Die Presse

Im Würgegriff des Maskulinen

Ein Wrestling-Clan wird von einem „Fluch“dahingeraf­ft. Des Unheils wahre Wurzel? Toxische Männlichke­it! Sean Durkins Drama „The Iron Claw“empfiehlt Tränen als Antidot.

- VON DAVID AUER „The Iron Claw“: Jetzt im Kino, ab 21. 3. auf Amazon.

Eine Wand voll Fotos, dazwischen ein Kreuz. Etliche Sporttroph­äen, zum Altar arrangiert. Eine Pistolensa­mmlung, stolz ausgestell­t. Die Eindrücke, die am Anfang von „The Iron Claw“auf uns einprassel­n, zeichnen das Klischeebi­ld eines konservati­ven Familienid­ylls im ruralen Amerika. Abgerundet wird es mit einer klassische­n Frühstücks­szene, wie man sie aus US-Filmen kennt: Eine brave Mama in Kochschürz­e wird nicht müde, tonnenweis­e Pfannkuche­n, Semmerln, Eierspeis und Würste zu servieren, die die Männer dann in sich hineinscha­ufeln. Moment – geht das überhaupt? Ohne Brechung? Im Jahr 2024? Nein, oder?

Bingo: Das Tischgespr­äch ist hier nicht von netten Banalitäte­n bestimmt, sondern Ausdruck knallharte­r Macho-Meritokrat­ie. Der Patriarch und Ex-Wrestler gibt seinen Sprössling­en – alle Athleten wie er – eiskalt zu verstehen, dass der jeweils sportlich erfolgreic­hste unter ihnen stets auch seine Zuneigungs­rangliste anführen wird. Und obwohl die vom Vater aufgezwung­ene Rivalität die Brüder nicht entzweit, werden sie letztlich doch von seinen autoritäre­n Mantras auseinande­rgerissen. Am Ende des Films ziehen die Impression­en vom Anfang abermals an uns vorbei: Fotos, Kreuz, Trophäen, Schusswaff­en. Alles nur Fassade! Als hätten wir es nicht schon beim ersten Mal kapiert …

Demonstrat­iv sensibles Trauerspie­l

„The Iron Claw“fußt auf der wahren Geschichte der Von Erichs, einer Wrestling-Familie, die in den USA in den 1980er-Jahren Bekannthei­t erlangte. Zunächst aufgrund der Erfolge der charismati­schen Söhne im Ring, später, weil diese reihenweis­e verunglück­ten – so, als laste ein Fluch auf ihrer Sippschaft. Ein arges Schicksal! So arg, dass US-Autorenfil­mer Sean Durkin einen der fünf verstorben­en Von-Erich-Söhne in seinem dritten Langfilm völlig unerwähnt lässt. Verständ

lich: Mehr Tragik hätte „The Iron Claw“nicht nur unnötig länger gemacht, sondern auch die Geduld des Publikums für sein demonstrat­iv sensibles Trauerspie­l überstrapa­ziert.

Dabei fängt dieses Biopic so launig an! Wrestling ist eine ulkige Angelegenh­eit, auch, weil es primär Show ist: Da vollziehen Spandex-Muskelmons­ter Manöver, die an homoerotis­chen Ausdruckst­anz erinnern. Durkin inszeniert diese Fights als packendes Testostero­ntheater, die Story hüllt er in nostalgisc­he Sepiatöne. Sein Cast ist stark: Holt McCallany verleiht Vater Fritz eine brütende Intensität, Jeremy Allen White („The Bear“) und Harris Dickinson („Triangle of Sadness“) geben fesche Charmebolz­en ab. Zac Efron hat sich für die Hauptrolle einen Körperpanz­er antrainier­t: Seine Erscheinun­g – Ambossschä­del, Prinz-Eisenherz-Gedenkfris­ur – macht das

einstige Image des „High School Musical“Schnuckelc­hens fast vergessen. Die Frauen bleiben im Hintergrun­d: Maura Tierney und Lily James dürfen als Mütter vor allem leiden.

Der Filmtitel verweist übrigens auf eine Kampftechn­ik der Von Erichs, ihr Markenzeic­hen. Der eiserne Griff des Vaters schwingt da mit, ebenso die kalte Klaue der „toxischen Männlichke­it“: Dass auch Machismo Performanc­e ist, und zwar keine, die sich lohnt, ist Kernbotsch­aft von Durkins Drama. Als Antidot empfiehlt es uns die Authentizi­tät des Gefühls. So gelangen wir vom Schweiß- ins Tränenbad: Zuletzt darf der einzige überlebend­e Bruder, nachdem es ihm Papa so lang untersagt hat, endlich weinen. Tränen lügen nicht. Oder spielt Efron uns nur etwas vor?

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[A24] Machismo-Performanc­e im Ring und außerhalb: Zack Efron im Wrestling-Drama „The Iron Claw“.

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