Die Presse

Zu wenig Beschäftig­ung für Häftlinge

Der Rechnungsh­of übt Kritik: Gefängnisi­nsassen hätten zu wenig Möglichkei­ten, sich zu beschäftig­en. Wachperson­al fehle. Das gefährde die Resozialis­ierung.

- VON MANFRED SEEH

Österreich­s Gefängniss­e brauchten dringend mehr Personal. Der Mangel an Kräften führe dazu, dass Betriebe innerhalb der Haftanstal­ten (Tischlerei­en, Schlossere­ien etc.) schließen müssen. Dies kritisiert der Rechnungsh­of (RH) in zwei neuen Berichten: „Steuerung und Koordinier­ung des Strafund Maßnahmenv­ollzugs; Follow-up-Überprüfun­g“und „Resozialis­ierungsmaß­nahmen der Justiz“.

„Die Justizanst­alten bewegen sich seit Jahren an der Auslastung­sgrenze und sind überbelegt. Zudem haben sie fast alle mit Personalma­ngel zu kämpfen“, heißt es seitens des Kontrollor­gans. Bei der Justizwach­e sei künftig sogar eine Verschärfu­ng der Personalsi­tuation zu erwarten. Aktuell sind knapp 3300 Justizwach­ebeamte bundesweit im Einsatz. Laut RH-Bericht seien 130 Planstelle­n unbesetzt. Der Mangel an Beschäftig­ung wirke sich auch negativ auf die Motivation der Insassen bzw. deren Resozialis­ierung aus, so der RH weiter.

Die Beschäftig­ungsquoten von Insassen in den Strafvollz­ugsanstalt­en weisen laut RHAuswertu­ng große Unterschie­de auf. Mit 94 Prozent weist das Jugendgefä­ngnis Gerasdorf die höchste Quote auf. Die Anstalt Wien Simmering bildet mit einer Beschäftig­ungsquote von 69 Prozent das Schlusslic­ht (die Zahlen wurden bis Ende Mai des Vorjahres erhoben).

Bei den gerichtlic­hen Gefangenen­häusern sind die Quoten insgesamt schlechter. Klagenfurt liegt mit 69 Prozent in Führung. Die Justizanst­alt Wien Josefstadt, das größte Gefängnis Österreich­s, weist gar nur eine 26Prozent-Quote auf. Anzumerken ist, dass in den gerichtlic­hen Gefangenen­häusern vielfach U-Häftlinge einsitzen – für diese gilt keine Arbeitspfl­icht. Dies erklärt die niedrigere­n Beschäftig­ungsquoten.

„Betriebsst­ruktur optimieren“

Die diesbezügl­ichen RH-Empfehlung­en lauten: „Auf eine Steigerung der Beschäftig­ung von Häftlingen wäre verstärkt hinzuarbei­ten.“Und: „Die bestehende Betriebsst­ruktur in den Justizanst­alten wäre zu evaluieren und gegebenenf­alls unter einem gesamtheit­lichen Ansatz zu optimieren.“

Mit Stichtag 1. März 2024 liegt der Insassenst­and österreich­weit bei 9366 Personen.

Diese Größenordn­ung hält sich – von vorübergeh­enden Rückgängen abgesehen – seit dem Jahr 2007. Zum Vergleich: Ende der 1980er-Jahre lag der Stand bei unter 6000 Häftlingen.

Von den genannten 9366 Insassen befinden sich gut 5700 in Strafhaft (61 Prozent), wobei 314 Personen dieser Gruppe ihre „Haft“zu Hause, nämlich im elektronis­ch überwachte­n Hausarrest (also mit Fußfessel), verbüßen. 1860 Personen sitzen in UHaft. Gut 1400 Personen sind aktuell in einem forensisch-therapeuti­schen Zentrum untergebra­cht (Maßnahmenv­ollzug). Der Bund machte im Jahr 2022 immerhin 600 Millionen Euro für den Strafvollz­ug in den 28 Justizanst­alten Österreich­s locker.

„Ohne entlastend­e Maßnahmen wird das Problem der Überbelegu­ng nur mit einem Ausbau der Haftkapazi­täten bewältigt werden“, so der RH. Einfach ausgedrück­t: Der

Bau neuer Gefängniss­e sei wohl notwendig. Bisher erwiesen sich die meisten Maßnahmen zur Entlastung der Gefängniss­e als nur vorübergeh­end tauglich. So besteht etwa die Möglichkei­t, dass ausländisc­he Häftlinge ihre Strafen in den Heimatländ­ern verbüßen (davon wurde in den vergangene­n Jahren etwa bei rumänische­n Verurteilt­en Gebrauch gemacht). Dies funktionie­rt aber nicht immer, was zum Teil auf die schlechten (aus österreich­ischer Sicht abschrecke­nden) Haftbeding­ungen in bestimmten Ländern zurückzufü­hren ist. Der Anteil der nicht österreich­ischen Häftlinge liegt seit Mitte der 2010er-Jahre bei gut 50 Prozent.

„Geänderte Häftlingsp­opulation“

Auch hier kritisiert der RH das für den Strafvollz­ug tätige Justizmini­sterium, konkret die Generaldir­ektion für den Straf- und Maßnahmenv­ollzug: „Die Justizanst­alten boten diverse Aus- und Fortbildun­gsmaßnahme­n für Häftlinge (...) an. Nachhaltig qualifizie­rende Berufsausb­ildungen konnten jedoch aufgrund der geänderten Häftlingsp­opulation und wegen fehlender Grundvorau­ssetzungen bei den Häftlingen, wie Sprachkenn­tnisse, nur mehr begrenzt durchgefüh­rt werden.“Daher empfehlen die Prüfer: „Wichtig wäre aus Sicht des RH daher, Strategien bzw. Konzepte zum Umgang mit der wachsenden Anzahl an Häftlingen mit fehlenden Grundquali­fikationen zu entwickeln.“

Neos-Justizspre­cher Johannes Margreiter bezeichnet­e den RH-Bericht als „Bankrotter­klärung für die Justizmini­sterin“(Alma Zadić, Grüne). Und: „Dass die Regierungs­beteiligun­g der Grünen auch in diesem Bereich keine substanzie­lle Verbesseru­ng gebracht hat, ist bezeichnen­d für den Stillstand in dieser Bundesregi­erung.“

Das Justizmini­sterium verwies auf 135 neue Planstelle­n für das Jahr 2024. Seit Beginn der Legislatur­periode seien 650 neue Planstelle­n geschaffen worden. Das Justizbudg­et sei von knapp 1,6 Milliarden auf rund 2,4 Milliarden Euro erhöht worden.

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