Zu wenig Beschäftigung für Häftlinge
Der Rechnungshof übt Kritik: Gefängnisinsassen hätten zu wenig Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Wachpersonal fehle. Das gefährde die Resozialisierung.
Österreichs Gefängnisse brauchten dringend mehr Personal. Der Mangel an Kräften führe dazu, dass Betriebe innerhalb der Haftanstalten (Tischlereien, Schlossereien etc.) schließen müssen. Dies kritisiert der Rechnungshof (RH) in zwei neuen Berichten: „Steuerung und Koordinierung des Strafund Maßnahmenvollzugs; Follow-up-Überprüfung“und „Resozialisierungsmaßnahmen der Justiz“.
„Die Justizanstalten bewegen sich seit Jahren an der Auslastungsgrenze und sind überbelegt. Zudem haben sie fast alle mit Personalmangel zu kämpfen“, heißt es seitens des Kontrollorgans. Bei der Justizwache sei künftig sogar eine Verschärfung der Personalsituation zu erwarten. Aktuell sind knapp 3300 Justizwachebeamte bundesweit im Einsatz. Laut RH-Bericht seien 130 Planstellen unbesetzt. Der Mangel an Beschäftigung wirke sich auch negativ auf die Motivation der Insassen bzw. deren Resozialisierung aus, so der RH weiter.
Die Beschäftigungsquoten von Insassen in den Strafvollzugsanstalten weisen laut RHAuswertung große Unterschiede auf. Mit 94 Prozent weist das Jugendgefängnis Gerasdorf die höchste Quote auf. Die Anstalt Wien Simmering bildet mit einer Beschäftigungsquote von 69 Prozent das Schlusslicht (die Zahlen wurden bis Ende Mai des Vorjahres erhoben).
Bei den gerichtlichen Gefangenenhäusern sind die Quoten insgesamt schlechter. Klagenfurt liegt mit 69 Prozent in Führung. Die Justizanstalt Wien Josefstadt, das größte Gefängnis Österreichs, weist gar nur eine 26Prozent-Quote auf. Anzumerken ist, dass in den gerichtlichen Gefangenenhäusern vielfach U-Häftlinge einsitzen – für diese gilt keine Arbeitspflicht. Dies erklärt die niedrigeren Beschäftigungsquoten.
„Betriebsstruktur optimieren“
Die diesbezüglichen RH-Empfehlungen lauten: „Auf eine Steigerung der Beschäftigung von Häftlingen wäre verstärkt hinzuarbeiten.“Und: „Die bestehende Betriebsstruktur in den Justizanstalten wäre zu evaluieren und gegebenenfalls unter einem gesamtheitlichen Ansatz zu optimieren.“
Mit Stichtag 1. März 2024 liegt der Insassenstand österreichweit bei 9366 Personen.
Diese Größenordnung hält sich – von vorübergehenden Rückgängen abgesehen – seit dem Jahr 2007. Zum Vergleich: Ende der 1980er-Jahre lag der Stand bei unter 6000 Häftlingen.
Von den genannten 9366 Insassen befinden sich gut 5700 in Strafhaft (61 Prozent), wobei 314 Personen dieser Gruppe ihre „Haft“zu Hause, nämlich im elektronisch überwachten Hausarrest (also mit Fußfessel), verbüßen. 1860 Personen sitzen in UHaft. Gut 1400 Personen sind aktuell in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht (Maßnahmenvollzug). Der Bund machte im Jahr 2022 immerhin 600 Millionen Euro für den Strafvollzug in den 28 Justizanstalten Österreichs locker.
„Ohne entlastende Maßnahmen wird das Problem der Überbelegung nur mit einem Ausbau der Haftkapazitäten bewältigt werden“, so der RH. Einfach ausgedrückt: Der
Bau neuer Gefängnisse sei wohl notwendig. Bisher erwiesen sich die meisten Maßnahmen zur Entlastung der Gefängnisse als nur vorübergehend tauglich. So besteht etwa die Möglichkeit, dass ausländische Häftlinge ihre Strafen in den Heimatländern verbüßen (davon wurde in den vergangenen Jahren etwa bei rumänischen Verurteilten Gebrauch gemacht). Dies funktioniert aber nicht immer, was zum Teil auf die schlechten (aus österreichischer Sicht abschreckenden) Haftbedingungen in bestimmten Ländern zurückzuführen ist. Der Anteil der nicht österreichischen Häftlinge liegt seit Mitte der 2010er-Jahre bei gut 50 Prozent.
„Geänderte Häftlingspopulation“
Auch hier kritisiert der RH das für den Strafvollzug tätige Justizministerium, konkret die Generaldirektion für den Straf- und Maßnahmenvollzug: „Die Justizanstalten boten diverse Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Häftlinge (...) an. Nachhaltig qualifizierende Berufsausbildungen konnten jedoch aufgrund der geänderten Häftlingspopulation und wegen fehlender Grundvoraussetzungen bei den Häftlingen, wie Sprachkenntnisse, nur mehr begrenzt durchgeführt werden.“Daher empfehlen die Prüfer: „Wichtig wäre aus Sicht des RH daher, Strategien bzw. Konzepte zum Umgang mit der wachsenden Anzahl an Häftlingen mit fehlenden Grundqualifikationen zu entwickeln.“
Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter bezeichnete den RH-Bericht als „Bankrotterklärung für die Justizministerin“(Alma Zadić, Grüne). Und: „Dass die Regierungsbeteiligung der Grünen auch in diesem Bereich keine substanzielle Verbesserung gebracht hat, ist bezeichnend für den Stillstand in dieser Bundesregierung.“
Das Justizministerium verwies auf 135 neue Planstellen für das Jahr 2024. Seit Beginn der Legislaturperiode seien 650 neue Planstellen geschaffen worden. Das Justizbudget sei von knapp 1,6 Milliarden auf rund 2,4 Milliarden Euro erhöht worden.