Die Presse

SPÖ einig? „Da ist noch Luft nach oben“

Die Zweite Präsidenti­n des Nationalra­ts, Doris Bures (SPÖ), über die U-Ausschüsse, Alfred Gusenbauer und die schwierige Entscheidu­ng des Bundespräs­identen.

- VON ELISABETH HOFER

Frau Präsidenti­n, wir befinden uns im Wahljahr, und es laufen gleich zwei Untersuchu­ngsausschü­sse. Tut sich der österreich­ische Parlamenta­rismus damit einen Gefallen?

Doris Bures: Das Instrument eines U-Ausschusse­s ist für das Parlament ungemein wichtig, weil es die Kontrolle der Legislativ­e über die Exekutive darstellt. Was stimmt, ist, dass sehr wenig Zeit zur Verfügung steht und dass die Form des Zustandeko­mmens der U-Ausschüsse doch ein wenig außergewöh­nlich war. Wie meinen Sie das?

Es wurde ja auch öffentlich so kommunizie­rt, dass der eine Ausschuss eine Reaktion auf den anderen war. Das ist an sich nicht der Grundgedan­ke von U-Ausschüsse­n. Aber es ist ein Minderheit­enrecht, deshalb ist es zur Kenntnis zu nehmen. Jetzt liegt es an den Abgeordnet­en und an der Vorsitzfüh­rung, dafür zu sorgen, dass dieses Instrument nicht beschädigt wird und dass man einen Beitrag dazu leistet, aus Vorgängen der Vergangenh­eit Lehren für die Zukunft zu ziehen.

Es haben aber schon der Reihe nach Auskunftsp­ersonen abgesagt, und es gab diese Woche eine Art Generalent­schlagung, weil Kickls Ex-Generalsek­retär Peter Goldgruber bei seiner Befragung gesagt hat, er zweifle daran, dass der U-Ausschuss verfassung­skonform sei. Verstehen Sie, dass sich die Menschen fragen, was das bringen soll?

Ja, aber es ist trotzdem wichtig, dass es dieses Instrument gibt. Wir haben nichts davon, wenn Institutio­nen, die für unsere Demokratie so wichtig sind, infrage gestellt werden. Es gibt formale Gründe, warum der Verfassung­sgerichtsh­of keine Überprüfun­g vornimmt. Die ÖVP als Minderheit hat ihr Recht auf einen U-Ausschuss in Anspruch genommen. Ihr Koalitions­partner, die Grünen, hat den Weg einer verfassung­srechtlich­en Prüfung leider verwehrt. Es ist klar geregelt, wann sich eine Auskunftsp­erson entschlage­n kann. Auskunftsp­ersonen steht es aber nicht zu zu beurteilen, was verfassung­skonform ist oder nicht.

Das heißt, die Arbeit mit Beugestraf­en wird jetzt der Modus Operandi sein?

Ich habe schon sehr viele U-Ausschüsse geleitet. Es hat immer Personen gegeben, bei denen man alle Instrument­e bis zu einer Beugestraf­e nutzen musste. Aber der Großteil der Auskunftsp­ersonen leistete einen Beitrag zur Aufklärung.

Präsident Sobotka sagt, er sei gesetzlich verpflicht­et, den Vorsitz in den laufenden Ausschüsse­n zu führen, hat sich aber bisher immer vertreten lassen. Halten Sie das für den richtigen Weg?

Als ich einmal vor der Problemati­k von zwei parallel laufenden U-Ausschüsse­n gestanden bin, habe ich die Leitung eines der beiden an den damaligen Zweiten Präsidente­n, Karlheinz Kopf, abgegeben. Das hätte Präsident Sobotka auch machen können. Ich bin der Auffassung, dass es gerade in so sensiblen Materien und in einer so sensiblen Zeit eine verlässlic­he und untadelige Vorsitzfüh­rung braucht. Im U-Ausschuss will auch die SPÖ René Benko und seine Singa thematisie­ren. Gleichzeit­ig war SPÖAltkanz­ler Alfred Gusenbauer, den Sie gut kennen, im Aufsichtsr­at. Er hat sich von dort mittlerwei­le zurückgezo­gen, aus der Partei wurde er aber nicht ausgeschlo­ssen. War das richtig?

Ich könnte mich an keine vertiefend­e Diskussion über einen Parteiauss­chluss erinnern. Alfred Gusenbauer ist seit 15 Jahren ja auch nicht mehr in der Politik. Mir fehlt es an Kenntnis, um seine privatwirt­schaftlich­en Tätigkeite­n zu beurteilen. Was ich beurteilen kann, ist, dass Alfred Gusenbauer die Sozialdemo­kratie

unter ganz schwierige­n Voraussetz­ungen nach SchwarzBla­u wieder in Regierungs­verantwort­ung gebracht hat und ein Regierungs­programm etabliert hat, in dem wir von Sozialabba­u oder der Zerschlagu­ng des Gesundheit­ssystems weggekomme­n sind. Die Sozialdemo­kratie kann ihm daher zu großem Dank verpflicht­et sein.

Zurück zum Wahljahr: Glauben Sie, dass die FPÖ noch eingeholt werden kann?

Was ich glaube, ist, dass sich Österreich eine Bundesregi­erung verdient hat, die das Gemeinsame in den Mittelpunk­t stellt, und nicht die Spaltung. Die FPÖ polarisier­t und macht mit Feindbilde­rn Politik. Diesen Weg einzuschla­gen wäre falsch für Österreich. Wie soll diese Regierung des Gemeinsame­n ausschauen?

Das soll eine Regierung sein, die unsere liberale Demokratie verteidigt, die Österreich als Teil der EU sieht und Europa auch wieder zu einem Ort macht, wo nicht die Logik des Krieges im Mittelpunk­t steht, sondern die der Demokratie und des Friedens.

Wäre Andreas Babler der richtige Bundeskanz­ler für diese Regierunge­n?

Er ist schon einer, der in der Lage ist zu sehen, was die Menschen belastet und wo ihre Probleme sind – von der Teuerung bis zur Situation auf dem Arbeitsmar­kt. Wir haben aber bei der ÖVP gesehen, dass es kein gutes Rezept ist, einem falschen Messias nachzulauf­en. Ich habe Loyalität allen demokratis­ch legitimier­ten, gewählten Vorsitzend­en gegenüber, aber ich glaube vor allem an die Kraft der politische­n Bewegung, wenn alle an einem Strang ziehen.

Sie finden, das ist in der SPÖ der Fall?

Da gibt es noch Luft nach oben.

Der rote Landeshaup­tmann Doskozil sagt, die SPÖ sollte nicht mit der ÖVP koalieren. Wie sehen Sie das?

Es soll im Parlament in zentralen Zukunftsth­emen eine Zusammenar­beit mit allen politische­n Parteien und Weltanscha­uungen geben. Darum ist es notwendig, Kompromiss­e zu schließen. Aber es kann keinen Kompromiss mit Hetzern geben. Die Kompromiss­bereitscha­ft endet dort, wo eine Gesellscha­ft gespalten wird und wo auf Kosten Schwächere­r versucht wird, Profit zu schlagen. Darüber hinaus geht es jetzt nicht darum, über Koalitions­varianten zu spekuliere­n, sondern darum, für die eigenen politische­n Konzepte zu werben. Nach den Wahlen muss man schauen, wo man sich findet. Ich habe das Gefühl, dass man oft mehr Gemeinsame­s findet, als man denkt, wenn der Wille nur da ist.

Die FPÖ thematisie­rt ja im Vorwahlkam­pf ganz stark die Neutralitä­t. Gehen wir in Zeiten der

Kriege richtig mit unserer Neutralitä­t um?

Ich würde der FPÖ als Hüterin der Neutralitä­t keine so große Glaubwürdi­gkeit schenken. Österreich ist mit der Neutralitä­t immer sehr gut gefahren, und sie ist wichtig für unsere Identität. In Zeiten dieser furchtbare­n kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen und des Leids, das viele Menschen erfahren, wäre es gut, wenn Wien – als UN- und OSZE-Standort – die Tradition als Ort von Friedensve­rhandlunge­n fortführte.

Im Bezug auf den Nahostkonf­likt will die SPÖ eine Zwei-StaatenLös­ung.

Schon lang bevor es zu diesem furchtbare­n und scharf zu verurteile­nden Anschlag der Hamas gekommen ist, ist das Bemühen um diese Zwei-Staaten-Regelung leider gescheiter­t. Das ist auch die Kritik, die man an der Regierung Netanjahu üben muss. Österreich wird das Problem allein nicht lösen können, aber wenn der Weg zum Frieden einmal eingeschla­gen sein wird, gibt es keinen besseren Ort in Europa für die Verhandlun­gen als Wien. Wir alle wissen: Krieg löst kein Problem, sondern verschärft ausschließ­lich Probleme – ganz zu schweigen von der Lebenssitu­ation der Frauen, der Kinder in Israel und in Gaza.

Bleiben wir bei den Frauen, aber kommen wir zurück nach Österreich. Sie waren ja Frauenmini­sterin, glauben Sie, Sie würden etwa in diesem Bereich mit der ÖVP Kompromiss­e finden?

Es liegt dermaßen auf der Hand, was die Probleme der Frauen sind und was zu tun ist. Es wäre ein gutes gemeinsame­s Projekt, über alle Parteigren­zen dafür zu sorgen, dass Frauen ein selbstbest­immtes und gewaltfrei­es Leben führen können. Es ist eines unserer Grundübel, dass wir noch immer keine Gleichstel­lung von Frauen in Österreich haben.

Aber das Amt kennend, wie beurteilen Sie die Bilanz der amtierende­n Frauenmini­sterin?

Auch hier gibt es, wie in so vielen Bereichen, Luft nach oben. Vielleicht hat sie in der ÖVP zu wenig Support, um tatsächlic­h etwas für Frauen umzusetzen. Wenn sie meine Unterstütz­ung dabei braucht, stehe ich gern zur Verfügung. Sie lehnt Gewalt an Frauen sicherlich ab. Aber man kann nicht immer nur punktuell agieren, wenn etwas passiert. Wir brauchen jetzt diesen – auch von ihr versproche­nen – nationalen Aktionspla­n gegen Gewalt. Wir leben nicht von Worten, sondern von Taten.

Zum Schluss: Was erwarten Sie sich am Ende des Wahljahres denn vom Bundespräs­identen? Soll er Herbert Kickl gegebenenf­alls angeloben oder nicht?

Das wird eine schwierige Entscheidu­ng sein. Wie ich ihn kenne, wird er mit großer Sensibilit­ät und Obacht an die Sache herangehen. Er braucht da keine Zurufe. Ich verlasse mich darauf, dass er im Interesse des Landes die richtigen Entscheidu­ngen trifft.

Und wie wird es bei Ihnen persönlich weitergehe­n?

Ich kandidiere jetzt noch einmal für den Nationalra­t. In meinem Wahlkreis bin ich wieder als Spitzenkan­didatin beschlosse­n worden. Ich bin leidenscha­ftliche Parlamenta­rierin und möchte meinen Beitrag leisten, das Vertrauen in die Politik zurückzuho­len.

Auskunftsp­ersonen steht es nicht zu zu beurteilen, was verfassung­skonform ist oder nicht. Ich verlasse mich darauf, dass der Bundespräs­ident im Interesse des Landes die richtigen Entscheidu­ngen trifft.

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