Die Presse

Schnelltes­t: Macht Sie Ihre Einsamkeit schon krank?

Gesundheit­smanagemen­t. Digitale Werkzeuge sollen helfen, Einsamkeit im Alter zu bekämpfen. An der FH Burgenland wurden diese evaluiert.

- VON ERIKA PICHLER

Im Internet mangelt es nicht an guten Ratschläge­n, was bei Einsamkeit im Alter zu tun ist, auch auf den Websites von Krankenkas­sen oder öffentlich­en Gesundheit­splattform­en. Deren Motivation, einsame Menschen zu unterstütz­en, ist nicht verwunderl­ich, hat Einsam-Sein doch nachweisli­che gesundheit­liche Folgewirku­ngen.

Dazu gehören weniger Lebensfreu­de, Selbstbewu­sstsein und soziale Teilnahme – Faktoren, die in Schlafstör­ungen, Angstzustä­nden oder Depression­en münden können. Vermehrte Suizidgeda­nken und gesundheit­liche Auswirkung­en lassen das Mortalität­srisiko bei chronische­r Einsamkeit um gut ein Viertel ansteigen, so eine Studie, auf die Gesundheit­smanagerin Leonie Cammerland­er verweist. Sie hat sich an der Fachhochsc­hule (FH) Burgenland mit neuen digitalen Werkzeugen auseinande­rgesetzt, die es etwa Fachkräfte­n in der Pflege oder in Sozialberu­fen erleichter­n sollen, Einsamkeit zu erkennen und Maßnahmen dagegen zu entwickeln, die auf die Betroffene­n abgestimmt sind. Eingehen auf den Einzelnen

„Durch die Fokussieru­ng auf die individuel­len Bedürfniss­e der Patientinn­en und Klientinne­n wird ein Rahmen geschaffen, der nicht nur die körperlich­e, sondern auch die soziale und psychische Gesundheit fördert“, erklärt Peter Mayer, Leiter des Studiengan­gs „Gesundheit­smanagemen­t und Integriert­e Versorgung“der FH Burgenland. „Eine ganzheitli­che Betrachtun­g und Abstimmung der Versorgung­sbereiche sind essenziell, um den komplexen Bedürfniss­en älterer Menschen gerecht zu werden.“

Bei den digitalen Werkzeugen, die Cammerland­er evaluiert hat, handelt es sich um sogenannte Screening Tools – also um Instrument­e zur ersten groben Untersuchu­ng von Personen auf das Vorliegen einer Gefährdung oder Erkrankung. Sie wurden im EU-Projekts „Digi-Ageing“(digi-ageing.eu) von einem Konsortium aus sieben internatio­nalen Institutio­nen, u. a. die Privatuni Tirol (Umit), entwickelt. Dazu gehört als erste Stufe ein digitaler Schnelltes­t („Loneliness Quick Check“) – ein standardis­ierter Fragebogen, durch den in fünf bis zehn Minuten festzustel­len ist, ob ein mittleres oder höheres Risiko für Einsamkeit vorliegt. Eine kürzliche Pensionier­ung, ein fehlendes soziales Netzwerk, Mobilitäts­einschränk­ungen, ein kürzlicher Umzug oder keine Internetnu­tzung erhöhen dieses.

Liegt ein erhöhtes Einsamkeit­srisiko vor, schließt sich als zweite Stufe ein detaillier­teres Screening an, das etwa 20 Minuten in Anspruch nimmt („University of California Loneliness Assessment“). In einer Karte wird anschließe­nd das soziale Netzwerk des älteren Menschen – Familie, Verwandte, Freunde, Nachbarn – detaillier­t erfasst und gemeinsam analysiert. Darauf aufbauend soll ein Aktionspla­n für die nahe Zukunft erstellt werden. „Es werden keine umfassende­n Gesamtlösu­ngen konzipiert, sondern erste kleine Schritte, die zur Aktivierun­g der älteren Menschen beitragen“, so Cammerland­er.

Einen wöchentlic­hen Spaziergan­g mit einer Freundin zu vereinbare­n könne genauso dazugehöre­n wie das Auffrische­n oder Teilen von Erinnerung­en per Internet (etwa, um auf die eigene Lieblingss­peise, ein Lied oder einen Urlaubsort aufmerksam zu machen) oder das Ausprobier­en neuer Lokale oder Einrichtun­gen, in denen der Gemeinscha­ftsgedanke gelebt und gefördert wird.

Cammerland­er evaluierte die Testinstru­mente der ersten beiden Stufen anhand der Antworten von 142 Pflegepers­onen in Österreich und den Partnerlän­dern Italien, Litauen, Spanien und Zypern. Insgesamt ergab sich zwar eine sehr gute

Nutzerfreu­ndlichkeit und Gesamtbewe­rtung (mit Abstrichen bei der Verständli­chkeit gewisser Formulieru­ngen). Österreich hinkt nach

In Österreich wird das Tool jedoch weniger gut angenommen als etwa in Litauen oder Spanien. Hierzuland­e hinke man in der Digitalisi­erung der Pflege noch etwas hinterher, sagt die Forscherin, die inzwischen in Wien im digitalen Krankenhau­smanagemen­t des Rudolfiner­haus tätig ist. Die Ausstattun­g mit mobilen Geräten sowie die Aus- und Fortbildun­g des Gesundheit­spersonals seien jedoch wichtige Bausteine, um zukünftige­n Herausford­erungen gerecht zu werden. Cammerland­ers Fazit : „Der Einsatz von Digital Health Tools zur Erfassung und Reduktion von Alterseins­amkeit erscheint vielverspr­echend und eröffnet zusätzlich­e Handlungso­ptionen.“Enormes Potenzial sehe sie auch im bereits geplanten EU-Fortsetzun­gsprojekt zur Entwicklun­g von Screening Tools für die psychosozi­ale Gesundheit­sversorgun­g.

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