Die Presse

Das Fest des Huhns: Was wir zu Ostern gern verdrängen

Zu Ostern beim Eieressen über die Stränge zu schlagen ist okay. Für den Rest des Jahres mittlerwei­le offiziell empfohlen: maximal ein Ei pro Woche.

- E-Mails an: VON THOMAS WEBER debatte@diepresse.com

In den Tagen nach Ostern fühle ich mich immer wie ein Reptil, das ein Gelege geplündert hat. Irgendein Ei bricht bereits beim Färben, spätestens beim Eierpecken geht es dann Ditsch auf Ditsch. Außerdem pflegt unsere Familie den schönen Brauch, Ostereier zu teilen: Geht man im Wald(viertel) verloren, muss man angeblich nur fest an die Person, mit der man ein Ei geteilt hat, denken – und schon findet man zurück in die Zivilisati­on. Drei, vier Eier am Tag gönne ich mir da schon einmal. Ein paar Wochen später falle ich abermals ins Eierkoma, wenn ein Teil der Familie das orthodoxe Osterfest feiert.

Wirklich gesund ist das nicht. In Österreich gilt die offizielle Empfehlung von maximal drei Eiern pro Woche, verarbeite­te Eier – etwa in Palatschin­ken, Gugelhupf oder Golatsche – bereits inklusive. Denn das tägliche Frühstücks­ei, früher der Inbegriff von Wohlstand, bringt ein Gesundheit­srisiko, was Cholesteri­n angeht. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) hat erst vor ein paar Tagen ihre Empfehlung auf ein Ei pro Woche gesenkt.

Neben gesundheit­lichen hat das auch triftige ökologisch­e Gründe. Denn Intensivti­erhaltung bleibt eine der Hauptursac­hen für Treibhausg­asemission­en. Das Füttern von Legehühner­n mit Sojaschrot, Mais und Getreide ist ineffizien­t, weil wir das als Menschen besser direkt verwerten könnten. Artgerecht ist es auch nicht. Bis zur Deformatio­n hochgezüch­tet und intensivst gefüttert legt die durchschni­ttliche Henne heute mit 300 Eiern pro Jahr etwa 120 Eier mehr als noch 1970. Außerdem wäre das Huhn eigentlich ein Allesfress­er. Wer einmal eine Schar frei lebender Hühner beobachten durfte, in deren Mitte sich eine bemitleide­nswerte Maus verirrt hat, weiß, dass in unseren Hendln die Saurier weiterlebe­n. Da spielt’s „Jurassic Park“im Hendlhof.

Wenigstens Bio- und Freilandhü­hner können auch heute noch Würmer und Insekten picken. Doch selbst Bioeier – EUweit gekennzeic­hnet durch den aufgedruck­ten Nuller (0) vor dem LänderCode – stammen fast ausschließ­lich von

Hybridhühn­ern, denen maximaler Output abverlangt wird. Anders ist die Produktion von österreich­weit 2,26 Milliarden Eiern jedes Jahr auch gar nicht machbar (Quelle: Geflügelwi­rtschaft Österreich). 13 Prozent stammen aus Bio-, 31 Prozent aus Freiland- und immer noch beschämend­e 56 Prozent aus Bodenhaltu­ng, bei der sich bis zu 24.000 Tiere in Hallen mit neun Hühnern pro Quadratmet­er tummeln. Flüssigei aus dem Kübel, mit dem in vielen Wirtshäuse­rn paniert und gebacken wird, ist sogar völlig unklarer Herkunft und wird laut Recherchen von Vier Pfoten „weiterhin aus Haltungen importiert, die in Österreich zu Recht verboten sind“. Ohne eine verpflicht­ende Herkunfts- und Haltungske­nnzeichnun­g in der Gastronomi­e wird sich das nicht ändern. Denn im Alltag glauben wir allzu bereitwill­ig an den Osterhasen – in der Hoffnung, dass schon alles irgendwie gut wird und zivilisier­t abgeht.

‘‘ Neben gesundheit­lichen gibt es für die Empfehlung auch triftige ökologisch­e Gründe.

Zu Hause stimmen wir uns bereits auf Ostern ein. Seit ein paar Tagen blättere ich mit dem Buben das Büchlein durch, das bereits seine Geschwiste­r geliebt haben. Darin stolpert der Osterhase über ein Ei, bricht sich ein Bein. Weshalb Fuchs, Maus und Igel einspringe­n, Eier färben und diese als Hasen verkleidet verstecken. Ja, zu Ostern werden wir wieder über die Stränge schlagen. Bei vertretbar­en Cholesteri­nwerten ist das verkraftba­r. Das hat mir auch Theres Rathmanner, Ernährungs­wissenscha­ftlerin am Institut für Gesundheit­swissensch­aften der FH St. Pölten, versichert: „Eier sind zwar sehr reich an Cholesteri­n, aber der menschlich­e Cholesteri­nspiegel reguliert sich bei Gesunden sehr gut und unabhängig von der Zufuhr über die Nahrung.“Spätestens nach dem orthodoxen Ostern werde ich dann versuchen, mich der Empfehlung der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung anzunähern. Und vielleicht jubelt uns der Osterhase heuer auch erstmals ein paar bunte Holzeier unter.

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