Elektronische Akteneinsicht – zwei Schritte vor und einer zurück
Man glaubt es kaum. – Aber Österreich war ein Vorreiter bei elektronischen Anwendungen in der Justiz. Bereits seit Ende der 1970er Jahre gibt es in Österreich ein elektronisches Grundbuch. Auch das elektronische Firmenbuch gibt es schon eine gefühlte Ewigkeit. Die schnelle und kostengünstige Abfrage durch Rechtsanwält:innen ist selbstverständlich. Ebenso läuft der Schriftverkehr zwischen Rechtsanwält:innen und Gerichten seit Jahrzehnten über den elektronischen Rechtsverkehr. Akten werden elektronisch geführt. In diese kann elektronisch Einsicht genommen werden. Mittlerweile gibt es diese Möglichkeit auch in Strafverfahren. Doch genauer hier hakt es (noch) – zumindest in Wien. Während die Akteneinsicht in Zivilverfahren, einmal für den ausgewiesenen Vertreter eingeräumt, für das gesamte Verfahren aufrecht bleibt, bedarf es bei Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien nicht nur eines einmaligen Antrags, sondern ist für jede Akteneinsicht ein neuer Antrag zu stellen. Der sorgfältige Verteidiger müsste daher jeden Tag einen neuen Antrag auf Akteneinsicht stellen um zu prüfen, ob es neue Aktenbestandteile gibt. Das klingt nicht nur nach viel Aufwand, das ist auch viel Aufwand für die Staatsanwaltschaft, aber auch die Rechtsanwält:innen. Dadurch steigen natürlich auch die Kosten der Verteidigung. Dazu muss man wissen, dass das Recht auf Akteneinsicht ein zentrales Verfahrensrecht eines Beschuldigten ist. Es geht bei der Frage der elektronischen Akteneinsicht daher nicht um den Komfort oder die Bequemlichkeit der Rechtsanwält:innen, sondern um ein Verfahrensrecht der Beschuldigten, dies unter Berücksichtigung von gesetzlich normierten Beschränkungen von Einsichtsrechten. Das Recht auf Akteneinsicht wird durch diese bürokratische Vorgangsweise unnötig erschwert. – Das kann die österreichische Justiz besser!