Verstärkung für Dorotheum Deutschland
Das Dorotheum hat sich mit Joëlle Romba, der ehemaligen Leiterin von Sotheby‘s-Berlin, eine international vernetzte Expertin geangelt.
Das Wiener Dorotheum hat sich für Deutschland eine internationale Spezialistin geangelt. Joëlle Romba, die langjährige Leiterin des Sotheby‘s Berlin-Büros, wurde als Expertin für moderne und zeitgenössische Kunst geholt. Gemeinsam mit Petra Schäpers, Dorotheum Düsseldorf, wird Romba diese Sparte in Deutschland betreuen und Ansprechpartnerin in Berlin und für den Norden und Osten Deutschlands sein.
Romba ist am internationalen Kunstmarkt gut vernetzt. Neben ihrer Tätigkeit bei Sotheby’s hat sie als Kuratorin, Gutachterin und Atelierleiterin gearbeitet. Als Kuratorin der Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch Berlin und Mitglied des Kuratoren-Trios „A Private View“realisierte Romba Ausstellungen in der Peggy Guggenheim Collection Venedig, im Bank Austria Kunstforum Wien sowie im Salon Dahlmann Berlin, wie beispielsweise die Ausstellungen „The moment I became a collector“und die Sammlung Charim.
Sie ist aber nicht nur Expertin, sie ist auch selbst leidenschaftliche Kunstsammlerin. Seit 25 Jahren sammelt Romba mit ihrem Mann Kunst und Design und engagiert sich als Vorstand der Rocca-Stiftung für Zeitgenössische Kunst und Kunstkritik.
Ihre Motivation, zum Dorotheum zu wechseln, sei vom Wunsch getragen, wieder mehr inhaltlich zu arbeiten, statt ein Büro zu leiten, sagt Romba. Sie sei überzeugt, dass sie beim Dorotheum mehr Gestaltungsmöglichkeiten habe. „Die entscheidende Frage ist: Wie erhält man Sichtbarkeit, um neue Käufer und Verkäufer anzusprechen? In diesem Bereich möchte ich mich engagieren, etwa mit Kuratorenführungen in Museen, Sammler-Dinner, eine Vorbesichtigung einer Auktion auch einmal in Berlin veranstalten. Da gibt es viele Ideen.“Deutschland sei ein interessanter Markt mit vielen Sammlungen, die nach dem Krieg im Jahrzehnt des Wirtschaftswunders entstanden seien und jetzt an die nächste Generation übergeben werden. Da käme einiges auf den Markt, und das Dorotheum genieße einen guten Ruf.
„Das Dorotheum wird als international verkaufendes Haus wahrgenommen und macht sowohl Liveauktionen als auch Onlineauktionen und erreicht damit auch die Digital Natives“, so Romba. Positiv sei zudem, dass die Käuferschicht des Dorotheums eine andere sei als bei den großen Häusern. „Das Dorotheum hat weniger Spekulanten und Assetkäufer und mehr echte Sammler, denen es um die Kunst geht“, so Romba. „Es hat mich befremdet, dass es bei den großen Häusern nur um Ware und zu wenig um Wertschätzung der Kunst geht“, ergänzt sie.
Potenzial für Expressionismus
Das wirke sich letztlich auch auf die Preise aus, die bei Auktionen erzielt werden. „Früher habe ich Werke ab 100.000 Euro nach New York geschickt. Aber dort zählen sie zum niedrigen oder mittleren Preissegment und gehen neben den Millionenlosen unter“, sagt Romba. Bei den Big Playern gehe es nur um die großen Blue Chips und die ganz junge Kunst, die Ultra-Contemporary Art, die eine atemberaubende Preisentwicklung hingelegt habe. Wobei Romba beobachtet, dass dieses Segment in der wirtschaftlich unsicheren Phase zuletzt auch nicht mehr so gut gelaufen ist. Das Problem seien auch die großen Mengen, die bei den Big Playern durchgeschleust werden. Auktionen und Werke müssen beworben werden, und in den großen Häusern fehle den Mitarbeitern die Zeit für die richtige Beratung und Bewerbung.
Das Dorotheum sei diesbezüglich besser mit Mitarbeitern ausgestattet, die sich auf weniger Kunst konzentrieren können und dieser somit mehr Aufmerksamkeit widmen können.
Auf dem deutschen Markt sieht Romba etwa viel Potenzial für deutschen Expressionismus. „Für deutschen Expressionismus bekommen die großen Häuser keine guten Preise mehr hin. Im Dorotheum bekommen solche Werke viel mehr Aufmerksamkeit und haben so die Chance, einen höheren Preis zu erzielen.“Aber nicht nur um deutschen Expressionismus will sie sich bemühen, auch um zeitgenössische Kunst und Kunstproduktion ab den 1990er-Jahren. „Bei moderner und zeitgenössischer Kunst ist in Deutschland viel los, es gibt viele Galerien in Berlin, da können wir einiges erreichen“, ist Romba überzeugt. Denn da habe das Dorotheum Nachholbedarf. „Viele Kunden sagen zu mir, ihr verkauft nur österreichische und italienische Kunst.“Das liegt an der starken Präsenz des Hauses in Italien. Doch tatsächlich hat das Dorotheum seine Repräsentanzen in Düsseldorf und München
schon 2003 eröffnet – und damit vor dem Italien-Start 2005 in Mailand. Doch das Italiengeschäft ist rasch gewachsen.
Der Wechsel von Sotheby‘s zum Dorotheum fällt in eine Phase der wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheit. Für den Kunstmarkt erwartet sich die Expertin eine Konsolidierung. „Die Spitzenpreise der vergangenen Jahre wird es derzeit nicht geben. Das wird die Akquisition schwieriger machen, weil die Kunden noch die Preise von vor zwei Jahren erwarten“, so Romba. Es stelle sich also die Frage, was auf den Markt kommt.
Sie vergleicht den Kunstmarkt mit dem Immobilienmarkt. „Viele wollen verkaufen, aber es müssen sich die Preisvorstellungen ändern. Auch bei der Kunst wurde viel auf Pump gekauft, zumindest bei den großen Häusern.“Mit den teureren Finanzierungen sei das nicht mehr attraktiv. „Wir befinden uns jetzt in einem Käufermarkt“, fasst es Romba zusammen.
Qualität zählt
Dennoch werde es für gute Qualität weiterhin solide Preise geben. „Ein früher Picasso wird immer seinen Preis erzielen, das gilt generell für gute Blue Chips. Aber Arbeiten, die bei der Qualität nicht überzeugen können, werden es schwerer haben.“