„Ich habe Angst vor Joe Biden“
Harald Vilimsky, Spitzenkandidat der FPÖ bei der Europawahl, hofft auf eine Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus und will die EU radikal umbauen – ohne Freihandel, Migration und Globalisierung.
Die Presse: Für die FPÖ läuft es rund: Der Grüne Deal wurde verwässert, in der Asylpolitik macht man die Grenzen dicht, selbst der Verbrenner wurde nicht zu Grabe getragen. Trotzdem kommt von Ihnen nur EU-Kritik. Kann man Ihnen gar nichts recht machen?
Harald Vilimsky: Der aktuelle Migrationspakt ist eine Beruhigungspille, an den Anreizsystemen für illegale Zuwanderung ändert sich ebenso wenig wie an den Migrationsströmen nach Österreich, Deutschland oder Schweden.
Also alles Augenauswischerei?
Ja, und in der Agrarpolitik ist es nicht anders. Unter den Landwirten herrscht pure Verzweiflung. Wir brauchen Regionalisierung und keinen Knoblauch aus Ägypten, Erdäpfel aus Osteuropa oder niederländisches Massenfleisch. Stattdessen werden die Märkte immer größer, und Mercosur …
…, das EU-Handelsabkommen mit Südamerika, …
… wird nach der Wahl sicher wieder Thema. Es kann nicht sein, dass man einerseits die Bürger mit Umweltauflagen drangsaliert und andererseits per Flugzeug südamerikanisches Fleisch holt.
Sie lassen an der EU wirklich kein gutes Haar.
Ich halte die europäischen Grundgedanken für sehr gut: Frieden, Freiheit, Wohlstand für möglichst alle. Wenn wir es schaffen, in diesen Kernaufgaben zu reüssieren, dann glaube ich, dass die zuletzt kolportierte Zahl von 30 Prozent der Österreicher, die die EU verlassen wollen, wieder sinkt. Wir sind mittlerweile auf dem höchsten Niveau der EU-Ablehnung angelangt.
Was nicht zuletzt mit Ihrer Partei zu tun hat, die diese Stimmung nach Kräften schürt.
Wie heißt es auf Englisch so schön? Don‘t shoot the messenger. Ich bin bloß der Überbringer der schlechten Nachricht. Die Ablehnung kommt davon, dass in Brüssel geheuchelt wird, was das Zeug hält. Ein Beispiel: Dass Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin präsentiert wird, ist eine glatte Lüge.
Warum?
Weil sie bei der Wahl zum Europaparlament nicht für ein Mandat kandidiert. Sie steht auch auf keiner transnationalen Wahlliste.
Aber die FPÖ ist doch immer gegen derartige Listen gewesen. Warum regen Sie sich auf, wenn der Chef der EU-Kommission beim EU-Gipfel bestimmt wird? Das ist doch ganz in Ihrem Sinne.
Es kann nicht sein, dass die Europäische Volkspartei mit Frau von der Leyen eine Spitzenkandidatin hat, die nirgendwo kandidiert. Das ist doch Wahlbetrug.
Also hätten Sie nichts gegen von der Leyen, wenn sie EU-weit auf einer Liste kandidieren würde?
Es ist nicht das, was ich will, aber es wäre demokratiepolitisch sauber.
Aber wie hätten Sie es denn gern? Sie sind gegen Wahllisten, aber dass die EU-Staaten die Spitzenposten untereinander aufteilen, wollen Sie auch nicht.
Sie wollen das Vilimsky-Wunschkonzert hören? Ich wünsche mir eine Halbierung der Kommission und des EU-Parlaments. Das USRepräsentantenhaus kommt mit 435 Mandataren aus, im nächsten Europaparlament werden 720 Abgeordnete sitzen.
Die USA als Vorbild? Aber Sie sind doch gegen die Vereinigten Staaten von Europa.
Schon, aber die Zahl der Bürger ist vergleichbar. Im Vergleich zu den
USA ist die EU ein überdimensionierter, heillos zerstrittener Flohzirkus. Ich will eine EU, die weniger tut, das dafür aber besser.
Die ÖVP wünscht sich das auch.
Die ÖVP ist mit den Grünen politisch im Bett, ich habe noch nie so viel Scheinheiligkeit gesehen. Eine der wenigen Ausnahmen ist Othmar Karas – er will zwar etwas völlig anderes als ich, ist aber ehrlich. Alle anderen ÖVPler versuchen panisch, uns zu kopieren.
Sie könnten das doch auch als Kompliment sehen, wenn andere auf Ihre Linie einschwenken.
Die ÖVP bewegt sich nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor den Wählern. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach der Wahl dort weitermacht, wo sie vor der Wahl aufgehört hat, ist sehr groß.
Zurück ins EU-Parlament: In Ihrer Fraktion gibt es Verstimmungen zwischen der Alternative für Deutschland und Marine Le Pen wegen der „Remigration“nicht gebürtiger Staatsbürger, die Le Pen im Gegensatz zur AfD ablehnt. Ist der Streit beigelegt?
Ich bin sowohl mit Marine Le Pen als auch mit AfD-Chefin Alice Weidel in Kontakt und möchte mit beiden noch vor der Wahl über die Sache reden. In Deutschland und Frankreich werden unter „Remigration“unterschiedliche Dinge verstanden. Unsere französischen Freunde haben sicher kein Interesse daran, dass Personen, die sich die Staatsbürgerschaft erschlichen haben, im Land gehalten werden.
Und wie stehen Sie zur „Remigration“?
Ich möchte eine Diskussion über die Staatsbürgerschaft auf Probe führen. Bei Neo-Österreichern, die den österreichischen Staat ablehnen und abendländische Werte ignorieren, sollte der Staat die Möglichkeit haben, die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Fehlentscheidung anzuerkennen.
Wie lang sollte diese Probezeit dauern?
Drei Jahre.
Unter Österreichern mit Migrationshintergrund werden Sie sich damit keine Freunde machen.
All die Menschen, die aus dem ehemaligen Jugoslawien und anderen Teilen Europas zugewandert sind und sich gut integriert haben, sind selbstverständlich nicht gemeint.
Und was ist mit jenen, die auf die Staatsbürgerschaft hoffen?
Menschen, die keinen Aufenthaltstitel haben, müssen intensiv und nachhaltig gebeten werden, in ihre Heimatländer zurückzukehren. Personen, die zwar einen Aufenthaltstitel haben, aber am Arbeitsmarkt nicht gebraucht werden, sollte man ebenfalls intensiv zur Rückkehr bewegen.
Was meinen Sie mit „intensiv“?
Gegebenenfalls unter Durchsetzung rechtsstaatlicher Methoden.
Sie machen keinen Hehl aus Ihrer Sympathie für Donald Trump. Haben Sie keine Angst vor seiner Rückkehr ins Weiße Haus?
Ich habe Angst vor Joe Biden. Er ist offensichtlich nicht mehr Herr seiner Sinne.
Aber Trump will die EU Russland zum Fraß vorwerfen, wenn die Europäer nicht zahlen.
Trump ist für Frieden und gegen Globalisierung. Dieses Rezept gefällt mir. Während seiner Amtszeit hat Trump keine Kriege begonnen und die USA als Weltpolizisten zurückgepfiffen. Was kann es Besseres geben?