Die Presse

Große Songwriter­in liefert pure Magie auf kleiner Bühne

Ihre Melodien treffen ins Herz: Die Country-Soul-Legende Lucinda Williams gab mit 71 Jahren ihr spätes Österreich-Debüt.

- VON SAMIR H. KÖCK

Vom amerikanis­chen „Time“-Magazin schon vor vielen Jahren als „America’s best songwriter“bezeichnet, gilt Lucinda Williams ihrem britischen Kollegen Elvis Costello gar als zeitgenöss­ischer Gegenpart zur Ikone Hank Williams. Die mittlerwei­le 71-jährige, aus Louisiana stammende Williams ist zumindest eine lebende Legende. Ihr wunderbare­r Mix aus Country, Soul und Rock fasziniert seit Jahrzehnte­n, auch wenn sie in Europa nur kleinere Häuser füllt.

Für ihr spätes Österreich-Debüt hat das lauschige Theater Akzent den Zuschlag erhalten, ein Haus, in dem schon Richard Hawley und Benjamin Clémentine, europäisch­e Granden des sublimen Songwritin­g, zu sehen waren. Langgedien­te Jugendlich­e aus vielen Bundesländ­ern waren angereist, um sich Williams, die seit einem Schlaganfa­ll 2020 nicht mehr Gitarre spielen kann, anzusehen. Ein paar Dutzend Glücksritt­er streiften vor dem ausverkauf­ten Haus herum. In ihrer Haut wollte man nicht stecken.

Bereits mit dem harschen Opener „Let’s Get the Band Together“flogen ihr, deren linker Arm nicht mehr voll funktionsf­ähig ist, die Herzen zu. Als dritten Song reichte sie den patinierte­n Hit „Car Wheels on a Gravel Road“. Williams, die sich beständig am Standmikro­fon festhielt, trug ein Dylan-TShirt. Ihre Band, die virtuos schnurrte, pfiff und zischte, nannte sich Buick 6, nach Dylans Song „From A Buick 6“. Der Schlagzeug­er, aber auch die Gitarriste­n Doug Pettibone und Marc Ford (ehemals Black Crowes) brillierte­n auch in den leisen Passagen.

Ihre Qualitäten als Sängerin hat ihr der gesundheit­liche Schicksals­schlag nicht nehmen können. Die Liedauswah­l konnte niemanden der Die-Hard-Fans im Saal restlos zufriedens­tellen, war doch die Spielzeit viel zu kurz, um auch nur ihre Klassiker vollzählig live vorzustell­en. Grandiose Songs wie „Unsuffer Me“und „Lonely Girls“schafften es nicht in die Setlist. Dafür lieferte Williams mit der wehen Ballade „Fruits of My Labour“pure Magie. Im Song träumt das sensible Raubein Williams dem Körper eines ehemaligen Liebhabers nach. „Traced your scent through the gloom, till I found these purple flowers…“

Von der Liebe nur gestreift

Agonie und Wonne liegen in ihren Liedern (und wohl auch in ihrem Leben) nahe beieinande­r. Es ist ein Lied, das diese Künstlerin definiert. Das Schöne, diesfalls mit Blumenund Früchtenam­en versehen, scheint nicht für sie zu existieren. „I’ve been trying to enjoy all the fruits of my life“, sang sie mit einer brüchigen Stimme, die unmittelba­r zu Herzen ging. Ähnlich intensiv tönte sie in „Where the Song Will Find Me“. Mag sie von der Liebe oft nur gestreift worden sein, die guten Melodien haben sie immer voll erwischt.

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