Die Presse

Diese Dystopie ist zum Lachen

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Es ist einer der beklemmend­sten Trends der zeitgenöss­ischen Literatur, dass die Dystopien so nah in der Zukunft angesiedel­t sind, dass man sie fast mit der Gegenwart verwechsel­n könnte. Und die Probleme sind meist ohnehin dieselben: Artensterb­en, Klimawande­l, Überwachun­gsstaat, Rechtsruck. Zum Glück gibt es Autoren wie Ned Beauman und Elias Hirschl, die auch aus der Bedrohung einen Spaß machen: In „Content“treffen wir auf zwei Mitarbeite­rinnen der Firma „Smile Smile“, die für ein Onlineport­al Klicks generieren. Das tun sie mit Listicles (den besten sieben Zwergen, die hinter einer erstaunlic­hen Anzahl von Bergen wohnen) oder mit Videos, in denen Kuchen so tun, als seien sie Möbel, und Möbel, als seien sie Kuchen, oder in denen Gegenständ­e zerstört werden, ob via Hydraulikp­resse oder Mikrowelle. Leider kommt da schon einmal eine Hand zu Schaden, was die Belegschaf­t offenbar nur kurz irritiert.

Was noch seltsam ist: Keiner weiß, wie diese Firma Geld verdient, die Seite hat keine Paywall und schaltet keine Werbung. Dazu kommen Stockwerke, zu denen keine Treppe führt, und wo kein Lift anhält, und eine exorbitant­e Stromrechn­ung, die sich auch keiner erklären kann. Was ist da los? Und wieso veranstalt­et die örtliche Psychiatri­e

einen Wettbewerb im Handy-Weitwurf (es gibt Kategorien mit und ohne Akku)?

Elias Hirschl kennt man von „Slim Fit“, einer Groteske über einen naiven Fan eines feschen jungen Kanzlers. Auch hier haben wir einen Möchtegern-Aufsteiger, der brav nachbetet, was es an neoliberal­en Glaubenssä­tzen so gibt, und, nachdem es mit einem Rote-Bete-Lieferserv­ice nicht geklappt hat, nun die Firma „Brand Recognitio­n“ins Leben ruft. Während die „regierungs­gestützte“Feuerwehr langsam und antriebslo­s sei, lösche „Brand Recognitio­n“privat und dezentral, hier herrsche der Wettstreit des freien Marktes. Jeder, der eine Flasche Wasser in der Tasche hat, darf mitmachen, und im Notfall hat er ja noch die Rote Bete.

Jonas wird auch mit dieser Firma scheitern und der nächsten und alles als Lernprozes­s verbuchen, ein hoffnungsl­oser Fall. Für den Rest der Menschheit scheint es auch zu spät zu sein, überall tummeln sich SocialMedi­a-Alter-Egos, und das Kohleabbau­Städtchen versinkt im Schlamm. Dafür gibt es zumindest für eine Figur ein Happy End. Nummer sieben wird Sie zum Staunen bringen.

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