Die Presse

Falsches Argument, falscher Moment

Alte politische Vorurteile haben in einer Diskussion über die Zukunft der Privatuniv­ersitäten keinen Platz.

- VON GERTRUDE BRINEK Gertrude Brinek debatte@diepresse.com

Österreich ist 1994 der EU beigetrete­n und hat sich damit in vielen Bereichen einen größeren Denkhorizo­nt erobert – auch und besonders im Bildungs- und Wissenscha­ftsbereich. Dazu gehört die gesetzlich­e und in der Folge reale Etablierun­g der Fachhochsc­hulen. Etwas länger und bisweilen strapaziös­er erwies sich die Diskussion um Privatuniv­ersitäten. Ausländisc­he bzw. private Institutio­nen konnten bis 1999 in Österreich nicht als Universitä­ten tätig werden; eine Zulassung und Anerkennun­g als Privatuniv­ersität wurde nach Längerem qua Regierungs­vorlage im Bundesgese­tz über die Akkreditie­rung von Bildungsei­nrichtunge­n als Privatuniv­ersitäten (Universitä­ts-Akkreditie­rungsgeset­z – Uni AkkG) parlamenta­risch behandelt und geregelt. Am 9. Juli 1999 wurde der Gesetzesvo­rschlag im Ausschuss für Wissenscha­ft und Forschung mit Mehrheit angenommen (SPÖ, ÖVP, FPÖ und Liberales Forum) und am 14. Juli ebenso beschlosse­n.

Wer war dagegen? Die Grünen! Als Parlamenta­rierin und Ausschussm­itglied sind mir die Einwände noch gegenwärti­g. Sie sind auch nachzulese­n in der „Abweichend­en Stellungna­hme“der Abg. Madeleine Petrovic für die Grünen. Von einer Gefahr der finanziell­en „Aushungeru­ng“des öffentlich­en Hochschuls­ystems ist darin die Rede, „Unis nur für die Reichen“brauche man nicht, die öffentlich­en Unis würden inhaltlich zu kurz kommen usw. In einer „Alles muss gratis sein“-Gesellscha­ft gelang es dem Parlament und dem damaligen SPÖWissens­chaftsmini­ster, Caspar Einem, das Gesetz zu verteidige­n.

Die Sigmund-Freud-Privatuniv­ersität (SFU) gehörte von Anfang an zu jenen wenigen Privatuniv­ersitäten, die sich aus eigenen Mitteln bzw. aus Studiengeb­ühren finanziert­e! Einige private Pioniere hatten ihre Ersparniss­e zusammenge­nommen und gründeten mit bescheiden­en Mitteln dem Ansinnen Sigmund Freuds folgend eine akademisch­e

Ausbildung­sstätte für Psychother­apeutinnen und -therapeute­n. Sehr bald kam die Psychologi­e dazu, erfreulich­e Erfolge stellten sich ein, das Studium florierte.

Gern erinnere ich mich daran, mit Sigrid Pilz in der SFU am Podium gesessen zu sein und die Idee der SFU-Studien gutgeheiße­n und unterstütz­t zu haben.

Zwei Paar Schuhe

Es war nur ein logischer nächster Schritt, neben Rechtswiss­enschaften an die Erweiterun­g um Medizin zu denken. Ein zeitgemäße­s Bild vom rundum gesunden Menschen und fächerüber­greifende Forschung und Lehre in kleingrupp­endidaktis­ch organisier­ten Settings fungierten als Leitprinzi­pien. Die öffentlich­en Unis wurden nicht ausgehunge­rt, die Geschlecht­erverteilu­ng an der SFU ist so ausbalanci­ert, wie man sie sich an manchen öffentlich­en Unis nur wünschen kann. Die Studierend­en sind gut organisier­t. An der nachgewies­enen Forschungs­leistung wurden (anfangs) keine Zweifel geäußert. Nach und nach meldeten sich jedoch Kritiker und artikulier­ten Konkurrenz-Angst. Einige ungeschmin­kt gehässig artikulier­te Wortmeldun­gen tönten auch aus dem Parlament (aus einer Fraktion) an die Ohren der SFU-Leitung …

Vernunftge­leitete Einwendung­en sind es allzeit wert, gehört zu werden. So auch geschehen bei der Re-Akkreditie­rung der Medizin. Alte politische Vorurteile haben in einer Diskussion über die Zukunft der Privatuniv­ersitäten keinen Platz. Die Schließung bzw. Renovierun­g des Lorenz-Böhler-Krankenhau­ses und die Vereinbaru­ng der SFU mit dem Wiener Gesundheit­sverbund sind zwei Paar Schuhe. Wenn Sigrid Pilz den Zusammenha­ng herbeirede­t, verfängt sie in alten ideologisc­hen Reflexen, die nichts mit einer rationalen Diskussion zu tun haben.

(* 1952), ist ÖVP-Politikeri­n, Universitä­tsrätin an der SFU, derzeit Vorsitzend­e. Reaktionen an:

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