Das Fest des Huhns: Was wir zu Ostern gern verdrängen
Zu Ostern beim Eieressen über die Stränge zu schlagen ist okay. Für den Rest des Jahres mittlerweile offiziell empfohlen: maximal ein Ei pro Woche.
In den Tagen nach Ostern fühle ich mich immer wie ein Reptil, das ein Gelege geplündert hat. Irgendein Ei bricht bereits beim Färben, spätestens beim Eierpecken geht es dann Ditsch auf Ditsch. Außerdem pflegt unsere Familie den schönen Brauch, Ostereier zu teilen: Geht man im Wald(viertel) verloren, muss man angeblich nur fest an die Person, mit der man ein Ei geteilt hat, denken – und schon findet man zurück in die Zivilisation. Drei, vier Eier am Tag gönne ich mir da schon einmal. Ein paar Wochen später falle ich abermals ins Eierkoma, wenn ein Teil der Familie das orthodoxe Osterfest feiert.
Wirklich gesund ist das nicht. In Österreich gilt die offizielle Empfehlung von maximal drei Eiern pro Woche, verarbeitete Eier – etwa in Palatschinken, Gugelhupf oder Golatsche – bereits inklusive. Denn das tägliche Frühstücksei, früher der Inbegriff von Wohlstand, bringt ein Gesundheitsrisiko, was Cholesterin angeht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat erst vor ein paar Tagen ihre Empfehlung auf ein Ei pro Woche gesenkt.
Neben gesundheitlichen hat das auch triftige ökologische Gründe. Denn Intensivtierhaltung bleibt eine der Hauptursachen für Treibhausgasemissionen. Das Füttern von Legehühnern mit Sojaschrot, Mais und Getreide ist ineffizient, weil wir das als Menschen besser direkt verwerten könnten. Artgerecht ist es auch nicht. Bis zur Deformation hochgezüchtet und intensivst gefüttert legt die durchschnittliche Henne heute mit 300 Eiern pro Jahr etwa 120 Eier mehr als noch 1970. Außerdem wäre das Huhn eigentlich ein Allesfresser. Wer einmal eine Schar frei lebender Hühner beobachten durfte, in deren Mitte sich eine bemitleidenswerte Maus verirrt hat, weiß, dass in unseren Hendln die Saurier weiterleben. Da spielt’s „Jurassic Park“im Hendlhof.
Wenigstens Bio- und Freilandhühner können auch heute noch Würmer und Insekten picken. Doch selbst Bioeier – EUweit gekennzeichnet durch den aufgedruckten Nuller (0) vor dem LänderCode – stammen fast ausschließlich von
Hybridhühnern, denen maximaler Output abverlangt wird. Anders ist die Produktion von österreichweit 2,26 Milliarden Eiern jedes Jahr auch gar nicht machbar (Quelle: Geflügelwirtschaft Österreich). 13 Prozent stammen aus Bio-, 31 Prozent aus Freiland- und immer noch beschämende 56 Prozent aus Bodenhaltung, bei der sich bis zu 24.000 Tiere in Hallen mit neun Hühnern pro Quadratmeter tummeln. Flüssigei aus dem Kübel, mit dem in vielen Wirtshäusern paniert und gebacken wird, ist sogar völlig unklarer Herkunft und wird laut Recherchen von Vier Pfoten „weiterhin aus Haltungen importiert, die in Österreich zu Recht verboten sind“. Ohne eine verpflichtende Herkunfts- und Haltungskennzeichnung in der Gastronomie wird sich das nicht ändern. Denn im Alltag glauben wir allzu bereitwillig an den Osterhasen – in der Hoffnung, dass schon alles irgendwie gut wird und zivilisiert abgeht.
‘‘ Neben gesundheitlichen gibt es für die Empfehlung auch triftige ökologische Gründe.
Zu Hause stimmen wir uns bereits auf Ostern ein. Seit ein paar Tagen blättere ich mit dem Buben das Büchlein durch, das bereits seine Geschwister geliebt haben. Darin stolpert der Osterhase über ein Ei, bricht sich ein Bein. Weshalb Fuchs, Maus und Igel einspringen, Eier färben und diese als Hasen verkleidet verstecken. Ja, zu Ostern werden wir wieder über die Stränge schlagen. Bei vertretbaren Cholesterinwerten ist das verkraftbar. Das hat mir auch Theres Rathmanner, Ernährungswissenschaftlerin am Institut für Gesundheitswissenschaften der FH St. Pölten, versichert: „Eier sind zwar sehr reich an Cholesterin, aber der menschliche Cholesterinspiegel reguliert sich bei Gesunden sehr gut und unabhängig von der Zufuhr über die Nahrung.“Spätestens nach dem orthodoxen Ostern werde ich dann versuchen, mich der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung anzunähern. Und vielleicht jubelt uns der Osterhase heuer auch erstmals ein paar bunte Holzeier unter.