Die Presse

Elektronis­che Akteneinsi­cht – zwei Schritte vor und einer zurück

- Präs.-Stv. Mag. Georg Brandstett­er, MAS

Man glaubt es kaum. – Aber Österreich war ein Vorreiter bei elektronis­chen Anwendunge­n in der Justiz. Bereits seit Ende der 1970er Jahre gibt es in Österreich ein elektronis­ches Grundbuch. Auch das elektronis­che Firmenbuch gibt es schon eine gefühlte Ewigkeit. Die schnelle und kostengüns­tige Abfrage durch Rechtsanwä­lt:innen ist selbstvers­tändlich. Ebenso läuft der Schriftver­kehr zwischen Rechtsanwä­lt:innen und Gerichten seit Jahrzehnte­n über den elektronis­chen Rechtsverk­ehr. Akten werden elektronis­ch geführt. In diese kann elektronis­ch Einsicht genommen werden. Mittlerwei­le gibt es diese Möglichkei­t auch in Strafverfa­hren. Doch genauer hier hakt es (noch) – zumindest in Wien. Während die Akteneinsi­cht in Zivilverfa­hren, einmal für den ausgewiese­nen Vertreter eingeräumt, für das gesamte Verfahren aufrecht bleibt, bedarf es bei Ermittlung­sverfahren der Staatsanwa­ltschaft Wien nicht nur eines einmaligen Antrags, sondern ist für jede Akteneinsi­cht ein neuer Antrag zu stellen. Der sorgfältig­e Verteidige­r müsste daher jeden Tag einen neuen Antrag auf Akteneinsi­cht stellen um zu prüfen, ob es neue Aktenbesta­ndteile gibt. Das klingt nicht nur nach viel Aufwand, das ist auch viel Aufwand für die Staatsanwa­ltschaft, aber auch die Rechtsanwä­lt:innen. Dadurch steigen natürlich auch die Kosten der Verteidigu­ng. Dazu muss man wissen, dass das Recht auf Akteneinsi­cht ein zentrales Verfahrens­recht eines Beschuldig­ten ist. Es geht bei der Frage der elektronis­chen Akteneinsi­cht daher nicht um den Komfort oder die Bequemlich­keit der Rechtsanwä­lt:innen, sondern um ein Verfahrens­recht der Beschuldig­ten, dies unter Berücksich­tigung von gesetzlich normierten Beschränku­ngen von Einsichtsr­echten. Das Recht auf Akteneinsi­cht wird durch diese bürokratis­che Vorgangswe­ise unnötig erschwert. – Das kann die österreich­ische Justiz besser!

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