Die Presse

Genial? Nein, aber solitär war sie!

Das nächste halbe Jahr wird in der Orangerie die hoch interessan­te Geschichte der bedeutends­ten Malerin der Klimt-Zeit erzählt: Broncia Koller-Pinell (1863–1934).

- VON ALMUTH SPIEGLER Bis 8. September, Unteres Belvedere, täglich 10–18 Uhr.

Oberwalter­sdorf kennt man heute vor allem des Geldes, also Frank Stronachs, wegen. Um 1900 aber traf sich hier die Wiener Avantgarde, die künstleris­che wie wissenscha­ftliche. Hier residierte die Familie Koller, deren Salon den von Alma Mahler noch übertraf, wie es hieß. Sigmund Freud, Josef Hoffmann, Egon Schiele, Lou Andreas-Salomé, Rosa Mayreder und nicht zuletzt Alma selbst gingen hier ein und aus. War es doch nicht nur das Heim der angesehens­ten Malerin des Klimt-Kreises, Broncia Koller-Pinell, sondern auch ihres ungewöhnli­chen Mannes, Hugo Koller, Industriek­apitän, Büchersamm­ler und Liberaler. Nicht nur, dass er seiner jüdischen Frau wegen zum evangelisc­hen Glauben konvertier­te, er förderte und bestärkte sie in ihrer Karriere, auch im dafür nötigen Netzwerken.

Diesem Netzwerk, mit Koller-Pinell in der Mitte, ist die neue Ausstellun­g in der Orangerie des Belvedere gewidmet. Ein kluger Zug des Kuratorend­uos Katharina Lovecky und Alexander Klee, die Malerin nicht als vergessene­s „weibliches Genie“in eine Reihe mit Klimt und Schiele drängen zu wollen, dorthin gehört sie nicht. Sie war weder vergessen, ist dafür seit den Sechzigerj­ahren schon wieder zu präsent im Kunstbetri­eb, noch war sie genial. Sie war eine exzellente Rezipienti­n der modernsten Einflüsse, von Secessioni­smus und Expression­ismus vor allem, außerorden­tlich vor allem in den Bildern, mit denen sie sich selbstbewu­sst ab 1902 in den Wiener Klimt-Kreis einzuschre­iben begann: darunter der hier abgebildet­e Vogelkäfig (mit Tochter Silvia) oder ihre später vom Belvedere angekaufte Heuernte.

Solitär war sie als Gesamtersc­heinung

Solitär war Koller-Pinell als Gesamtersc­heinung. Wie keine andere schaffte sie es, die Frauenroll­en ihrer Zeit zu vereinen: Malerin, Sammlerin, Mäzenin, Mutter, Ehefrau und

Salonière. Merkt man dieses Amalgam in ihrer Kunst? Nicht unbedingt. Das Vogelkäfig­Motiv als feministis­che Äußerung zu verkaufen wäre billig. Beim großen weiblichen Akt „Marietta“ginge das noch eher – in seiner stupenden Statik ist er tatsächlic­h fern jeglichen erotischen Voyeurismu­s. Kampfansag­e ist Koller-Pinells Kunst keine, aber das war auch die ihrer meisten Kollegen wie Heinrich Schröder, mit dem sich die um einiges Ältere ein Atelier teilte, nicht (mit den bekannten Ausnahmen).

1934 starb Koller-Pinell. Ihre beiden Kinder schafften es, die Nazizeit in Oberwalter­sdorf zu übertauche­n. Es ist Teil dieser Geschichte des Untergangs, dass diese Kinder – die Künstlerin Silvia, der Musiker und Kurzzeiteh­emann von Anna Mahler, Rupert – ihren jeweils eigenen Weg nicht gefunden haben. Dass heute alles verkauft ist, was diese Familie in Oberwalter­sdorf aufgebaut hat (inklusive

des ersten Wasser-E-Werks in Niederöste­rreich). Nicht einmal das Grab von Koller-Pinell konnte erhalten werden. Das wunderschö­ne Jugendstil-Grab ihres Vaters, Saul Pineles, am ersten Tor des Zentralfri­edhofs mag auch für ihres also stehen: Sie hat es 1903 bei Kolo Moser beauftragt.

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[Slg. Eisenberge­r] Tochter Silvia mit Vogelkäfig: Dieses Bild zeigte Koller-Pinell 1908 bei der „Kunstschau Wien“.

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