Tödliches Fentanyl bedroht Europa
Täglich sterben in den USA 220 Menschen an einer Überdosis Fentanyl. Bei einer Konferenz in Wien will US-Außenminister Blinken Mitstreiter für den Drogenkampf finden.
Wien. Was mit der Verbreitung eines scheinbar harmlosen Schmerzmittels begonnen hat, ist in den USA zu einer riesigen Gesundheitskrise angewachsen, die in den letzten Jahren Hunderttausende Drogentote gefordert hat. Im Jahr 2021 starben jeden Tag in den USA 220 Menschen an einer Überdosis Fentanyl. Das synthetische Opiat, das bis zu 50-mal stärker als Heroin wirkt, ist in den USA zur häufigsten Todesursache für Menschen von 18 bis 49 Jahren geworden. Schon zwei Milligramm Fentanyl können tödlich sein.
Während in den USA die Ärzte heute wesentlich vorsichtiger mit der Verschreibung der süchtig machenden Medikamente geworden sind, boomt der illegale Markt.
Manchmal erfolgt der Konsum dieser Droge unbewusst, weil Heroin und Kokain mit ihr versetzt werden. Die Logik der Drogenkartelle: Es macht schnell süchtig, bringt mehr Umsatz und ist billiger in der Herstellung. Fentanyl hat sich quer durch alle Bevölkerungsschichten überall in den USA ausgebreitet.
Blinken bei Drogenkonferenz
Wenn nun in der Wiener UNO-City internationale Vertreter zur jährlichen Konferenz des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zusammenkommen, steht die Fentanyl-Krise in den USA ganz oben auf der Tagesordnung. US-Außenminister Antony Blinken wird am Freitag als hochrangiger Gast im 22. Wiener Gemeindebezirk erwartet – wie „Die Presse“berichtete. Blinken wird sich nicht nur im Plenarsaal an die dort versammelten Minister aus etlichen Ländern weltweit richten – Österreich ist durch Gesundheitsminister Johannes Rauch vertreten –, sondern auch bei einem sogenannten Side Event der Drogenkonferenz dabei sein. Das Thema: das Erarbeiten einer geeinten internationalen Antwort auf synthetische Drogen und Vorläufersubstanzen.
Seit Längerem versuchen die USA, den Kampf gegen die Ausbreitung von Fentanyl global anzugehen. Dazu versucht Washington vor allem Peking ins Boot zu holen, denn ein Großteil der Opioide und auch die zur Herstellung benötigten Chemieprodukte kommen aus China. 2019 verbot Peking auf Druck Washingtons zwar den Verkauf der fertig produzierten Droge. Doch dann setzte ein reger Handel mit Vorläuferprodukten ein. Mexikanische Drogenkartelle witterten ihre Chance, bestellten Chemikalien in China und verarbeiteten diese in Drogenküchen in Mexiko.
Erst vor wenigen Monaten haben die USA und China Maßnahmen vereinbart, um die Ausfuhr von Bestandteilen zur Fentanyl-Produktion und Tablettenpressen aus China einzudämmen. Peking ist seither gegen einige der Herstellerfirmen vorgegangen. Gleichzeitig versuchen die USA Abkommen mit Mexiko zu schließen. Drogenkartelle wie das berüchtigte Sinaloa-Kartell fluten die USA mit Fentanyl. Doch der Kampf mexikanischer Behörden gegen Schmuggler und Drogenlabore ist auch ein scheinbar aussichtsloser.
’Ndrangheta drängt auf Fentanyl-Markt
In Europa scheint eine Fentanyl-Krise weit weg. Doch Fachleute warnen, dass sich die tödliche Droge immer mehr einschleicht. In Deutschland haben Experten Heroin untersucht, von 1400 Proben enthielten 50 Fentanyl. Ähnlich dürfte die Lage wohl auch in anderen europäischen Ländern sein.
Laut Interpol ist „Fentanyl bereits in Europa“, wie Generalsekretär Jürgen Stock vor Kurzem in einem Interview mit der „Welt“sagte. Auch wenn in Europa Beschlagnahmungen „bei Weitem“nicht an die Mengen in Nordamerika heranreichten, sollten sie „aufgrund des hohen Suchtpotenzials bei den Strafverfolgungs- und Gesundheitsbehörden Besorgnis auslösen“, sagte Stock. Fest steht auch, dass Mafia-Organisationen wie die ’Ndrangheta, die den Handel mit Kokain in Europa dominiert, verstärkt in den Fentanyl-Markt hineindrängt.