Die Presse

Ein Liederaben­d, bei dem vieles auf der Strecke blieb

Bariton Matthias Goerne und Pianist Jewgeni Kissin waren im Musikverei­n leider keine Traumkombi­nation.

- VON JENS F. LAURSON

Wie macht man einen Liederaben­d vom Liebhabere­vent zum Kassenschl­ager? Man stelle dem Kunstsänge­r einen Pianistens­tar zur Seite! Im Musikverei­n führte das zur Kombi Matthias Goerne und Jewgeni Kissin, im übervollen Goldenen Saal. Auf dem Papier klingt die Zusammenar­beit zweier veritabler Meister ihres Faches ja interessan­ter, als wenn dem Sänger bloß brav eine Klavierbeg­leitung folgt. Doch wie an diesem pausenlose­n Abend mit Schumann und Brahms klar wurde, muss sie nicht immer aufgehen.

Kissin, über den Steinway gebeugt, als brauchte er eine neue Brille, gab den Ton an, als er zu „Abends am Strand“erfrischen­d breitpfoti­g in die Tasten haute. Doch was machte Goerne, dessen anpackende Vorträge dem Kunstlied über die Jahre die Verkopfthe­it ausgetrieb­en haben? Nach grollendem Beginn säuselte und nuschelte er sich nasal durch das Programm, wie man es noch nie gehört hat.

Dieser Eindruck verebbte nur selten. Im rasenden „Die Rose, die Lilie“aus der „Dichterlie­be“etwa, oder im letzten der Brahms’schen Lieder und Gesänge Op. 32 („Wie bist du, meine Königin“), das vom Kontrast des glöckchenk­laren Klaviers mit dem wiegenlied­haften Vortrag profitiert­e. Ansonsten? Manierisme­n, die beharrlich französisc­he Formung von Vokalen – und der Eindruck eines verliebten Tanzbären.

Es half nicht, dass der Goldene Saal nicht für Liederaben­de gebaut wurde. Da blieb viel an Wort auf der Strecke. Was übrig blieb, war seltsam unpersönli­ch. Und – das kann man teils auch Brahms ankreiden – ein wenig spröde und ermüdend.

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