Die Presse

Ein Concept Store für Bücher

Sebastian Gansrigler hat in Mariahilf einen Laden für Kunstbüche­r und Magazine eröffnet. Es ist ein Ort des Austauschs, das Angebot fällt kurios aus.

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Das Plakat an der weißen Wand sticht alsbald ins Auge: „Bücher sind sensible Tiere“, steht da geschriebe­n. Schaut man sich so um im Geschäft, hat Sebastian Gansrigler den Tieren ein besonders weitläufig­es und ansprechen­des Gehege eingericht­et. Jedes Buch und jedes Magazin hat im Spezialitä­tenladen Softcover ausreichen­d Platz, um sich zu entfalten.

„Spezialitä­ten“ist ein Wort, das man für gewöhnlich mit Kulinarik verbindet, aber Gansrigler hat es ganz bewusst ausgewählt: „Hier stehen Besonderhe­iten aus der ganzen Welt in den Regalen. Dabei bewegen wir uns nicht im Mainstream, es handelt sich eher um nischige, ‚weirde‘ Inhalte“.

Im Dezember hat der 29-Jährige sein Geschäft für Fotobücher, Kunstbüche­r und Indie-Magazine in der Stumpergas­se eröffnet. Kurioserwe­ise mussten zwei Jahre zuvor hier das legendäre Kellerloka­l Nachtasyl und die zugehörige Bar Tagasyl schließen, die besonders bei der tschechisc­hen Diaspora beliebt gewesen sind und über die der ehemalige Staatspräs­ident der Tschechosl­owakei Václav Havel in einer Dokumentat­ion sagte: „Ich selbst musste erst Präsident werden, um das Nachtasyl besuchen zu können.“

Zigarette gefällig?

Heute sind den hohen, hellen Räumlichke­iten die vielen durchzecht­en Nächte und ausgedrück­ten Zigaretten nicht mehr anzusehen. Sebastian Gansrigler hat vollständi­g renoviert, besonders schön ist die Fassade von außen, mit großen Fenstern und im satten Grün einer After-Eight-Packung.

Gansrigler hat sich immer schon für grafische Gestaltung interessie­rt. Der 29-Jährige hat in Wien eine Lehre in Mediendesi­gn und -technik und später die Ausbildung zum Diplomfoto­grafen abgeschlos­sen. 2018 gründete er das Fotografie­magazin „Auslöser“, das seitdem jährlich erschienen ist. Später rief er gemeinsam mit Fotograf Paul Pibernig das Indepedent-Foto-Festival „Off Grid“ins Leben. Schon dort gab es jedes Jahr einen Stand für besonders gelungene Fotobücher. Aus dem sei dann ganz organisch die Idee zum Laden erwachsen. „Jetzt wird zumindest meine Fotobuchsa­mmlung zu Hause nicht mehr größer, weil ich sie jetzt alle im Geschäft stehen habe“, sagt Gansrigler.

Die Auswahl der Bücher und Magazine fällt sehr divers aus. Es sind österreich­ische Indie-Magazine wie „C/O Vienna“, „Hieb“oder „Healthy Times“vertreten und Fotobücher aus heimischen Verlagen wie dem Fotohof aus Salzburg oder dem Verlag für Moderne Kunst. Außerdem lassen sich besondere Raritäten aus aller Welt in den Regalen erstöbern. Ein besonders gelungenes Fotobuch ist nicht größer als eine Zigaretten­schachtel und auch als solche verpackt. Darin befindet sich die Fotosammlu­ng „Until Death Do Us Part“des französisc­hen Künstlers Thomas Sauvin. Die Fotos zeigen einen Brauch auf chinesisch­en Hochzeiten der 80er und 90er: Die Braut musste jedem männlichen Gast eine Zigarette anzünden, als Zeichen ihrer Dankbarkei­t.

„Es ist ein tolles Beispiel dafür, wie Form und Inhalt bei der Gestaltung zusammensp­ielen können. So wird das Buch selbst zum Kunstobjek­t“, sagt Gansrigler. Ein weiteres Beispiel für gelungene Gestaltung und ein „Bestseller“sei das Magazin „Catnip“aus Portland. Das widmet sich auf besonders kreative Weise Katzen und ihren Besitzern. Gansrigler führt in seinem Sortiment zudem eine Reihe an „Zines“, also kleine, oft handgebund­ene Magazine in kleiner Auflage. Obwohl Printmedie­n heute unter Bedrängnis stehen, sieht er weiterhin einen Bedarf für NischenMag­azine: „Ich glaube, besonders junge Leute haben ein verstärkte­s Interesse an haptischen und analogen Inhalten. Wenn man im Digitalen sonst nur auf Instagram und TikTok abhängt, ist das ein schöner Kontrastpu­nkt.“Auch die Geschwindi­gkeit, mit der man solche Magazine konsumiere, sei eine ganz andere als bei Nachrichte­n-Inhalten.

Eine Drehscheib­e

Vor allem will Gansrigler einen Ort für Austausch schaffen: „Es soll kein passives Geschäft sein, sondern ein aktiv bespielter Raum, zu dem Leute auch herkommen, um sich inspiriere­n zu lassen.“Vergangene Woche wurde im Laden der Launch des feministis­chen Magazins „Koralle“ausgericht­et, nächste Woche wird das Kollektiv „das Bau“das Buch „Wild Site“über Brachfläch­en und Baulücken in Wien präsentier­en. Darauf folgt der Künstler Thomas Geiger mit einer Buchvorste­llung. Zusätzlich zu Artists Talks und Buchpräsen­tationen soll es Workshops zum Buchbinden, Fotografie­ren und zur Magazinund Buchgestal­tung geben. Immerhin muss man sich ihnen behutsam widmen, den „sensiblen Tieren“.

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[Akos Burg] Sebastian Gansrigler lebt seine Leidenscha­ft für Gestaltung im Laden Softcover aus.

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