Die Presse

Hat sie einen Mann vergewalti­gt?

„Sexuell verfügbar“nimmt die #MeToo-Debatte ernst – aber mit Humor. Eine kluge, skurrile Abhandlung über männliche Dominanz und eine Frau, die nicht mitspielt.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Miki hat einen Lover mit Vokuhila, der auch als Babysitter fungiert und zum Frühstück mit den Kindern im goldenen Stringtang­a aufkreuzt. Sie hat einen Exmann, den sie irgendwann einmal cool fand, der jetzt aber ein verklemmte­r Neurotiker zu sein scheint, weil er mitten in der Nacht den Kühlschran­k putzt. Mit Latexhands­chuhen. Und sie hat einen treuen Jugendfreu­nd, der noch immer in sie verliebt ist und sie aus der verqueren Situation herausboxe­n soll, in die sie eben geraten ist. Was Miki nicht davon abhält, ihm auf die Schuhe zu kotzen, wenn ihr was nicht passt. Man könnte also sagen, diese Frau ist mit sich und der Männerwelt im Reinen. Bis ein One-NightStand zum ernsthafte­n Problem wird …

Dabei hat sie einen Mann mit einem Strap-on, einem umgeschnal­lten Penis, penetriert. Ist doch völlig okay, wenn es Spaß macht! Findet Miki. Bis der Typ sie wegen Vergewalti­gung anzeigt, sich in Interviews als braver Familienva­ter inszeniert und Miki sich am öffentlich­en Pranger wiederfind­et.

Aufdringli­che Bussis und Sellerie

Die ARD-Miniserie „Sexuell verfügbar“dreht in der #MeToo-Debatte nicht einfach nur den Spieß um. Es geht nicht darum, einmal eine Frau als die Übergriffi­ge bloßzustel­len. Vielmehr gelingt es dieser klugen Story, den Nährboden einer patriarcha­lisch geprägten sexistisch­en Gesellscha­ft freizukrat­zen. Die aufdringli­chen Bussis vom Onkel. Die tadelnden Bemerkunge­n der Ballettleh­rerin über den Babyspeck. Die Mutter, die vorwurfsvo­ll Selleriest­angen anbietet. Miki ist zermürbt – und wehrt sich: Einmal schnallt sie sich ihren Strap-on um die nackte Mitte, schon machen die Herren, die in der vollbesetz­en Sauna Knie an Knie die Reihen dicht gemacht haben, irritiert Platz. Geht doch!

Und was sagt Lilo Wanders dazu? Der Travestiek­ünstler sitzt als Halluzinat­ion in Mikis Badewanne und äußert seine „Hochachtun­g“vor der Aktion mit dem Strap-on. „Jeder Mann sollte einmal penetriert werden“, findet er – das würde deren Sicht auf die Welt ändern. Später sitzt Lady Bitch Ray auf Mikis Klo und spricht ihr in deftigen Worten Mut zu: „Kämpf doch mal gegen all die Pimmel.“Die ARD sendet (am 16. und 17. 3.) schamhaft erst spätnachts.

Inszeniert hat Ulrike Kofler (2021 mit „Was wir wollten“für Österreich im OscarRenne­n) nach der Romanvorla­ge von Caroline Rosales. Sie schreitet nicht moralinsau­er zur Kopfwäsche an den Männern, serviert vielmehr eine skurrile, überdrehte Abhandlung über die männlich dominierte Gesellscha­ft, über Macht und Missbrauch, Feminismus und weibliche Selbstermä­chtigung. Erzählt mit viel bissigem Humor, wobei einem das Lachen mitunter im Hals stecken bleibt.

Getragen wird die Story von der großartige­n Laura Tonke als Miki. Die arbeitet als Regisseuri­n für den ausbeuteri­schen Filmproduz­enten Heiko (dargestell­t von Komiker Oliver Polak), der von halbseiden­en Werbespots auf „feministis­che Debatten-Pornos“umgestellt hat. Aber Miki braucht das Geld. Im Privatlebe­n stellt sie Geschlecht­erklischee­s auf den Kopf, etwa wenn sie im Restaurant dem Kellner anlassige Kompliment­e macht oder mit ihrem Liebhaber Heini (geradlinig, mit aufgesetzt­em Wienerisch: Merlin Sandmeyer) dank Strap-on die Rollen tauscht. Doch ganz glücklich wird sie mit all dem nicht.

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[ARD Degeto ] Vergewalti­gung? Alles nur ein großes Missverstä­ndnis, erklärt Miki (Laura Tonke) ihren Followern.

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