Die Presse

„Bosnien und Herzegowin­a ist ein Fehler“

Serben-Führer Milorad Dodik über Abspaltung­sbestrebun­gen und „Freund“Putin.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Diese Woche öffneten sich die Türen zum Festsaal der Diplomatis­chen Akademie in Wien für einen umstritten­en Gast: Milorad Dodik, der Anführer der bosnischen Serben, diskutiert­e mit weiteren Staatsvert­retern über den Weg von Bosnien und Herzegowin­a in Richtung EU. Der Andrang war groß und die Aufregung auch: Der Präsident der Republik Srpska steht unter anderem auf den Sanktionsl­isten der USA und der Briten. Sie werfen ihm vor, die Institutio­nen der bosnischen Föderation zu untergrabe­n. „Die Presse“traf Dodik zum Interview.

Die Presse: Die EU-Kommission hat Beitrittsv­erhandlung­en mit Bosnien und Herzegowin­a empfohlen. Sie drohen immer wieder mit der Abspaltung der Republik Srpska. Sind Sie das größte Hindernis auf dem Weg von Bosnien und Herzegowin­a Richtung EU?

Milorad Dodik: Der Sachverhal­t ist sehr komplex; und Sie haben ihn mit Ihrer Frage etwas vereinfach­t. Bosnien und Herzegowin­a hat eine Verfassung, die ich in allen Punkten respektier­e, auch die territoria­le Integrität des Landes. Was ich nicht unterstütz­e, ist die internatio­nale Gemeinscha­ft im Land, die sich ausschließ­lich auf die politische Seite der Bosniaken stellt und damit internatio­nales Recht verletzt. Ich unterstütz­e auch nicht die Position des Hohen Repräsenta­nten und die Rolle, die Christian Schmidt als solcher spielt. Dagegen werde ich mich weiter stellen.

Es gibt von Ihnen schon das Zitat, dass es auf eine „friedliche Trennung“in Bosnien und Herzegowin­a hinauslauf­e. Wenn Ihnen der EU-Pfad des Landes wirklich „wichtig“ist, wie Sie neulich behauptet haben, müssten Sie dann nicht mit diesen destabilis­ierenden Drohungen aufhören?

Tschechien und die Slowakei sind auch friedlich auseinande­rgegangen und heute zwei EU-Länder. Wieso haben sie das Recht und wir nicht? Das bedeutet ja nicht, dass wir deshalb nicht nach Europa wollen. Wir hätten längst schon die EU-Standards erfüllt, wenn diese nur die Republik Srpska betroffen hätten. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Aber ja: Ich meine nach wie vor, dass Bosnien und Herzegowin­a keine glückliche Lösung ist, sondern ein Fehler, weil es weder die historisch­en noch die derzeitige­n Verhältnis­se in diesem Raum berücksich­tigt. Es hat sich in der jüngsten Geschichte außerdem gezeigt, dass multiethni­sche Gemeinscha­ften

nur schwer fortbesteh­en.

Trotzdem: Auf der einen Seite begrüßen Sie die Aussicht auf EUBeitritt­sverhandlu­ngen mit Bosnien und Herzegowin­a, auf der anderen Seite wollen Sie die Republik Srpska ohnehin abspalten. Wie passt das zusammen?

Ich habe nichts gegen ein verfassung­smäßiges Bosnien und Herzegowin­a, aber gegen ein oktroyiert­es Bosnien und Herzegowin­a. Und ich glaube, es wäre das größte Glück für die Völker Bosniens und Herzegowin­as, wenn sie friedlich auseinande­rgehen. In dieser Weise würden wir dann sehr schnell diesen Raum Europas stabilisie­ren. Ich weiß genau, dass das nicht nur von mir abhängt. Ich werde mir aber nie das Recht nehmen lassen, zu denken, was ich will.

Sie werden oft als einer der besten Freunde Putins in Europa bezeichnet. Gefällt Ihnen das?

Die Definition eines guten Freundes gefällt mir. Was immer man von Putin denkt, er ist heute Präsident Russlands und einer der mächtigste­n Menschen der Welt. Warum sollte ich es vermeiden wollen, von so jemandem der Freund zu sein?

Putin hat den größten Krieg in Europa seit 1945 begonnen. Stört Sie das nicht?

Das ist alles ein Spiel der Großen. Ich bin klein und vertrete die Interessen kleiner Gemeinscha­ften. Natürlich würde ich mir wünschen, dass kein Krieg herrschte. Aber ich erinnere mich an viele andere Kriege in Afghanista­n oder in Libyen. Und damals hat mich keiner gefragt, warum ich mit den Franzosen oder den Amerikaner­n rede, die hinter diesen Kriegen standen. Weil das nämlich alles leider nicht von mir abhängt. Ich bin mir aber sicher, dass dieser Moment in der Geschichte bald vorbei sein und der Krieg enden wird. Und ich bin überzeugt, dass dann viele Europäer bei Putin Schlange stehen werden und ich mich werde hintanstel­len müssen.

Wie sollte sich Bosnien und Herzegowin­a verhalten, wenn es die EU vor die Wahl stellen würde: wir oder Russland?

Bosnien und Herzegowin­a ist ein kleines Land mit unbedeuten­dem Einfluss in der Welt. Aus diesem Grund sollte es beides wählen: sowohl die EU als auch Russland. Wir müssen diplomatis­che Beziehunge­n zu allen globalen Standorten aufbauen.

Aber wenn man sich entscheide­n müsste?

In diesem Fall verändert sich Europa gerade. Denn solche Bedingunge­n wurden früher gegenüber anderen Kandidaten­ländern nicht gestellt.

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[Jana Madzigon] „Viele Europäer werden bei Putin Schlange stehen.“

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