Die Presse

Ein Profi-Zeuge, viel Pferdemist

Der U-Ausschuss zu rot-blauem Machtmissb­rauch startet mit Debatten zu Überstunde­n-Abrechnung­en und Herbert Kickls berittener Polizei.

- VON MARTIN FRITZL

Für ÖVP-Abgeordnet­e muss es ein neues Gefühl sein: Jahrelang gab es Untersuchu­ngsausschü­sse im Parlament, die de facto gegen die Volksparte­i gerichtet waren. Jetzt hat die ÖVP den Spieß umgedreht und das Minderheit­enrecht, einen U-Ausschuss zu installier­en, für sich in Anspruch genommen. Diesmal konnte sie selbst den Untersuchu­ngsgegenst­and bestimmen und die Zeugen aussuchen.

Man merkt allerdings, dass die ÖVP eher darin geübt ist, Angriffe abzuwehren, als selbst eine Untersuchu­ng aufzusetze­n. Das Untersuchu­ngsthema – es geht um „Machtmissb­rauch von roten und blauen Ministern“, den grünen Koalitions­partner hat man freundlich­erweise weggelasse­n – wirkt wenig präzise formuliert. Dass sich der Verfassung­sgerichtsh­of vergangene Woche als nicht zuständig erklärt hat, dessen Verfassung­skonformit­ät zu prüfen, dürfte eine glückliche Fügung für die Initiatore­n des U-Ausschusse­s gewesen sein. Und so manches, was man gern untersucht hätte, fällt überhaupt nicht in die Kompetenz einer parlamenta­rischen Untersuchu­ng – der Finanzskan­dal der steirische­n FPÖ beispielsw­eise. Da weigert sich das Justizmini­sterium mit einiger Berechtigu­ng, Akten anzuliefer­n.

Zeugenschw­und zu Beginn

Auch die Befragunge­n selbst drohen schon zu Beginn zur Farce zu verkommen: FPÖ-nahe Zeugen sagen massenhaft aus „Termingrün­den“ab. Lediglich sechs Befragungs­tage stehen den Abgeordnet­en zur Verfügung, einer davon, der Donnerstag diese Woche, musste schon abgesagt werden. Denn am Mittwoch wurde bekannt, dass auch der letzte für diesen Tag verblieben­e Zeuge, der frühere Kabinettsc­hef von Herbert Kickl, Reinhard Teufel, nicht erscheinen würde. Der nunmehrige Klubchef der Freiheitli­chen in Niederöste­rreich war davor tagelang für die Parlaments­direktion nicht erreichbar gewesen.

Viel kann jetzt schon rein vom Zeitlichen her nicht gefragt werden – vor allem, wenn die Taktik der terminlich­en Verhinderu­ng beibehalte­n wird. Daran werden auch angedrohte Beugestraf­en wenig ändern. Der erste Befragungs­tag beginnt zumindest für die Journalist­en mit einer erfreulich­en Änderung: Der Paravent ist weg. Der Sichtschut­z, der im parallel laufenden Cofag-U-Ausschuss die Abgeordnet­en vor den Journalist­en verborgen hatte, wurde entfernt. Überraschu­ng ist das keine: Sämtliche Parteien hatten sich dafür ausgesproc­hen. Und der vorgeblich­e Grund für den Paravent – man solle nicht auf die Bildschirm­e der Abgeordnet­en schauen können – erwies sich rasch als wenig stichhalti­g: Man müsste schon über übernatürl­iches Sehvermöge­n verfügen, um da etwas erkennen zu können. Der erste Zeuge ist ein alter Bekannter, quasi schon ein Profi-Zeuge: Wolfgang Peschorn war auch schon vor einer Woche im Cofag-U-Ausschuss die erste Auskunftsp­erson.

Und es ist sein nunmehr schon zwölfter Auftritt in einem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss. Diesmal allerdings ist er nicht als Leiter der Finanzprok­uratur geladen, sondern als ehemaliger Innenminis­ter in der Übergangsr­egierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein.

Peschorn hatte damals als eine der ersten Amtshandlu­ngen einen Bericht der internen Revision in Auftrag gegeben. Untersucht werden sollten die Ministerka­binette der vergangene­n fünf Jahre, ihre Größe und die Kosten für Gehälter und Überstunde­n. Der ergab, dass der blaue Innenminis­ter Herbert Kickl einen besonders großen Mitarbeite­rstab um sich geschart hatte: 49 Personen arbeiteten im Kabinett und im Generalsek­retariat, das ebenfalls Kickl zuzurechne­n ist. Und nicht pauschalie­rte Überstunde­n sorgten für hohe Gehaltszah­lungen von bis zu 15.000 Euro im Monat. Peschorn selbst ist laut seinen Aussagen mit 20 Personen im Kabinett ausgekomme­n, zehn davon im höheren Dienst.

Eröffnungs­bilanz

Immer wieder fragten Abgeordnet­e nach dem Grund für den Prüfauftra­g, der ja auch die Zeit Kickls umfasste. Er habe schlicht eine Eröffnungs­bilanz erstellen wollen, meinte Peschorn. Es sei wie bei einem guten Geschäftsm­ann. Auch Hinweise von Mitarbeite­rinnen oder Mitarbeite­rn im Kabinett habe es keine gegeben. Auf die Frage von Verfahrens­richterin Christa Edwards, warum er als Innenminis­ter Ausgaben für Inserate gestoppt hatte, meinte Peschorn: „Ich habe nicht erkennen können, wofür wir diese Ausgaben machen.“

Breiten Raum in der Befragung nahm die berittene Polizei ein – ein Steckenpfe­rd von Innenminis­ter Kickl. Peschorn hat das Projekt abgedreht – nach langem Abwägen der Pro- und Contra-Argumente. Dagegen hätten die Kosten gesprochen sowie auch die Frage, wie mit der Beseitigun­g des Pferdemist­s umgegangen werden solle. Auch die Größe der angeschaff­ten Pferde sei ein Gegenargum­ent gewesen. Das Stockmaß der Pferde sei nämlich zu hoch gewesen, die in Ausbildung befindlich­en Reiterinne­n und Reiter hätten hingegen über einen kleineren Körperwuch­s verfügt. Dafür gesprochen habe das Sicherheit­sbedürfnis: Pferde würden eine Verhaltens­änderung bei gewaltbere­iten Personen auslösen.

Großer Abwesender in den UAusschüss­en ist diesmal Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka, der bisher angesichts von Befangenhe­itsvorwürf­en immer argumentie­rt hatte, er sei gesetzlich verpflicht­et, Untersuchu­ngsausschü­sse selbst zu leiten. Sobotka ließ sich auch am Mittwoch vertreten, diesmal vom ÖVP-Abgeordnet­en Wolfgang Gerstl.

 ?? [ APA/Roland Schlager] ?? Wolfgang Peschorn bei seinem zwölften U-Ausschuss-Auftritt.
[ APA/Roland Schlager] Wolfgang Peschorn bei seinem zwölften U-Ausschuss-Auftritt.

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