Wie die Aktienrallye noch weitergehen kann
Nicht nur Techfirmen haben zuletzt an Wert gewonnen, sondern auch viele kleinere Firmen. Manche Börsianer sehen daher trotz einer hohen Bewertung des Gesamtmarkts noch Potenzial. Wie soll man sich positionieren?
Der US-Leitindex S&P 500 ist das wohl wichtigste Börsenbarometer der Welt. Jeder, der die Aktienmärkte verfolgt, hat mitbekommen, dass der Index heuer von einem Rekordhoch zum nächsten marschiert ist. Konkret markierte der S&P 500 in jeder einzelnen der vergangenen neun Wochen zumindest ein neues Allzeithoch. Getragen wird diese einzigartige Rallye, mit der zu Jahresbeginn nur wenige gerechnet haben, vor allem von den Giganten im Techbereich wie Nvidia, Microsoft oder Amazon.
Im Schatten des S&P 500 hat sich zuletzt aber auch ein weniger beachteter Index nach oben gekämpft, nämlich der sogenannte Equal Weight S&P 500. Während der herkömmliche Index seine 500 Mitglieder nach der Marktkapitalisierung gewichtet, kommt im Equal Weight S&P 500 jedem der 500 Unternehmen das gleiche Gewicht zu. Ein Beispiel: Wenn etwa der Gigant Nvidia mit einem Börsenwert von mehr als zwei Billionen einen zweistelligen Kurssprung hinlegt, wirkt sich das auf den S&P 500 verhältnismäßig stark aus. Wenn hingegen eine im Vergleich dazu kleine Finanzfirma wie Invesco mit einer Kapitalisierung von sieben Milliarden Dollar an Wert gewinnt, kratzt das den S&P 500 so gut wie gar nicht. Anders verhält es sich im Equal Weight S&P 500, da zählen beide Aktien gleich viel.
An Breite gewonnen
Und genau dieser Equal Weight Index ist es, der vielen Börsianern Mut macht. Erstmals seit mehr als zwei Jahren erreichte die Maßzahl im März ein neues Rekordhoch.
Nicht nur die Techgiganten marschieren nach oben, immer mehr kleinere Firmen gesellen sich dazu. Mehr als 100 von ihnen erreichten diesen Monat neue Höchststände. Natürlich sind das auf der einen Seite kleinere Technologieunternehmen wie Super Micro Computer, dessen Wert sich auf Jahressicht mehr als verzehnfacht hat. Es zählen aber auch viele Banken und Industriefirmen dazu, die im Vorjahr hinter dem Gesamtmarkt zurückgeblieben sind. Mit anderen Worten: Die Rallye hat an
Breite gewonnen, und das kann als positives Zeichen gesehen werden.
Die Konjunktur
Das hängt vor allem mit der allgemeinen Konjunkturlage zusammen. Herkömmliche Finanzfirmen und Bauunternehmen hängen stärker vom Wirtschaftswachstum ab als Techfirmen. Mehr noch: Stark wachsende Technologieunternehmen können indirekt sogar von einer Verlangsamung des Wachstums profitieren, weil dadurch Zinssenkungen der Notenbank Fed wahrscheinlicher werden. Derartige Zinssenkungen wiederum machen etwaige künftige Gewinne dieser Firmen zum heutigen Datum wertvoller. Traditionelle Banken und Industriefirmen wachsen dagegen genauso wie Kleinbetriebe eher in einer boomenden Wirtschaft.
Tatsächlich scheint selbst die letzte Wachstumsprognose der USZentralbank schon wieder obsolet zu sein. So erwartete die Fed im Dezember
ein Konjunkturplus für die USA im Jahr 2024 von 1,4 Prozent. Das „Atlanta Fed Model” – eine regelmäßig aktuali- sierte Vorhersage des Zentralbank-Ablegers
im Bundesstaat Georgia
– steht aktuell bei einer Vorhersage von 2,5 Prozent für das erste Quartal. Solang die weltgrößte Volkswirtschaft in diesem Tempo wächst, kann die Wall Street auch mit einer etwas höheren Inflation leben. Diese stand im Februar bei 3,2 Prozent, und wenn sie sich nicht weiter dem Zielwert der Fed von zwei Prozent annähert, werden Zinssenkungen wohl auf die lange Bank geschoben werden.
Das optimistische Szenario
In einem optimistischen Szenario gewinnt die Rallye in den nächsten Monaten weiter an Breite, weil die erwartete Verlangsamung des USWachstums ausbleibt. Gleichzeitig pendelt sich die Teuerung bei einem Wert von zwei bis drei Prozent ein, und die Fed lässt die Zinsen zumindest vorläufig unverändert oder senkt sie leicht. Zusätzlich lässt der Hype um die künstliche Intelligenz nicht nach und Firmen wie Microsoft oder Nvidia können ihre Kursgewinne zumindest halten. Die Folge wäre ein ausgeglichenerer Markt, in dem das Gewicht des Technologiesektors im S&P 500 Index ein wenig zurückgeht, ohne einen Kursabsturz auszulösen.
Wohlgemerkt: Damit dieses Szenario eintrifft, müssen viele Bauteile richtig ineinandergreifen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der 500 Firmen des S&P 500 Index steht im Schnitt bei 21 – ein hoher Wert, der über dem historischen Schnitt von 15 bis 20 liegt. Die Analysten erwarten für heuer ein durchschnittliches Gewinnwachstum von elf Prozent, für 2025 ein Plus von 14 Prozent. Vereinfacht ausgedrückt müssen die Firmen diese Prognosen erfüllen, damit das KGV bei unverändertem Aktienkurs gleich bleibt. Weitere Kursgewinne scheinen nur möglich, wenn diese relativ optimistischen Prognosen nochmals übertroffen werden können. Und freilich schweben über all dem die zahlreichen geopolitischen Unsicherheiten sowie die Sorge um einen neuerlichen Anstieg der Teuerung.
Der Russell 2000
Investoren, die darauf setzen wollen, dass die Rallye weiterhin an Breite gewinnt, können etwa einen Indexfonds auf den Russell 2000 Index kaufen. Dieser umfasst 2000 US-Kleinunternehmen, und obwohl er seit Oktober in etwa um ein Viertel zugelegt hat, liegt er immer noch zweistellig unter seinem Höchstwert aus dem Jahr 2021.
Allerdings gilt es zu bedenken, dass in etwa die Hälfte der 2000 Unternehmen auf variablen Krediten sitzt – im Vergleich zu zehn Prozent im S&P 500 Index. Soll heißen: Wenn die Inflation nochmals steigt und die Fed etwaige Zinssenkungen auf Eis legen oder gar über Zinserhöhungen nachdenken müsste, wäre ein neuerlicher Absturz des Russell 2000 Index nahezu garantiert.