Borealis-Chef Thomas Gangl verlässt das Unternehmen
Mit Alfred Stern, Chef des Mutterkonzerns OMV, gibt es schon länger Dissonanzen. Jetzt wurden neue Fakten geschaffen.
Dass es gröbere Konflikte gab, war spätestens im März des vergangenen Jahres klar: Damals wurde Thomas
Gangl, Chef der OMV-Tochter Borealis, die Entlastung verweigert – wegen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen bei zwei Projekten.
Schnell machte das Gerücht die Runde: Zwischen Gangl und OMV-Chef Alfred Stern gebe es arge Dissonanzen. Stern war ja damals immerhin auch Aufsichtsratspräsident
der Borealis.
Die Entlastung wurde einen Monat später nachgeholt, die Konflikte blieben. Und so hat Thomas Gangl nun für sich Konsequenzen gezogen: Am Freitag wurde bekannt gegeben, dass er das Unternehmen verlassen wird. Gangl habe sich mit dem Aufsichtsrat auf eine einvernehmliche Beendigung seines Mandats geeinigt.
Man könnte meinen, Gangl habe die Flucht nach vorn angetreten. Denn sein Vertrag läuft nächstes Jahr aus, in wenigen Wochen hätte ihm mitgeteilt werden müssen, ob er mit einer Verlängerung rechnen darf. Das hat sich damit nun erübrigt.
Erstaunlich ist seine Entscheidung dennoch. Thomas Gangl gilt als OMV-Urgestein, er ist seit 1998 im Konzern tätig. Zunächst war er dort Verfahrenstechniker, dann bekleidete er diverse Managementpositionen im Raffineriegeschäft der OMV. Von 2019 bis 2021 war er sogar Vorstandsmitglied der OMV, als Chief Downstream Operations Officer. Und seit April 2021 ist er Chef der OMV-Kunststofftochter
Borealis. Der 52-Jährige gilt sogar als Mastermind der im Jahr 2020 erfolgten Aufstockung der BorealisAnteile durch die OMV auf 75 Prozent.
Und da wird es abermals erstaunlich: Bekanntlich soll Borealis mit Borouge aus Abu Dhabi zu einem global führenden Kunststoffkonzern fusioniert werden. Doch Thomas Gangl ist auf österreichischer Seite vom Verhandlungsteam ausgeschlossen worden – obwohl er nicht nur viel einschlägige Expertise, sondern auch ein hervorragendes Verhältnis zum OMV-Miteigentümer Abu Dhabi hat. Die Fusion verzögert sich bekanntlich, sie hätte eigentlich bereits Ende 2023 fixiert werden sollen.
In der Aussendung vom Freitag werden jedenfalls ausschließlich lobende Worte für Gangl gefunden: Er sei „maßgeblich an der Weiterentwicklung der Strategie 2030 von Borealis beteiligt“gewesen, „in deren Mittelpunkt die Nachhaltigkeit steht, sowie an der beschleunigten Transformation des Unternehmens hin zu einer Kreislaufwirtschaft“.
Gangl verlässt Borealis bereits per Ende Juni dieses Jahres. Es ist ein weiterer brisanter Abgang im Management des OMV-Konzerns. Ende 2022 etwa war Vorstand Johann Pleininger verabschiedet worden. Er hatte nach dem Abgang von OMV-Chef Rainer Seele offen Interesse am Job des OMV-Chefs gezeigt.
Gerüchteweise wurde später übrigens auch Thomas Gangl als möglicher künftiger OMV-Chef gehandelt. Aber wie erwähnt: Anders als bei Pleininger handelte es sich da bloß um ein Gerücht.