uran für den Westen

Die Atomkraft in Europa und den USA ist in hohem Ausmaß von Russland abhängig. Und wird es aufgrund langfristi­ger Verträge bleiben.

- VON MICHAEL LOHMEYER

Im April 2023 hat die Europäisch­e Kommission ein vollständi­ges Embargo russischer Lieferunge­n unter anderem von Nuklearbre­nnstoffen beschlosse­n. Ein Beschluss ohne Folgen: Die Abhängigke­it der EU bleibt bestehen, weil die Tschechisc­he Republik, die Slowakei, Ungarn und Bulgarien Kernkraftw­erke sowjetisch­er Bauart betreiben. Es gibt WWER-1000- und WWER-440-Reaktoren. Für die Brennstabl­ieferung gibt es langfristi­ge Verträge mit Tvel, einer Tochter von Rosatom. Der russische Atomkonzer­n ist aus der Ausglieder­ung des russischen Atomminist­eriums entstanden und der größte Player im Atombusine­ss. 90.000 der 275.000 Angestellt­en arbeiten im Kernwaffen­komplex.

Patricia Lorenz, Atomkrafte­xpertin bei Friends of the Earth in Brüssel, hat einen Bericht zum Thema erstellt. Er wurde von der Wiener Umweltanwa­ltschaft in Auftrag gegeben. Lorenz: „Trotz eindeutige­r Aussagen von Betreibern und Politikern“, dass die Abhängigke­it von russischen Brennstäbe­n verringert werde, habe sich an der Praxis „nichts geändert“. So heißt es beim Betreiber der tschechisc­hen Atomkraftw­erke dazu, dass erst „2025 Framatome-Lieferunge­n erwartet werden“, so der Bericht. In der Slowakei heißt es bei der slowakisch­en AKW-Betreiberf­irma (die im Staatseige­ntum steht), dass ein Vertrag mit der Rosatom-Tochter Tvel bestehe, der bis 2026 läuft und eine Option zur Verlängeru­ng bis 2030 enthält. Ungarn will nicht aus dem Vertrag und aus den Lieferunge­n von Tvel aussteigen. Außerdem plant Ungarn, das AKW Paks zu erweitern, und will dies mit Rosatom durchzuzie­hen.

Framatome hat ein doppeltes Problem: Einerseits ist der Zugang für Frankreich zu den Uranvorrät­en in Niger nach dem Militärput­sch so gut wie gekappt. Anderersei­ts gibt es seit mehr als einem Jahr keinerlei Bewegung bei der Genehmigun­g eines Joint Venture zwischen Rosatom und Framatome: In Lingen, Niedersach­sen, sollen Brennstäbe für WWER-Reaktoren in Lizenz erzeugt werden. Außerdem ist ein weiterer Rosatom-Ableger bei Abkühlbeck­en, Zwischenla­gern und AKW-Dekommissi­onierungen aktiv, unter anderem in Deutschlan­d.

Unveränder­t ist die Situation auch in den USA: 14 Prozent des importiert­en Urans kommen aus Russland, 35 Prozent aus Kasachstan. Dort besitzt Rosatom Uranminen.

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