SPÖ einig? „Da ist noch Luft nach oben“
Die Zweite Präsidentin des Nationalrats, Doris Bures (SPÖ), über die U-Ausschüsse, Alfred Gusenbauer und die schwierige Entscheidung des Bundespräsidenten.
Frau Präsidentin, wir befinden uns im Wahljahr, und es laufen gleich zwei Untersuchungsausschüsse. Tut sich der österreichische Parlamentarismus damit einen Gefallen?
Doris Bures: Das Instrument eines U-Ausschusses ist für das Parlament ungemein wichtig, weil es die Kontrolle der Legislative über die Exekutive darstellt. Was stimmt, ist, dass sehr wenig Zeit zur Verfügung steht und dass die Form des Zustandekommens der U-Ausschüsse doch ein wenig außergewöhnlich war. Wie meinen Sie das?
Es wurde ja auch öffentlich so kommuniziert, dass der eine Ausschuss eine Reaktion auf den anderen war. Das ist an sich nicht der Grundgedanke von U-Ausschüssen. Aber es ist ein Minderheitenrecht, deshalb ist es zur Kenntnis zu nehmen. Jetzt liegt es an den Abgeordneten und an der Vorsitzführung, dafür zu sorgen, dass dieses Instrument nicht beschädigt wird und dass man einen Beitrag dazu leistet, aus Vorgängen der Vergangenheit Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Es haben aber schon der Reihe nach Auskunftspersonen abgesagt, und es gab diese Woche eine Art Generalentschlagung, weil Kickls Ex-Generalsekretär Peter Goldgruber bei seiner Befragung gesagt hat, er zweifle daran, dass der U-Ausschuss verfassungskonform sei. Verstehen Sie, dass sich die Menschen fragen, was das bringen soll?
Ja, aber es ist trotzdem wichtig, dass es dieses Instrument gibt. Wir haben nichts davon, wenn Institutionen, die für unsere Demokratie so wichtig sind, infrage gestellt werden. Es gibt formale Gründe, warum der Verfassungsgerichtshof keine Überprüfung vornimmt. Die ÖVP als Minderheit hat ihr Recht auf einen U-Ausschuss in Anspruch genommen. Ihr Koalitionspartner, die Grünen, hat den Weg einer verfassungsrechtlichen Prüfung leider verwehrt. Es ist klar geregelt, wann sich eine Auskunftsperson entschlagen kann. Auskunftspersonen steht es aber nicht zu zu beurteilen, was verfassungskonform ist oder nicht.
Das heißt, die Arbeit mit Beugestrafen wird jetzt der Modus Operandi sein?
Ich habe schon sehr viele U-Ausschüsse geleitet. Es hat immer Personen gegeben, bei denen man alle Instrumente bis zu einer Beugestrafe nutzen musste. Aber der Großteil der Auskunftspersonen leistete einen Beitrag zur Aufklärung.
Präsident Sobotka sagt, er sei gesetzlich verpflichtet, den Vorsitz in den laufenden Ausschüssen zu führen, hat sich aber bisher immer vertreten lassen. Halten Sie das für den richtigen Weg?
Als ich einmal vor der Problematik von zwei parallel laufenden U-Ausschüssen gestanden bin, habe ich die Leitung eines der beiden an den damaligen Zweiten Präsidenten, Karlheinz Kopf, abgegeben. Das hätte Präsident Sobotka auch machen können. Ich bin der Auffassung, dass es gerade in so sensiblen Materien und in einer so sensiblen Zeit eine verlässliche und untadelige Vorsitzführung braucht. Im U-Ausschuss will auch die SPÖ René Benko und seine Singa thematisieren. Gleichzeitig war SPÖAltkanzler Alfred Gusenbauer, den Sie gut kennen, im Aufsichtsrat. Er hat sich von dort mittlerweile zurückgezogen, aus der Partei wurde er aber nicht ausgeschlossen. War das richtig?
Ich könnte mich an keine vertiefende Diskussion über einen Parteiausschluss erinnern. Alfred Gusenbauer ist seit 15 Jahren ja auch nicht mehr in der Politik. Mir fehlt es an Kenntnis, um seine privatwirtschaftlichen Tätigkeiten zu beurteilen. Was ich beurteilen kann, ist, dass Alfred Gusenbauer die Sozialdemokratie
unter ganz schwierigen Voraussetzungen nach SchwarzBlau wieder in Regierungsverantwortung gebracht hat und ein Regierungsprogramm etabliert hat, in dem wir von Sozialabbau oder der Zerschlagung des Gesundheitssystems weggekommen sind. Die Sozialdemokratie kann ihm daher zu großem Dank verpflichtet sein.
Zurück zum Wahljahr: Glauben Sie, dass die FPÖ noch eingeholt werden kann?
Was ich glaube, ist, dass sich Österreich eine Bundesregierung verdient hat, die das Gemeinsame in den Mittelpunkt stellt, und nicht die Spaltung. Die FPÖ polarisiert und macht mit Feindbildern Politik. Diesen Weg einzuschlagen wäre falsch für Österreich. Wie soll diese Regierung des Gemeinsamen ausschauen?
Das soll eine Regierung sein, die unsere liberale Demokratie verteidigt, die Österreich als Teil der EU sieht und Europa auch wieder zu einem Ort macht, wo nicht die Logik des Krieges im Mittelpunkt steht, sondern die der Demokratie und des Friedens.
Wäre Andreas Babler der richtige Bundeskanzler für diese Regierungen?
Er ist schon einer, der in der Lage ist zu sehen, was die Menschen belastet und wo ihre Probleme sind – von der Teuerung bis zur Situation auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben aber bei der ÖVP gesehen, dass es kein gutes Rezept ist, einem falschen Messias nachzulaufen. Ich habe Loyalität allen demokratisch legitimierten, gewählten Vorsitzenden gegenüber, aber ich glaube vor allem an die Kraft der politischen Bewegung, wenn alle an einem Strang ziehen.
Sie finden, das ist in der SPÖ der Fall?
Da gibt es noch Luft nach oben.
Der rote Landeshauptmann Doskozil sagt, die SPÖ sollte nicht mit der ÖVP koalieren. Wie sehen Sie das?
Es soll im Parlament in zentralen Zukunftsthemen eine Zusammenarbeit mit allen politischen Parteien und Weltanschauungen geben. Darum ist es notwendig, Kompromisse zu schließen. Aber es kann keinen Kompromiss mit Hetzern geben. Die Kompromissbereitschaft endet dort, wo eine Gesellschaft gespalten wird und wo auf Kosten Schwächerer versucht wird, Profit zu schlagen. Darüber hinaus geht es jetzt nicht darum, über Koalitionsvarianten zu spekulieren, sondern darum, für die eigenen politischen Konzepte zu werben. Nach den Wahlen muss man schauen, wo man sich findet. Ich habe das Gefühl, dass man oft mehr Gemeinsames findet, als man denkt, wenn der Wille nur da ist.
Die FPÖ thematisiert ja im Vorwahlkampf ganz stark die Neutralität. Gehen wir in Zeiten der
Kriege richtig mit unserer Neutralität um?
Ich würde der FPÖ als Hüterin der Neutralität keine so große Glaubwürdigkeit schenken. Österreich ist mit der Neutralität immer sehr gut gefahren, und sie ist wichtig für unsere Identität. In Zeiten dieser furchtbaren kriegerischen Auseinandersetzungen und des Leids, das viele Menschen erfahren, wäre es gut, wenn Wien – als UN- und OSZE-Standort – die Tradition als Ort von Friedensverhandlungen fortführte.
Im Bezug auf den Nahostkonflikt will die SPÖ eine Zwei-StaatenLösung.
Schon lang bevor es zu diesem furchtbaren und scharf zu verurteilenden Anschlag der Hamas gekommen ist, ist das Bemühen um diese Zwei-Staaten-Regelung leider gescheitert. Das ist auch die Kritik, die man an der Regierung Netanjahu üben muss. Österreich wird das Problem allein nicht lösen können, aber wenn der Weg zum Frieden einmal eingeschlagen sein wird, gibt es keinen besseren Ort in Europa für die Verhandlungen als Wien. Wir alle wissen: Krieg löst kein Problem, sondern verschärft ausschließlich Probleme – ganz zu schweigen von der Lebenssituation der Frauen, der Kinder in Israel und in Gaza.
Bleiben wir bei den Frauen, aber kommen wir zurück nach Österreich. Sie waren ja Frauenministerin, glauben Sie, Sie würden etwa in diesem Bereich mit der ÖVP Kompromisse finden?
Es liegt dermaßen auf der Hand, was die Probleme der Frauen sind und was zu tun ist. Es wäre ein gutes gemeinsames Projekt, über alle Parteigrenzen dafür zu sorgen, dass Frauen ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben führen können. Es ist eines unserer Grundübel, dass wir noch immer keine Gleichstellung von Frauen in Österreich haben.
Aber das Amt kennend, wie beurteilen Sie die Bilanz der amtierenden Frauenministerin?
Auch hier gibt es, wie in so vielen Bereichen, Luft nach oben. Vielleicht hat sie in der ÖVP zu wenig Support, um tatsächlich etwas für Frauen umzusetzen. Wenn sie meine Unterstützung dabei braucht, stehe ich gern zur Verfügung. Sie lehnt Gewalt an Frauen sicherlich ab. Aber man kann nicht immer nur punktuell agieren, wenn etwas passiert. Wir brauchen jetzt diesen – auch von ihr versprochenen – nationalen Aktionsplan gegen Gewalt. Wir leben nicht von Worten, sondern von Taten.
Zum Schluss: Was erwarten Sie sich am Ende des Wahljahres denn vom Bundespräsidenten? Soll er Herbert Kickl gegebenenfalls angeloben oder nicht?
Das wird eine schwierige Entscheidung sein. Wie ich ihn kenne, wird er mit großer Sensibilität und Obacht an die Sache herangehen. Er braucht da keine Zurufe. Ich verlasse mich darauf, dass er im Interesse des Landes die richtigen Entscheidungen trifft.
Und wie wird es bei Ihnen persönlich weitergehen?
Ich kandidiere jetzt noch einmal für den Nationalrat. In meinem Wahlkreis bin ich wieder als Spitzenkandidatin beschlossen worden. Ich bin leidenschaftliche Parlamentarierin und möchte meinen Beitrag leisten, das Vertrauen in die Politik zurückzuholen.
Auskunftspersonen steht es nicht zu zu beurteilen, was verfassungskonform ist oder nicht. Ich verlasse mich darauf, dass der Bundespräsident im Interesse des Landes die richtigen Entscheidungen trifft.