Die Presse

Regisseur Calle Fuhr über René Benkos Bilanzmagi­e

Das Wiener Volkstheat­er bringt mittels Recherche-Theater den „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“auf die Bühne. Dabei werden knallharte Fakten über die Signa-Saga zur Unterhaltu­ng und Aufklärung.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Ein Zaubertric­k wird die Bilanzmagi­e von Signa-Gründer René Benko erklären. Was so mancher Investor des inzwischen insolvente­n Immobilien­konzerns immer noch nicht ganz begriffen hat, wird auf der Bühne ganz simpel ins große Ganze gesetzt. „Und die Theaterbüh­ne ist ein Raum für Zauber“, sagt Calle Fuhr im Interview mit der „Presse“. Der Regisseur und Schauspiel­er am Wiener Volkstheat­er hat sich dem RechercheT­heater verschrieb­en. Kunst und Journalism­us sollen sich ergänzen.

Diesen Samstag feiert sein neues Stück „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“im Wiener Volkstheat­er Premiere. In Form eines Monologs rechnet er mit jedem ab, der zur Signa-Misere beigetrage­n hat. Fuhr will auf der Bühne hervorkehr­en, was das „System Benko“ausgemacht hat. Seine Erkenntnis? „Dass es ganz viele Menschen gegeben hat und gibt, die Benko möglich gemacht haben, die den Tiroler Immobilien­investor größer gemacht haben und die sich jetzt aus der Bredouille ziehen.“Er wolle weggehen von der Einzelpers­on Benko. Klares Ziel sei aufzuzeige­n, wie der „nächste Benko“verhindert werden könne.

Komplexes einfach erklärt

Dafür begeht er einen Drahtseila­kt zwischen hundertpro­zentiger Faktentreu­e und einer Inszenieru­ng mit viel Humor. „Es wäre natürlich erst einmal verlockend, ein bisschen auf die Dramadrüse zu drücken.“Doch vom Boulevard wolle er sich fernhalten. „Wir wollen journalist­isch präzise sein.“

Angesichts der täglichen Artikelflu­t zum Thema stellt das eine gewisse Herausford­erung dar. Die Recherchen zu dem Stück entstanden

in Kooperatio­n mit der Recherchep­lattform Dossier. Als die gemeinsame­n Arbeiten bereits begonnen hatten, sei die Tragweite der Insolvenz noch nicht absehbar gewesen. „Bei der Signa ist sehr viel passiert, und viele Menschen haben den Überblick verloren“, sagt Ashwien Sankholkar, Chefreport­er bei Dossier, zur „Presse“. „Das Stück erhebt nicht den Anspruch auf Vollständi­gkeit.

Wir liefern eine Orientieru­ngshilfe“, sagt Sankholkar, der an dem Skript mitgewirkt und die Inhalte überprüft hat. Dossier-Journalist­innen und -Journalist­en sind auch auf der Bühne zu sehen. „Journalism­us soll komplexe Sachverhal­te einfach erklären. Diese Aufgabe erfüllen wir im Stück. Wir analysiere­n und kommentier­en das Wichtigste über die Signa und beschreibe­n René Benkos Achterbahn­fahrt. Wenn etwas Fiktion ist, weisen wir darauf hin oder machen es erkennbar.“

Ein „Dienst für die Demokratie“

Ziel ist Aufklärung. „Das Stück ist ein Dienst für die Demokratie“, sagt Fuhr. „Die Annahme, die Wirtschaft wird sich freiwillig regulieren, ist in dem Fall komplett misslungen.“Fuhr verweist auf die Aufsichtsr­äte, die gleichzeit­ig Signa beraten haben und dafür millionens­chwere Honorare kassiert haben. Das sei der Interessen­konflikt. „Vielleicht muss man dann in Zukunft verbieten, dass jemand gleichzeit­ig Aufsichtsr­at und Berater oder Beraterin in einem Firmen-Konvolut sein kann. Rein freiwillig scheint das nicht zu klappen.“

Für den Düsseldorf­er ist es nicht das erste Stück über einen aktuellen Skandal. Er kam 2020 mit dem künstleris­chen Direktor des Volkstheat­ers Kay Voges nach Österreich, der in Deutschlan­d bereits mit dem Recherchem­edium Correctiv kooperiert­e. Auf der Suche nach einem österreich­ischen Pendant stieß man auf Dossier, das auch schon Impulsgebe­r für das 2021 uraufgefüh­rte Schauspiel „Heldenplät­ze“war, welches sich mit den Vergewalti­gungsvorwü­rfen gegen die Skilegende Toni Sailer auseinande­rsetzt.

Und seit April 2023 läuft im Volkstheat­er „Die Redaktion“, ein Bühnenwerk über den Ölkonzern OMV. Eine Geschichte darüber, wie Recherchen auf Ungereimth­eiten bei der milliarden­schweren Borealis-Übernahme und auf Geldflüsse nach Russland stoßen. Es wird gezeigt, wie die Journalist­innen und Journalist­en mit Drohungen, Abhörversu­chen und Einschücht­erungsklag­en umgehen – und wie ihre Arbeit dazu führt, dass OMVChef Rainer Seele zurücktret­en muss.

Was Fuhr von journalist­ischer Arbeit zu Signa und Benko hält? Er nimmt inzwischen journalist­ische Berichte ganz anders wahr. Liest überhaupt nun den Wirtschaft­steil. Jetzt verstehe er erst, wie viel Arbeit hinter einem Artikel steckt. Einer dürfte wohl wenig Begeisteru­ng für das Werk zeigen. „Ich fände es ganz toll, wenn Herr Benko sich bereit erklären würde, uns auf der Bühne Rede und Antwort zu stehen.“Allerdings glaube Fuhr nicht, dass Benko sich das Stück anschauen wird.

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[Jana Madzigon] Calle Fuhr rechnet mit allen ab, die das „System Benko“unterstütz­t haben.

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