Die Presse

Wie protzte man früher? Mit Büchern, Bildern

Die große Frühjahrsa­usstellung zur deutschen Renaissanc­e ist vor allem anstrengen­d. Dabei verbergen sich in ihrer kunsthisto­rischen Selbstverl­iebtheit spannende Geschichte­n von Bankiers und Lobbyisten.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Um den lästigen Brandgeruc­h aus dem Kamin, in dem die Schuldsche­ine verglühten, zu verscheuch­en, soll der Bankier sogar teure Vanillesch­oten nachgeworf­en haben. So reich war einer wie Jakob Fugger! So stanken selbst die Schulden eines Kaisers! Diese Anekdote könnte man locker ins Heute wenden, auf Regierende und ihre neureichen Freunde umlegen.

Aber waren die Welser und die Fugger der Reichsstad­t Augsburg um 1500 tatsächlic­h die René Benkos von damals? Erscheint Ihnen dieser Vergleich ungerecht, angesichts ihrer kulturelle­n Leistungen? Liest man in der neuen Ausstellun­g im Kunsthisto­rischen Museum doch über riesige Bibliothek­en, monströse Grabkapell­en, sieht eine unendlich wirkende Fülle kunsthandw­erklicher Schätze und meisterlic­her Porträts, mit denen sich das neureiche Bürgertum in der Boomstadt der nördlichen Renaissanc­e darzustell­en beliebte. Nur, das waren nun einmal die Luxusgüter, die damals zur Verfügung standen – eine von Dürer mitgestalt­ete Grabkapell­e war sozusagen das Blaue-Grotten-Erlebnisba­d seiner Zeit.

Mehr Thrill in Frankfurt

Klingt nach interessan­ten Geschichte­n. Nur, so werden sie hier nicht erzählt. Partout nicht, hat man das Gefühl. Dafür will man seiner Bezeichnun­g als „wissenscha­ftliche Anstalt“alle Ehre machen. Allein schon der Titel dieser Frühjahrss­chau weist darauf hin: „Holbein. Burgkmair. Dürer. Renaissanc­e im Norden“. Wer den Namen zwischen den zwei Stars Holbein und Dürer nicht kennt, braucht sich aber nicht grämen, er gilt als bisher Unterschät­zter seiner Zunft. Aufmerksam­e Wiener Gemäldegal­erie-Besucher kennen seinen Namen allerdings aus einem der morbideste­n Bilder der KHM-Sammlung: Ein älteres Ehepaar steht vor einem Handspiege­l, der es als Totenköpfe wiedergibt. Es sind der Maler Hans Burgkmair und seine Frau, Anna, festgehalt­en in dieser Vanitas-Pose vom Kollegen Lukas Furtenagel 1529.

Dieses Bild darf nicht fehlen in der Ausstellun­g, die mit 170 Exponaten und Leihgaben wirbt: Gemälden, Skulpturen, aber auch viel Druckgrafi­k und einiges an Zeichnung. Im Städel in Frankfurt hat die von KHM-Experte Guido Messling zusammenge­stellte Schau schon Premiere gefeiert, und zwar richtig, man war überwiegen­d begeistert. Nur, dass dort die Frage, ob Augsburg (mit Holbein und Burgkmair) oder Nürnberg (mit Dürer) die deutsche Renaissanc­e anführte, freilich mehr Thrill verspricht als in Wien.

Zumindest der Beginn geizt nicht mit Effekten, operiert mit lebensgroß­en Menschenda­rstellunge­n, einem Novum damals: Dem Doppelbild­nis eines reichen Augsburger

Ehepaars, an dem man die heute geckenhaft erscheinen­de Männermode studieren kann, herrlich die beiden unterschie­dlich gemusterte­n Hosenbeine. Derweil erscheint auf einer Stellwand ein großer nackter Mann, der uns mit dem Dreispitz zu drohen scheint : Es ist die große Neptun-Bronze, die damals auf dem Augsburger Fischmarkt statt des hl. Ullrich aufgestell­t wurde; auch er hatte immerhin einen Fisch als Attribut in der Hand.

Ein Lobbyist mit großer Bibliothek

Hinter diesem prächtigen Statement der Augsburger Antiken-Schockverl­iebtheit steckte, vermutet die Ausstellun­g, ein gewisser Konrad Peutinger. Heute würde man ihn einen Lobbyisten nennen. Als Berater von Kaiser Maximilian I., der sich so gern im reichen Augsburg aufhielt, setzte er sich für die reichen Kaufleute ein. Aber als Renaissanc­eHumanist hatte er sich auch die größte Bibliothek nördlich der Alpen angelegt. Heute wäre es ein Weinkeller.

Ebenfalls in Lebensgröß­e ein geschnitzt­er Jesus-Knabe (s. Abb.). Dass solche Statuen in Frauenklös­tern dann an Kindes statt gehätschel­t, sogar gewickelt wurden, erzählt einem der Kurator. Der normale Besucher erfährt das nicht. Stattdesse­n muss sich dieser durch immer kleinteili­gere Kapitel kämpfen, die einen mit kunsthisto­risch sicher interessan­ten – der Erzengel grüßt hier mit der linken Hand, oho! – Details (aber dennoch: Details) zutexten. Am Ende bleibt das Gefühl, gerade einem Obersemina­r am alten Wiener Kunstgesch­ichte-Institut entkommen zu sein. Wer das immer schon einmal wollte, bitte. Sonst kann man auch einfach in den regulären Saal XI schlendern, um dort die deutsche Renaissanc­e ganz entspannt an einigen Hauptwerke­n zu studieren.

 ?? [KHM] ?? Derlei lebensgroß­e Jesus-Statuen wurden in Frauenklös­tern gewickelt und gehätschel­t.
[KHM] Derlei lebensgroß­e Jesus-Statuen wurden in Frauenklös­tern gewickelt und gehätschel­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria