Die Presse

WKStA-Chefin: „Trete nicht in politische Arena“

Die Leiterin der Korruption­sstaatsanw­altschaft, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, lässt sich nicht auf eine politische Debatte mit Sebastian Kurz ein. Und zieht statistisc­h Bilanz über die Fälle des Vorjahrs.

- VON MANFRED SEEH

Sie steht immer wieder im Zentrum kritischer Betrachtun­gen – und ja, es liegt im Wesen der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), dass sie sich mächtige Feinde schafft. Denn sie ermittelt in hochkomple­xen Strafverfa­hren mit einem Schaden von mehr als fünf Millionen Euro – und gegen Beschuldig­te, die über Geld und Einfluss verfügen. Doch auch diese Personen, so Behördenle­iterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda am Mittwoch vor Journalist­en, blieben nicht verschont.

Zuletzt trat die WKStA als Anklägerin von Ex-Kanzler Sebastian Kurz in Erscheinun­g. Und das mit Erfolg. Sie brachte ihren Strafantra­g wegen Falschauss­age vor dem Ibiza-U-Ausschuss durch. Kurz bekam erstinstan­zlich acht Monate bedingte Haft. Er meldete volle Berufung an.

„Ein politisch motivierte­s Vorgehen“, nämlich eine Strafanzei­ge der Opposition, konkret der Neos, habe zum Strafantra­g geführt, hatte Kurz beklagt. Weiter: „Ich habe mein Jus-Studium nicht abgeschlos­sen, aber so viel habe ich mitgenomme­n: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Ich will nicht jammern, aber um ehrlich zu sein, fühle ich mich von der WKStA nicht so behandelt.“Und das noch: „Ich habe den Eindruck, dass so etwas nicht stattfinde­n würde, wäre ich nicht Bundeskanz­ler gewesen.“

„Niemand über Gesetz“

Auf die „Presse“-Frage, ob derlei Wortmeldun­gen nicht das Vertrauen der Öffentlich­keit in die Arbeit der WKStA schmälern würden, sagt Vrabl-Sanda: Tatsächlic­h sei die WKStA auf das Vertrauen der Bevölkerun­g angewiesen. Doch dieses bleibe am ehesten erhalten, wenn man sich nicht in eine politische Debatte verwickeln lasse. „Ich trete nicht in die politische Arena.“Nachsatz: „Schon gar nicht mit einem Beschuldig­ten.“

Die Behördenle­iterin weiter: „Die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaft­skriminali­tät ist zu wichtig, um sie auch nur durch den Anschein der politische­n Einflussna­hme zu gefährden. Niemand steht über dem Gesetz. Wir treffen unsere Entscheidu­ngen nach dem Gesetz und arbeiten sachlich, unvoreinge­nommen und frei von medialer, politische­r und sonstiger Beeinfluss­ung.“

Derzeit sind ungefähr 230 Verfahren bei der WKStA anhängig (siehe Grafik). Ein knappes Drittel sind ausgesproc­hene Großverfah­ren mit zwei- bis dreistelli­gen Millionens­chadensbet­rägen. Oder mit Tausenden Geschädigt­en. Unter diesen Großverfah­ren befinden sich wiederum etliche Cybercrime-Verfahren. In diesem Bereich gelte es technische, praktische und rechtliche Herausford­erungen zu meistern, so der Leiter der Cybercrime-Kompetenzs­telle, Oberstaats­anwalt Matthias Purkart. Es gebe verschiede­ne Cybercrime-Gruppen: den Anlagebetr­ug, bei dem Investoren hohe Renditen vorgegauke­lt werden, den

Notlagebet­rug etwa durch falsche Polizisten, die vorgeben, Wertgegens­tände vor Einbrecher­n in Sicherheit zu bringen – oder den „CEO-Fraud“, bei dem Betrüger in großen Unternehme­n Datenkommu­nikation ausspähen und dann Mitarbeite­r dazu bringen, etwa nach einem vermeintli­chen Auftrag vom Chef Geld zu überweisen.

Rechtlich stoße man oft an Grenzen, weil die Strafproze­ssordnung nach wie vor Offline-Delikte vor Augen habe, so Purkart. Das betreffe etwa die nationalen Zuständigk­eiten, aber auch die internatio­nale Komponente. Täter sitzen oft in Ost- oder Südosteuro­pa, Beispiel: Kosovo, wo Rechtshilf­emöglichke­iten

sehr eingeschrä­nkt sind. Viele Delikte könnten gar nicht aufgeklärt werden, so Purkart. „Es gibt noch immer viel zu wenig Skepsis gegenüber diesen Betrugsfor­men.“Dabei treffe es nicht nur Leichtgläu­bige. „Die Zeiten mit dem nigerianis­chen Prinzen, der eine Erbschaft verspricht, sind vorbei.“Und: „Es ist keine Schande, zur Polizei zu gehen. Das kann der Unterschie­d sein, ob Sie Ihre Lebensersp­arnisse noch haben oder nicht.“

2023: 770 fertige Verfahren

2023 wurden rund 770 Verfahren abgeschlos­sen. Unterdesse­n sind im abgelaufen­en Jahr ungefähr tausend neue Verfahren angefallen. Zu den prominente­sten WKStA-Causen zählt der Casag-Komplex bzw. die Inserate-Affäre rund um die Meinungsfo­rscherin Sabine Beinschab. Diese hat den (vorläufige­n) Kronzeugen­status und arbeitet mit der WKStA zusammen.

Dies tut auch der Kronzeuge in spe, Ex-Finanzmini­steriums-Generalsek­retär Thomas Schmid. Übrigens: Nicht nur Beinschab wird aktuell als Kronzeugin geführt. Im Rahmen von Ermittlung­en nach Unregelmäß­igkeiten bei Vergabever­fahren haben zuletzt auch mehrere andere Personen den Kronzeugen­status (und damit Straffreih­eit) erhalten.

Eine positive Bilanz zog WKStAObers­taatsanwäl­tin Elisabeth Täubl hinsichtli­ch des vor zehn Jahren eingericht­eten Whistleblo­werOnline-Tools. Seit dessen Bestehen habe es circa 16.000 Meldungen gegeben. Insgesamt sind bisher 958 Ermittlung­sverfahren eingeleite­t worden. Insgesamt mündeten die Hinweise in 150 Anklagen, die zu 93 Verurteilu­ngen, 35 Diversione­n und 36 Freisprüch­en führten.

Derzeit verfügt die WKStA über 45 Staatsanwä­ltinnen und Staatsanwä­lte, die von zehn Wirtschaft­sfachleute­n unterstütz­t werden. Dazu kommt ein Team von 15 IT-Experten, die aber auch für andere Staatsanwa­ltschaften arbeiten. Dieses Expertente­am soll demnächst aufgestock­t werden.

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[L. Foeger/Reuters] WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda.

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