Hat sie einen Mann vergewaltigt?
„Sexuell verfügbar“nimmt die #MeToo-Debatte ernst – aber mit Humor. Eine kluge, skurrile Abhandlung über männliche Dominanz und eine Frau, die nicht mitspielt.
Miki hat einen Lover mit Vokuhila, der auch als Babysitter fungiert und zum Frühstück mit den Kindern im goldenen Stringtanga aufkreuzt. Sie hat einen Exmann, den sie irgendwann einmal cool fand, der jetzt aber ein verklemmter Neurotiker zu sein scheint, weil er mitten in der Nacht den Kühlschrank putzt. Mit Latexhandschuhen. Und sie hat einen treuen Jugendfreund, der noch immer in sie verliebt ist und sie aus der verqueren Situation herausboxen soll, in die sie eben geraten ist. Was Miki nicht davon abhält, ihm auf die Schuhe zu kotzen, wenn ihr was nicht passt. Man könnte also sagen, diese Frau ist mit sich und der Männerwelt im Reinen. Bis ein One-NightStand zum ernsthaften Problem wird …
Dabei hat sie einen Mann mit einem Strap-on, einem umgeschnallten Penis, penetriert. Ist doch völlig okay, wenn es Spaß macht! Findet Miki. Bis der Typ sie wegen Vergewaltigung anzeigt, sich in Interviews als braver Familienvater inszeniert und Miki sich am öffentlichen Pranger wiederfindet.
Aufdringliche Bussis und Sellerie
Die ARD-Miniserie „Sexuell verfügbar“dreht in der #MeToo-Debatte nicht einfach nur den Spieß um. Es geht nicht darum, einmal eine Frau als die Übergriffige bloßzustellen. Vielmehr gelingt es dieser klugen Story, den Nährboden einer patriarchalisch geprägten sexistischen Gesellschaft freizukratzen. Die aufdringlichen Bussis vom Onkel. Die tadelnden Bemerkungen der Ballettlehrerin über den Babyspeck. Die Mutter, die vorwurfsvoll Selleriestangen anbietet. Miki ist zermürbt – und wehrt sich: Einmal schnallt sie sich ihren Strap-on um die nackte Mitte, schon machen die Herren, die in der vollbesetzen Sauna Knie an Knie die Reihen dicht gemacht haben, irritiert Platz. Geht doch!
Und was sagt Lilo Wanders dazu? Der Travestiekünstler sitzt als Halluzination in Mikis Badewanne und äußert seine „Hochachtung“vor der Aktion mit dem Strap-on. „Jeder Mann sollte einmal penetriert werden“, findet er – das würde deren Sicht auf die Welt ändern. Später sitzt Lady Bitch Ray auf Mikis Klo und spricht ihr in deftigen Worten Mut zu: „Kämpf doch mal gegen all die Pimmel.“Die ARD sendet (am 16. und 17. 3.) schamhaft erst spätnachts.
Inszeniert hat Ulrike Kofler (2021 mit „Was wir wollten“für Österreich im OscarRennen) nach der Romanvorlage von Caroline Rosales. Sie schreitet nicht moralinsauer zur Kopfwäsche an den Männern, serviert vielmehr eine skurrile, überdrehte Abhandlung über die männlich dominierte Gesellschaft, über Macht und Missbrauch, Feminismus und weibliche Selbstermächtigung. Erzählt mit viel bissigem Humor, wobei einem das Lachen mitunter im Hals stecken bleibt.
Getragen wird die Story von der großartigen Laura Tonke als Miki. Die arbeitet als Regisseurin für den ausbeuterischen Filmproduzenten Heiko (dargestellt von Komiker Oliver Polak), der von halbseidenen Werbespots auf „feministische Debatten-Pornos“umgestellt hat. Aber Miki braucht das Geld. Im Privatleben stellt sie Geschlechterklischees auf den Kopf, etwa wenn sie im Restaurant dem Kellner anlassige Komplimente macht oder mit ihrem Liebhaber Heini (geradlinig, mit aufgesetztem Wienerisch: Merlin Sandmeyer) dank Strap-on die Rollen tauscht. Doch ganz glücklich wird sie mit all dem nicht.