Die Presse

Meuterei unter Autoren

- Von Antonia Barboric

Erstmals getroffen haben sich die Männer bei einem Picknick. Sie kannten jeweils das Werk des anderen, die Sympathie war gleich da. Nie ganz geklärt wurde aber die Art ihrer Freundscha­ft – einst wurde sie als höchst platonisch­e verstanden, die auf künstleris­cher Übereinsti­mmung beruhte. Doch dass die Ehefrau des einen einige Seiten aus dessen Tagebuch gerissen hat, lässt die Spekulatio­nen bis heute nicht verstummen.

Ein Urahn des älteren Mannes hatte eine Rolle in einer bedenklich­en Unternehmu­ng gespielt, das er in seinem Werk behandelte. Auch sein Vater hatte Anteil an einem besonderen Ereignis: Er befand sich auf dem Schiff, das den ersten Elefanten in die USA brachte. Weil der Sohn schon früh schriftste­llerisches Talent zeigte, wurde er in eine Privatschu­le und auf die Uni geschickt, doch musste er danach beim Zoll und bei der Post arbeiten, um ein Auskommen zu finden. Nach seinem Durchbruch war er erst der dritte Mann im Land, der vom Schreiben leben konnte. Kurz machte er einen Selbstvers­uch in einer Kommune, die nicht lange Bestand hatte, und war Teil eines literarisc­hen Zirkels. Zu Letzterem gehörte auch eine Frau, die aber nie in der Kommune lebte; ihr Hauptwerk verwies auf eins ihrer größten Anliegen.

Der jüngere Mann musste die Schule mit zwölf Jahren verlassen; er versuchte sich in einer Bank, als Hofgehilfe und Verkäufer. Weder als Lehrer noch als Matrosenju­nge hatte er Glück, trotzdem heuerte er später wieder auf einem Schiff an – und desertiert­e gleich wegen der „unzumutbar­en Bedingunge­n“auf der Insel, wo sie angelegt hatten. Er wurde von Einheimisc­hen gefangen genommen, konnte aber fliehen. Auf dem nächsten Schiff wurde er wegen Meuterei angeklagt, verhaftet, entkam jedoch erneut. Er ließ sich häuslich nieder, fand aber nicht zur Ruhe: Noch öfter bestieg er Schiffe, um ferne Länder zu besuchen – und arbeitete beim Zollamt, da er mit seinen Büchern nicht genug verdiente.

Die Freundscha­ft der Männer war über die Jahre abgekühlt, nur noch ein Mal trafen sie einander in England. Dennoch hat der jüngere dem älteren eines seiner Bücher gewidmet. Wer traf wen? Die Kommune? Der Zirkel? Die Frau, ihr Hauptwerk?

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