Kundiger Führer durch Wiens Frühgeschichte
Ferdinand Opll ist nicht nur seit Jahrzehnten ein emsiger Wiener Stadtarchivar, er kann auch auf zahlreiche formidable Veröffentlichungen, Bücher, Dokumentationen und Vorträge verweisen. Wer Wiener Stadtgeschichte in all ihren Ausformungen liebt, kennt Opll. Nun ist sein Opus magnum fertiggestellt und liegt in seiner ganzen prallen Pracht vor uns. Oplls wissenschaftliche Heimstätte war nicht nur das Institut für Österreichische Geschichtsforschung, sondern vor allem das Wiener Stadt- und Landesarchiv, dem er mehr als dreißig Jahre lang äußerst verdienstvoll diente.
Das vorliegende Werk stellt die frühen Wiener Stadtansichten in einen größeren, gesamteuropäischen Zusammenhang. Der älteste Stadtplan, den es aus dem Raum nördlich der Alpen überhaupt gibt, ist just der „Albertinische Plan“von Wien aus dem Jahr 1421/22. Obwohl es keinen ausdrücklichen Beleg dafür gibt, dass der Verfasser aus der Klosterneuburger Schule kam, ist für Opll dennoch offensichtlich, dass der Zeichner mit den modernen Strömungen der mathematisch-geografischen Wissenschaften vertraut gewesen sein muss. Die Entstehung dürfte einfach zu rekonstruieren sein: Da neben Wien auch Pressburg auf demselben Blatt präsentiert wurde, darf eine Huldigung an den habsburgischen Landesfürsten Albrecht V. angenommen werden – aus Anlass der Hochzeit mit Elisabeth von Luxemburg, der Tochter des römischdeutschen Königs Sigismund.
Es ist eine Darstellung, wie sie bereits an frühen Stadtplänen für Rom und Konstantinopel zu fassen sei, schreibt Opll. Dazu gehöre die Einzeichnung markanter Wasserläufe. In Wien sind das gleich drei: der Alserbach, der schon im Hochmittelalter in das alte Bett des Ottakringer Bachs umgeleitet wurde, die Donau mit ihren Verästelungen und der Wienfluss. Dass der Plan an seinem unteren Rand eine Maßstabsleiste aufweist, hatte weniger mit tatsächlichen Größenverhältnissen zu tun, als dass es dem Anspruch des Kartografen geschuldet sein dürfte, das Ganze als besonders wissenschaftlich erscheinen zu lassen.
Erste Judenvertreibung
Das älteste Tafelgemälde mit Bezug auf die Wiener Topografie war Am Hof zu finden, wo sich Albrechts Regierungssitz befand: Es sind zwei Bilder des Doppelflügelaltars der Wiener Karmeliterniederlassung, der als Hochaltar diente und um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden sein muss. Heute birgt sie das Stiftsmuseum Klosterneuburg. Albrecht war eine prägende Gestalt seiner Zeit, immerhin seit 1422 Schwiegersohn König Sigismunds, dem er nachfolgte. Sodann herrschte er 16 Jahre lang. Er baute die erste Universität aus, übrigens mit dem Abbruchmaterial, das durch die Vertreibung der Wiener Judengemeinde samt Zerstörung ihrer Synagoge anfiel.
Schwerer fällt die Suche nach WienDarstellungen auf Wandmalereien. Aus dem 15. Jahrhundert gibt es überhaupt nur zwei Freskenbilder: auf der Westempore von Sankt Stephan und im Chor der Kärntner Pfarrkirche St. Peter und Paul in Sankt Peter bei Grafenstein. Leider ist das Wiener Fresko in äußerst schlechtem Zustand, außerdem ist es der breiteren Öffentlichkeit kaum zugänglich.
Wer sein Wissen über die Wiener Stadtgeschichte vertiefen und noch dazu den europäischen Zusammenhang erschließen möchte, dem wird Ferdinand Opll ein kundiger und hilfreicher Begleiter sein.