„Bosnien und Herzegowina ist ein Fehler“
Serben-Führer Milorad Dodik über Abspaltungsbestrebungen und „Freund“Putin.
Diese Woche öffneten sich die Türen zum Festsaal der Diplomatischen Akademie in Wien für einen umstrittenen Gast: Milorad Dodik, der Anführer der bosnischen Serben, diskutierte mit weiteren Staatsvertretern über den Weg von Bosnien und Herzegowina in Richtung EU. Der Andrang war groß und die Aufregung auch: Der Präsident der Republik Srpska steht unter anderem auf den Sanktionslisten der USA und der Briten. Sie werfen ihm vor, die Institutionen der bosnischen Föderation zu untergraben. „Die Presse“traf Dodik zum Interview.
Die Presse: Die EU-Kommission hat Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina empfohlen. Sie drohen immer wieder mit der Abspaltung der Republik Srpska. Sind Sie das größte Hindernis auf dem Weg von Bosnien und Herzegowina Richtung EU?
Milorad Dodik: Der Sachverhalt ist sehr komplex; und Sie haben ihn mit Ihrer Frage etwas vereinfacht. Bosnien und Herzegowina hat eine Verfassung, die ich in allen Punkten respektiere, auch die territoriale Integrität des Landes. Was ich nicht unterstütze, ist die internationale Gemeinschaft im Land, die sich ausschließlich auf die politische Seite der Bosniaken stellt und damit internationales Recht verletzt. Ich unterstütze auch nicht die Position des Hohen Repräsentanten und die Rolle, die Christian Schmidt als solcher spielt. Dagegen werde ich mich weiter stellen.
Es gibt von Ihnen schon das Zitat, dass es auf eine „friedliche Trennung“in Bosnien und Herzegowina hinauslaufe. Wenn Ihnen der EU-Pfad des Landes wirklich „wichtig“ist, wie Sie neulich behauptet haben, müssten Sie dann nicht mit diesen destabilisierenden Drohungen aufhören?
Tschechien und die Slowakei sind auch friedlich auseinandergegangen und heute zwei EU-Länder. Wieso haben sie das Recht und wir nicht? Das bedeutet ja nicht, dass wir deshalb nicht nach Europa wollen. Wir hätten längst schon die EU-Standards erfüllt, wenn diese nur die Republik Srpska betroffen hätten. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Aber ja: Ich meine nach wie vor, dass Bosnien und Herzegowina keine glückliche Lösung ist, sondern ein Fehler, weil es weder die historischen noch die derzeitigen Verhältnisse in diesem Raum berücksichtigt. Es hat sich in der jüngsten Geschichte außerdem gezeigt, dass multiethnische Gemeinschaften
nur schwer fortbestehen.
Trotzdem: Auf der einen Seite begrüßen Sie die Aussicht auf EUBeitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina, auf der anderen Seite wollen Sie die Republik Srpska ohnehin abspalten. Wie passt das zusammen?
Ich habe nichts gegen ein verfassungsmäßiges Bosnien und Herzegowina, aber gegen ein oktroyiertes Bosnien und Herzegowina. Und ich glaube, es wäre das größte Glück für die Völker Bosniens und Herzegowinas, wenn sie friedlich auseinandergehen. In dieser Weise würden wir dann sehr schnell diesen Raum Europas stabilisieren. Ich weiß genau, dass das nicht nur von mir abhängt. Ich werde mir aber nie das Recht nehmen lassen, zu denken, was ich will.
Sie werden oft als einer der besten Freunde Putins in Europa bezeichnet. Gefällt Ihnen das?
Die Definition eines guten Freundes gefällt mir. Was immer man von Putin denkt, er ist heute Präsident Russlands und einer der mächtigsten Menschen der Welt. Warum sollte ich es vermeiden wollen, von so jemandem der Freund zu sein?
Putin hat den größten Krieg in Europa seit 1945 begonnen. Stört Sie das nicht?
Das ist alles ein Spiel der Großen. Ich bin klein und vertrete die Interessen kleiner Gemeinschaften. Natürlich würde ich mir wünschen, dass kein Krieg herrschte. Aber ich erinnere mich an viele andere Kriege in Afghanistan oder in Libyen. Und damals hat mich keiner gefragt, warum ich mit den Franzosen oder den Amerikanern rede, die hinter diesen Kriegen standen. Weil das nämlich alles leider nicht von mir abhängt. Ich bin mir aber sicher, dass dieser Moment in der Geschichte bald vorbei sein und der Krieg enden wird. Und ich bin überzeugt, dass dann viele Europäer bei Putin Schlange stehen werden und ich mich werde hintanstellen müssen.
Wie sollte sich Bosnien und Herzegowina verhalten, wenn es die EU vor die Wahl stellen würde: wir oder Russland?
Bosnien und Herzegowina ist ein kleines Land mit unbedeutendem Einfluss in der Welt. Aus diesem Grund sollte es beides wählen: sowohl die EU als auch Russland. Wir müssen diplomatische Beziehungen zu allen globalen Standorten aufbauen.
Aber wenn man sich entscheiden müsste?
In diesem Fall verändert sich Europa gerade. Denn solche Bedingungen wurden früher gegenüber anderen Kandidatenländern nicht gestellt.