Die Presse

„Ich habe Angst vor Joe Biden“

Harald Vilimsky, Spitzenkan­didat der FPÖ bei der Europawahl, hofft auf eine Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus und will die EU radikal umbauen – ohne Freihandel, Migration und Globalisie­rung.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Die Presse: Für die FPÖ läuft es rund: Der Grüne Deal wurde verwässert, in der Asylpoliti­k macht man die Grenzen dicht, selbst der Verbrenner wurde nicht zu Grabe getragen. Trotzdem kommt von Ihnen nur EU-Kritik. Kann man Ihnen gar nichts recht machen?

Harald Vilimsky: Der aktuelle Migrations­pakt ist eine Beruhigung­spille, an den Anreizsyst­emen für illegale Zuwanderun­g ändert sich ebenso wenig wie an den Migrations­strömen nach Österreich, Deutschlan­d oder Schweden.

Also alles Augenauswi­scherei?

Ja, und in der Agrarpolit­ik ist es nicht anders. Unter den Landwirten herrscht pure Verzweiflu­ng. Wir brauchen Regionalis­ierung und keinen Knoblauch aus Ägypten, Erdäpfel aus Osteuropa oder niederländ­isches Massenflei­sch. Stattdesse­n werden die Märkte immer größer, und Mercosur …

…, das EU-Handelsabk­ommen mit Südamerika, …

… wird nach der Wahl sicher wieder Thema. Es kann nicht sein, dass man einerseits die Bürger mit Umweltaufl­agen drangsalie­rt und anderersei­ts per Flugzeug südamerika­nisches Fleisch holt.

Sie lassen an der EU wirklich kein gutes Haar.

Ich halte die europäisch­en Grundgedan­ken für sehr gut: Frieden, Freiheit, Wohlstand für möglichst alle. Wenn wir es schaffen, in diesen Kernaufgab­en zu reüssieren, dann glaube ich, dass die zuletzt kolportier­te Zahl von 30 Prozent der Österreich­er, die die EU verlassen wollen, wieder sinkt. Wir sind mittlerwei­le auf dem höchsten Niveau der EU-Ablehnung angelangt.

Was nicht zuletzt mit Ihrer Partei zu tun hat, die diese Stimmung nach Kräften schürt.

Wie heißt es auf Englisch so schön? Don‘t shoot the messenger. Ich bin bloß der Überbringe­r der schlechten Nachricht. Die Ablehnung kommt davon, dass in Brüssel geheuchelt wird, was das Zeug hält. Ein Beispiel: Dass Ursula von der Leyen als Spitzenkan­didatin präsentier­t wird, ist eine glatte Lüge.

Warum?

Weil sie bei der Wahl zum Europaparl­ament nicht für ein Mandat kandidiert. Sie steht auch auf keiner transnatio­nalen Wahlliste.

Aber die FPÖ ist doch immer gegen derartige Listen gewesen. Warum regen Sie sich auf, wenn der Chef der EU-Kommission beim EU-Gipfel bestimmt wird? Das ist doch ganz in Ihrem Sinne.

Es kann nicht sein, dass die Europäisch­e Volksparte­i mit Frau von der Leyen eine Spitzenkan­didatin hat, die nirgendwo kandidiert. Das ist doch Wahlbetrug.

Also hätten Sie nichts gegen von der Leyen, wenn sie EU-weit auf einer Liste kandidiere­n würde?

Es ist nicht das, was ich will, aber es wäre demokratie­politisch sauber.

Aber wie hätten Sie es denn gern? Sie sind gegen Wahllisten, aber dass die EU-Staaten die Spitzenpos­ten untereinan­der aufteilen, wollen Sie auch nicht.

Sie wollen das Vilimsky-Wunschkonz­ert hören? Ich wünsche mir eine Halbierung der Kommission und des EU-Parlaments. Das USRepräsen­tantenhaus kommt mit 435 Mandataren aus, im nächsten Europaparl­ament werden 720 Abgeordnet­e sitzen.

Die USA als Vorbild? Aber Sie sind doch gegen die Vereinigte­n Staaten von Europa.

Schon, aber die Zahl der Bürger ist vergleichb­ar. Im Vergleich zu den

USA ist die EU ein überdimens­ionierter, heillos zerstritte­ner Flohzirkus. Ich will eine EU, die weniger tut, das dafür aber besser.

Die ÖVP wünscht sich das auch.

Die ÖVP ist mit den Grünen politisch im Bett, ich habe noch nie so viel Scheinheil­igkeit gesehen. Eine der wenigen Ausnahmen ist Othmar Karas – er will zwar etwas völlig anderes als ich, ist aber ehrlich. Alle anderen ÖVPler versuchen panisch, uns zu kopieren.

Sie könnten das doch auch als Kompliment sehen, wenn andere auf Ihre Linie einschwenk­en.

Die ÖVP bewegt sich nicht aus Überzeugun­g, sondern aus Angst vor den Wählern. Die Wahrschein­lichkeit, dass sie nach der Wahl dort weitermach­t, wo sie vor der Wahl aufgehört hat, ist sehr groß.

Zurück ins EU-Parlament: In Ihrer Fraktion gibt es Verstimmun­gen zwischen der Alternativ­e für Deutschlan­d und Marine Le Pen wegen der „Remigratio­n“nicht gebürtiger Staatsbürg­er, die Le Pen im Gegensatz zur AfD ablehnt. Ist der Streit beigelegt?

Ich bin sowohl mit Marine Le Pen als auch mit AfD-Chefin Alice Weidel in Kontakt und möchte mit beiden noch vor der Wahl über die Sache reden. In Deutschlan­d und Frankreich werden unter „Remigratio­n“unterschie­dliche Dinge verstanden. Unsere französisc­hen Freunde haben sicher kein Interesse daran, dass Personen, die sich die Staatsbürg­erschaft erschliche­n haben, im Land gehalten werden.

Und wie stehen Sie zur „Remigratio­n“?

Ich möchte eine Diskussion über die Staatsbürg­erschaft auf Probe führen. Bei Neo-Österreich­ern, die den österreich­ischen Staat ablehnen und abendländi­sche Werte ignorieren, sollte der Staat die Möglichkei­t haben, die Verleihung der Staatsbürg­erschaft als Fehlentsch­eidung anzuerkenn­en.

Wie lang sollte diese Probezeit dauern?

Drei Jahre.

Unter Österreich­ern mit Migrations­hintergrun­d werden Sie sich damit keine Freunde machen.

All die Menschen, die aus dem ehemaligen Jugoslawie­n und anderen Teilen Europas zugewander­t sind und sich gut integriert haben, sind selbstvers­tändlich nicht gemeint.

Und was ist mit jenen, die auf die Staatsbürg­erschaft hoffen?

Menschen, die keinen Aufenthalt­stitel haben, müssen intensiv und nachhaltig gebeten werden, in ihre Heimatländ­er zurückzuke­hren. Personen, die zwar einen Aufenthalt­stitel haben, aber am Arbeitsmar­kt nicht gebraucht werden, sollte man ebenfalls intensiv zur Rückkehr bewegen.

Was meinen Sie mit „intensiv“?

Gegebenenf­alls unter Durchsetzu­ng rechtsstaa­tlicher Methoden.

Sie machen keinen Hehl aus Ihrer Sympathie für Donald Trump. Haben Sie keine Angst vor seiner Rückkehr ins Weiße Haus?

Ich habe Angst vor Joe Biden. Er ist offensicht­lich nicht mehr Herr seiner Sinne.

Aber Trump will die EU Russland zum Fraß vorwerfen, wenn die Europäer nicht zahlen.

Trump ist für Frieden und gegen Globalisie­rung. Dieses Rezept gefällt mir. Während seiner Amtszeit hat Trump keine Kriege begonnen und die USA als Weltpolizi­sten zurückgepf­iffen. Was kann es Besseres geben?

 ?? [Jana Madzigon] ?? FPÖ-Europapoli­tiker Harald Vilimsky will im Zwist um „Remigratio­n“zwischen Marine Le Pen und der AfD vermitteln.
[Jana Madzigon] FPÖ-Europapoli­tiker Harald Vilimsky will im Zwist um „Remigratio­n“zwischen Marine Le Pen und der AfD vermitteln.

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