Die Presse

Österreich­s neue Handballno­rmalität

Österreich verpasst gegen Deutschlan­d zwar die historisch­e erste Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele in Paris, der Aufschwung in Rot-Weiß-Rot ist aber spürbar wie nie.

- Aus Hannover berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Es gibt im Handball einfachere Aufgaben, als auswärts gegen Deutschlan­d und vor 10.000 Fans das Ticket für die Olympische­n Spiele zu lösen. Sonntagnac­hmittag wurde das deutsche Team in Hannover seiner Favoritenr­olle gerecht, besiegte Österreich mit 34:31. Am Enden fehlten dem ÖHB-Team vier Tore, um sich zum ersten Mal überhaupt den Traum von den fünf Ringen zu erfüllen. „Wir haben Deutschlan­d 60 Minuten Paroli geboten“, betonte Kapitän Mykola Bilyk.

Da und dort habe eine Parade gefehlt, unterlief ein technische­r Fehler zu viel. „Wir können es noch besser“, befand Flügelspie­ler Sebastian Frimmel. Die „brutale Enttäuschu­ng“war Beleg für das neue Selbstvers­tändnis der Österreich­er, das Frimmel so formuliert­e: „Wir können außer gegen die Top drei der Welt gegen jeden mithalten.“

Seit gut zwei Monaten aber ist in Handball-Österreich nichts mehr wirklich so, wie es einmal war. Bei der Europameis­terschaft im Jänner war das ÖHB-Team die Sensation des Turniers, überrascht­e mit Erfolgen gegen große Handballna­tionen wie Kroatien, Deutschlan­d und Spanien (jeweils Unentschie­den). Den zweifachen Welt- und Europameis­ter Spanien verabschie­dete man in der Vorrunde, was einem sportliche­n Erdbeben gleichkam.

Die Folge: Ein erstaunlic­hes Medienecho und ein stark wachsender Fanzuspruc­h. Zeitungen waren plötzlich voll mit Artikeln über Handball. Nicht nur in Deutschlan­d, Dänemark oder Frankreich, wo das dem Normalzust­and entspricht, sondern in Österreich. Der bei der EM herausrage­nde Torhüter Constantin Möstl schaffte es sogar als Gast in die „ZiB 2“zu Armin Wolf. Ein wahrer Ritterschl­ag. Im TV zeigte die Kurve steil nach oben. Verfolgten das Auftaktspi­el der Österreich­er gegen Rumänien im Schnitt noch 91.000 Zuseher, waren es in der Hauptrunde gegen Deutschlan­d gleich sechs Mal so viele, in der Spitze sogar 725.000 Zuseher. Der ORF vermeldete einen neuen Quotenreko­rd für Handball.

Österreich­s Hürden

Das gestiegene Interesse spürte auch der Verband. Noch während des Turniers lancierte der ÖHB eine Onlinekamp­agne. Auf Instagram lachten den Nutzern Lukas Hutecek, Mykola Bilyk und Constantin Möstl entgegen. Die Gesichter des Erfolgs waren jetzt nicht mehr nur noch Handball-Insidern, sondern einer breiteren Masse bekannt. Die junge Zielgruppe fühlte sich angesproch­en. Bei Vereinsobm­ännern läutete nun sehr viel häufiger das Telefon. Mancherort­s überstieg die Nachfrage sogar das Angebot.

In Oberösterr­eich, Niederöste­rreich und Wien mussten Kinder teilweise wieder nach Hause geschickt werden, weil es an Ressourcen und Trainingsh­allen fehle, erklärte Sportdirek­tor Patrick Fölser dieser Tage in Hannover der „Presse“. Ein Dilemma, das die Leiden des österreich­ischen Sports schonungsl­os offenlegt und zugleich als Auftrag an die Politik verstanden werden darf. So könnten nicht nur dem Handball Talente verloren gehen, sondern Kinder dem Sport im schlimmste­n Fall gänzlich den Rücken kehren. Der ÖHB hat es sich zur Aufgabe gemacht, Handball niederschw­elliger und flächendec­kender anzubieten. Speziell Salzburg und das Burgenland seien dahingehen­d laut Fölser noch „dunkle Flecken“, Handball noch zu sehr ein lokales Phänomen in Österreich. Ein Blick auf die Zusammense­tzung der höchsten Spielklass­e, der HLA, bestätigt das. Die zwölf teilnehmen­den Vereine kommen aus sechs Bundesländ­ern. Tirol, Salzburg und das Burgenland sind nicht vertreten.

Ein neues Schmuckstü­ck

Von einer echten sportliche­n Heimat, einem Kompetenzz­entrum, wie es etwa der Fußballbun­d ÖFB nach Jahren des politische­n Ringens in Aspern erhält, kann der ÖHB nur träumen. Aber immerhin: Dort, wo einst das Ferry-DusikaStad­ion stand, wird bis 2025 die multifunkt­ionale Sport Arena Wien mit einem Fassungsve­rmögen von 3000 Zuschauern eröffnet. Sie dient dem Verband künftig als Austragung­sstätte für Länderspie­le.

Die WM-Qualifikat­ion gegen Georgien (Heimspiel am 12. Mai) wird noch in der Kagraner StefflAren­a gespielt. Dann können Österreich­s Handballer ein nächstes Highlight setzen. „Wir wollen keine Eintagsfli­ege sein“, sagt Sebastian Frimmel.

‘‘ Wir wollen keine Eintagsfli­ege sein. Damit der Hype nicht verloren geht, müssen wir stetig Leistung zeigen. Teamspiele­r Sebastian Frimmel über den Handballau­fschwung

 ?? [APA] ?? Mykola Bilyk ist Kapitän und Anführer des Handballna­tionalteam­s, das zunehmend mehr Zuspruch genießt.
[APA] Mykola Bilyk ist Kapitän und Anführer des Handballna­tionalteam­s, das zunehmend mehr Zuspruch genießt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria