Die Presse

Der Intendant des Linzer Brucknerha­uses wurde freigestel­lt

Dietmar Kerschbaum, der künstleris­che Leiter der Linzer Veranstalt­ungsgesell­schaft, konnte Compliance-Vorwürfe nicht ausreichen­d entkräften. Ein neues „Gesicht des Brucknerha­uses“, vor allem für das demnächst beginnende 50-Jahr-Jubiläum des Hauses, ist be

- VON WILHELM SINKOVICZ

Kürzlich blickte Dietmar Kerschbaum noch frohgemut in die Zukunft: Demnächst jährt sich die Eröffnung des Linzer Brucknerha­uses zum fünfzigste­n Mal, im Herbst gilt es, gebührend den 200. Geburtstag des Namenspatr­ons zu feiern. Der Tenor und Brucknerha­us-Intendant hat auch dafür ein buntes Programm zusammenge­stellt.

Nun wurde er bis auf Weiteres vom Dienst freigestel­lt. Kerschbaum ist auch künstleris­cher Leiter der Linzer Veranstalt­ungsgesell­schaft (LIVA) und sah sich jüngst mit massiven Vorwürfen konfrontie­rt, die auch die Vorgangswe­ise seiner Bestellung im Jahr 2017 betrafen. Damals sollen Kerschbaum, so die unter anderem von der Zeitschrif­t „Falter“lancierten Meldungen, vor dem Hearing die Fragen ausgehändi­gt worden sein.

Überdies warf man dem Intendante­n vor, sich selbst als Tenor engagiert und dafür Gagen ausbezahlt zu haben, die nicht mit den

Honoraren korreliert haben sollen, die anderen Künstler für vergleichb­are Leistungen ausbezahlt wurden. Konkret ging es um Auftritte im Rahmen des „Musikalisc­hen Adventkale­nders“, bei dem die Künstler, so der Vorwurf, eine Aufwandsen­tschädigun­g von 200 Euro erhalten hätten, während Kerschbaum 5000 Euro bekommen hätte.

Am Freitag konnten die Vorwürfe im Rahmen der routinemäß­igen Aufsichtsr­atssitzung der Liva in Linz offenbar nicht ausreichen­d entkräftet werden. Kerschbaum, aber auch der kaufmännis­che Geschäftsf­ührer Rainer Stadler, der mit 1. April seine Pension antreten wird, wurden mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestel­lt.

Der Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ats, der Linzer Bürgermeis­ter Klaus Luger, teilte die einstimmig­e Entscheidu­ng des Gremiums am frühen Freitagnac­hmittag offiziell mit. Er begründete auch die Abberufung des kaufmännis­chen Geschäftsf­ührers: Zwischen ihm und dem Intendante­n hätte das Vieraugenp­rinzip

bei allen Entscheidu­ngen geherrscht. Daher sei eine Befangenhe­itssituati­on gegeben. Durchleuch­tet werden soll nun auch die Vergabe der Programmpl­anung für das Brucknerfe­st 2023 an eine Künstlerag­entur und mögliche Compliance-Fälle rund um die Linzer Programmpl­anung. Das Vertragswe­rk rund um die Künstlerag­entur sei, so der Bürgermeis­ter, „äußert komplex im Hinblick auf Gewährleis­tung der kommenden Programmie­rung“.

Neuer Geschäftsf­ührer René Esterbauer

Ein „Gesicht des Brucknerha­uses“, das vor allem bei den demnächst beginnende­n Zelebratio­nen des 50. Geburtstag­s des Hauses zu sehen sein wird, hat man bereits gefunden. Da der kaufmännis­che Geschäftsf­ührer Anfang April in Pension geht, war sein Nachfolger, René Esterbauer, bereits seit Anfang März aktiv, um sich einzuarbei­ten.

Die Feierlichk­eiten beginnen mit einer Ausstellun­gseröffnun­g am kommenden Freitag

und erleben am folgenden Samstag ihren ersten Höhepunkt mit einem Gastkonzer­t der Wiener Philharmon­iker unter der Leitung von Zubin Mehta. Auf dem Programm steht Anton Bruckners Siebente Symphonie – das ist ein „Remake“des einstigen Eröffnungs­konzertes, das die Wiener Philharmon­iker unter Herbert von Karajan 1974 absolviert­en. Damals sang der Wiener Singverein vor der Aufführung der Symphonie einige geistliche Motetten Bruckners – unter der Leitung seines damaligen Chefdirige­nten Helmuth Froschauer. Dessen Sohn, Daniel Froschauer, ist heute Orchesterv­orstand der Philharmon­iker und hat sich bereit erklärt, zum 50. Jahrestag die Aufführung der Motetten zu leiten.

Für das kommende Bruckner-Fest hat Dietmar Kerschbaum vor allem einen Zyklus mit Aufführung­en sämtlicher Bruckner-Symphonien programmie­rt, der erstmals ausschließ­lich von Originalkl­ang-Ensembles gespielt werden soll.

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