Österreichs neue Handballnormalität
Österreich verpasst gegen Deutschland zwar die historische erste Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris, der Aufschwung in Rot-Weiß-Rot ist aber spürbar wie nie.
Es gibt im Handball einfachere Aufgaben, als auswärts gegen Deutschland und vor 10.000 Fans das Ticket für die Olympischen Spiele zu lösen. Sonntagnachmittag wurde das deutsche Team in Hannover seiner Favoritenrolle gerecht, besiegte Österreich mit 34:31. Am Enden fehlten dem ÖHB-Team vier Tore, um sich zum ersten Mal überhaupt den Traum von den fünf Ringen zu erfüllen. „Wir haben Deutschland 60 Minuten Paroli geboten“, betonte Kapitän Mykola Bilyk.
Da und dort habe eine Parade gefehlt, unterlief ein technischer Fehler zu viel. „Wir können es noch besser“, befand Flügelspieler Sebastian Frimmel. Die „brutale Enttäuschung“war Beleg für das neue Selbstverständnis der Österreicher, das Frimmel so formulierte: „Wir können außer gegen die Top drei der Welt gegen jeden mithalten.“
Seit gut zwei Monaten aber ist in Handball-Österreich nichts mehr wirklich so, wie es einmal war. Bei der Europameisterschaft im Jänner war das ÖHB-Team die Sensation des Turniers, überraschte mit Erfolgen gegen große Handballnationen wie Kroatien, Deutschland und Spanien (jeweils Unentschieden). Den zweifachen Welt- und Europameister Spanien verabschiedete man in der Vorrunde, was einem sportlichen Erdbeben gleichkam.
Die Folge: Ein erstaunliches Medienecho und ein stark wachsender Fanzuspruch. Zeitungen waren plötzlich voll mit Artikeln über Handball. Nicht nur in Deutschland, Dänemark oder Frankreich, wo das dem Normalzustand entspricht, sondern in Österreich. Der bei der EM herausragende Torhüter Constantin Möstl schaffte es sogar als Gast in die „ZiB 2“zu Armin Wolf. Ein wahrer Ritterschlag. Im TV zeigte die Kurve steil nach oben. Verfolgten das Auftaktspiel der Österreicher gegen Rumänien im Schnitt noch 91.000 Zuseher, waren es in der Hauptrunde gegen Deutschland gleich sechs Mal so viele, in der Spitze sogar 725.000 Zuseher. Der ORF vermeldete einen neuen Quotenrekord für Handball.
Österreichs Hürden
Das gestiegene Interesse spürte auch der Verband. Noch während des Turniers lancierte der ÖHB eine Onlinekampagne. Auf Instagram lachten den Nutzern Lukas Hutecek, Mykola Bilyk und Constantin Möstl entgegen. Die Gesichter des Erfolgs waren jetzt nicht mehr nur noch Handball-Insidern, sondern einer breiteren Masse bekannt. Die junge Zielgruppe fühlte sich angesprochen. Bei Vereinsobmännern läutete nun sehr viel häufiger das Telefon. Mancherorts überstieg die Nachfrage sogar das Angebot.
In Oberösterreich, Niederösterreich und Wien mussten Kinder teilweise wieder nach Hause geschickt werden, weil es an Ressourcen und Trainingshallen fehle, erklärte Sportdirektor Patrick Fölser dieser Tage in Hannover der „Presse“. Ein Dilemma, das die Leiden des österreichischen Sports schonungslos offenlegt und zugleich als Auftrag an die Politik verstanden werden darf. So könnten nicht nur dem Handball Talente verloren gehen, sondern Kinder dem Sport im schlimmsten Fall gänzlich den Rücken kehren. Der ÖHB hat es sich zur Aufgabe gemacht, Handball niederschwelliger und flächendeckender anzubieten. Speziell Salzburg und das Burgenland seien dahingehend laut Fölser noch „dunkle Flecken“, Handball noch zu sehr ein lokales Phänomen in Österreich. Ein Blick auf die Zusammensetzung der höchsten Spielklasse, der HLA, bestätigt das. Die zwölf teilnehmenden Vereine kommen aus sechs Bundesländern. Tirol, Salzburg und das Burgenland sind nicht vertreten.
Ein neues Schmuckstück
Von einer echten sportlichen Heimat, einem Kompetenzzentrum, wie es etwa der Fußballbund ÖFB nach Jahren des politischen Ringens in Aspern erhält, kann der ÖHB nur träumen. Aber immerhin: Dort, wo einst das Ferry-DusikaStadion stand, wird bis 2025 die multifunktionale Sport Arena Wien mit einem Fassungsvermögen von 3000 Zuschauern eröffnet. Sie dient dem Verband künftig als Austragungsstätte für Länderspiele.
Die WM-Qualifikation gegen Georgien (Heimspiel am 12. Mai) wird noch in der Kagraner StefflArena gespielt. Dann können Österreichs Handballer ein nächstes Highlight setzen. „Wir wollen keine Eintagsfliege sein“, sagt Sebastian Frimmel.
‘‘ Wir wollen keine Eintagsfliege sein. Damit der Hype nicht verloren geht, müssen wir stetig Leistung zeigen. Teamspieler Sebastian Frimmel über den Handballaufschwung