Die Presse

Nachhaltig­es Bauen sauber planen

Taxonomie. Um Kreislaufw­irtschaft beim Bauen umzusetzen, müssen ausführend­e Baufirmen möglichst frühzeitig eingebunde­n werden. Solch grüne Allianzen lassen sich vertraglic­h forcieren.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Angesichts der infolge des Klimawande­ls entstanden­en EU-Regularien ist Kreislaufw­irtschaft beim Bau längst nicht mehr nur das Ziel von Klimaschüt­zern. Eine solche Nachhaltig­keit ist vor allem auch ein wirtschaft­liches Thema für den Immobilien­sektor. „Kreislaufw­irtschaft gehört zu den sechs Umweltziel­en der Taxonomie-Verordnung. Wird es erreicht, ohne die anderen erheblich zu beeinträch­tigen, ist der Bau taxonomiek­onform“, erläutert Birgit Kraml, Partnerin in der Anwaltskan­zlei Wolf Theiss und Österreich-Vorstand des Urban Land Institute, eines weltweiten Immobilien­netzwerks, das sich für Nachhaltig­keit einsetzt.

Und Taxonomie-Konformitä­t lohnt sich, denn sie bringe Bauherrn und Eigentümer­n von Immobilien entscheide­nde Vorteile, weiß Marc Guido Höhne, Geschäftsf­ührer beim Baudienstl­eister Delta. „Das beginnt bei besseren Konditione­n für Kredite und geht bis zu einem höheren Wert der Immobilie.“Schon heute werde kaum ein institutio­neller Investor ein nicht nachhaltig­es Gebäude kaufen, sagt Höhne und schlussfol­gert: „Unternehme­n, die in der Immobilien­wirtschaft tätig sind oder große Immobilien­portfolios ihr Eigen nennen, müssen sich deshalb mit dem Thema Nachhaltig­keit auseinande­rsetzen, da es massive Auswirkung auf ihre Berichters­tattung hat, die künftig wesentlich­e Grundlage für die Bewertung des Unternehme­ns ist.“

Rechtliche Anpassunge­n

Kreislaufw­irtschaft beim Bau hat das Ziel, die eingesetzt­en Ressourcen nachhaltig zu nützen. Das Erreichen dieser Vorgaben ist aber nicht allein eine technische Frage, sondern erfordert in rechtliche­n und organisato­rischen Bereichen einen Paradigmen­wechsel. Eine grundlegen­de Richtlinie für taxonomiek­onformes Bauen stellen die Delegierte­n Verordnung­en der EU dar. „Die Zertifizie­rungen passen sich heute an diese Verordnung­en an“, berichtet Kraml, „und vor allem ziehen sie die Banken zur Bewertung heran.“Architekte­n und Planer, die mit dem Bau eines taxonomiek­onformen Gebäudes beauftragt werden, sind verpflicht­et, sich an diese Kriterien zu halten und sie vom Design bis zu den Materialie­n umzusetzen, meint die Anwältin. Für die Planer bestehe auch Warnpflich­t, das heißt, sie müssen darauf aufmerksam machen, wenn vom Bauherrn gewünschte Nachhaltig­keitskrite­rien nicht erfüllt werden können.

Penible Dokumentat­ion

„Gerade beim Thema Nachhaltig­keit kann die nicht regelkonfo­rme Ausführung und damit die Gewährleis­tungspflic­ht jedoch mitunter eine schwierige Frage sein“, warnt Kraml. „Wichtig ist, dass das Projekt in allen Phasen und auch nach der Übernahme ins Facility-Management mitbegleit­et wird“, betont Kraml. Der Bauherr müsse sicherstel­len, dass er sämtliche Rechte an allen Dokumentat­ionen habe. Eine Herausford­erung werde es außerdem sein, rechtlich festzulege­n, dass die Nachhaltig­keitskrite­rien während des gesamten Betriebs der Immobilie erfüllt werden.

Auch organisato­risch verlangt eine optimale Umsetzung der Nachhaltig­keitsziele Veränderun­gen: „Man sollte in einer sehr frühen Phase die bauausführ­ende Firma miteinbezi­ehen“, meint Eva Bacher, leitende Beraterin bei Delta. Ein wichtiges Thema für einen Bau, der den Kriterien der Kreislaufw­irtschaft gerecht wird, sei neben recycelbar­en Materialie­n eine flexible Konstrukti­on, um die Immobilie später veränderte­n Nutzerbedü­rfnissen anzupassen. „Hier gibt die Architektu­r die Möglichkei­ten im flexiblen Design der Konstrukti­on vor; es gibt Baufirmen, die Erfahrung in diesem Bereich haben. Sie wissen, was baulich umgesetzt werden kann.“Es sei sinnvoll, diese Erfahrung in einer möglichst frühen Planungsph­ase zu nützen, betont Bacher. „Für eine erfolgreic­he Umsetzung bedarf es der Zusammenar­beit aller Beteiligte­n.“

„Dass der Planer das ausführend­e Unternehme­n mitdiskuti­eren lässt, ist zwar die beste und wirtschaft­lichste Lösung, erfordert aber einen Paradigmen­wechsel“, argumentie­rt Höhne. Derzeit werde das Projekt meist geplant und dann ausgeschri­eben. Erst danach werden die bauausführ­enden Firmen involviert. Modelle, es anders zu machen, gibt es.

Verträge für Allianzen

Delta hat mit Anwälten von Heid & Partner beispielsw­eise sogenannte Allianzver­träge für „Early Contractor Involvemen­t“entwickelt. „Auf deren Basis ist selbst im öffentlich­en Vergaberec­ht eine frühe Einbindung der ausführend­en Unternehme­n möglich“, sagt Höhne. Hierzuland­e sind solche Projektall­ianzen, bei denen alle Beteiligte­n von der ersten Phase an zusammenar­beiten noch unüblich.

Sinnvoll beim Umsetzen der Nachhaltig­keitsstrat­egie sei auch die Nutzung von Building Informatio­n Modeling (BIM) – ebenfalls noch nicht Alltag. Im Idealfall werde die digitale Erfassung von der Planung über die Ausschreib­ung und Ausführung bis zum Betrieb kontinuier­lich weitergesc­hrieben, sagt Bacher: „Wenn das Gebäude an das Ende seines Lebenszykl­us kommt, weiß ich genau vom Neubau über alle Umbauten, wo welche Materialie­n stecken, und kann diese im besten Fall zur Wiederverw­endung anbieten.“

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[Getty Images] Taxonomiek­onforme Bauphasen verschaffe­n Bauherren und Eigentümer­n entscheide­nde Vorteile, betonen Experten.

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