Von Riesen und Zwergen
Die Historiker Michaela und Karl Vocelka haben einen historischen Krimi geschrieben, in dem nach dem Stein der Weisen gesucht wird.
Hast du das Passwort?“Diese Frage bringt den Icherzähler Casaubon von Umberto Ecos Roman „Das Foucaultsche Pendel“zur Verzweiflung. Es ist der Computer seines verschwundenen Kollegen, der zu knacken ist. Irgendwann gibt Casaubon auf und tippt erzürnt: Nein. Siehe da, er ist drin.
Auf ähnlich unerwartete und letztlich pragmatische Weise gelangt der Ermittler in dem historischen Krimi „Der Bezoar“, Matthias Gaiswinkler, an wichtige Informationen, als er versucht, ein Geheimfach zu öffnen. Und wie in Ecos Roman geht es auch hier um Okkultes und Geheimwissen und einer der Autoren des Duos ist eine Art Universalgelehrter, nämlich Karl Vocelka, der lang an der Universität Wien zur frühen Neuzeit geforscht hat, auch im außereuropäischen Bereich. Er hat sich mit den Osmanen befasst und sogar Türkisch gelernt. Gemeinsam mit seiner Frau, Michaela, ebenfalls Historikerin, hat er nun bei Ueberreuter den historischen Krimi „Der Bezoar“publiziert, der im Dunstkreis um Rudolf II. angesiedelt ist. Die Ausseer Christoph Praunfalk und Matthias Gaiswinkler reisen nach Prag an den Hof, um Angelegenheiten der Salzgewinnung zu klären. Sie sind beide für die Saline zuständig. Dort aber werden sie in ein Mordkomplott verwickelt, im Zuge dessen dann auch ein Hofzwerg getötet wird, und der Kaiser beauftragt Gaiswinkler, die Sache aufzuklären.
Michaela Vocelka hat nicht nur Geschichte, sondern auch Kunstgeschichte studiert, was sich im Text widerspiegelt. Dann war sie lang im Archiv von Simon Wiesenthal. Im Jahr 2016 hat sie sich selbstständig gemacht, ist jetzt freiberufliche Historikerin, hat auch Ausstellungen kuratiert und schreibt Bücher, etwa eine erfolgreiche Biografie über Franz Joseph gemeinsam mit ihrem Mann. Der Krimi aber ist ihr erstes belletristisches Werk. Karl Vocelka hat in Germanistik promoviert, Geschichte war damals noch Nebenfach, dann aber kam er an das Institut für Österreichische Geschichtsforschung und blieb dort über vierzig Jahre. „Viele machen ein Thema ein Leben lang“, sagt er, „ich mache viele Themen ein Leben lang.“Das sei heute kaum mehr üblich.
In Schüben schwieriger geworden
Für den Roman musste noch viel zusätzlich recherchiert werden, denn die historischen Gegebenheiten stimmen. Da müsse man auch flexibel sein. Etwa wenn es um Persönlichkeiten geht, die sie hätten einbauen wollen, „aber gerade, als sie für uns interessant waren, sind sie gestorben“, sagt Karl Vocelka. Beide hat vor allem der kulturgeschichtliche Aspekt fasziniert. Eine Schwierigkeit war etwa die Sprache. „Man hat ja immer schriftliche Quellen“, sagt Michaela Vocelka, „aber wie haben die Menschen im Alltag miteinander gesprochen?“Um zu vermeiden, dass Ausdrücke verwendet werden, die es damals noch nicht gegeben hat, haben sie das „Frühneuhochdeutsche Wörterbuch“zurate gezogen. Schwierig sei auch gewesen, dass manche Wörter heute nicht mehr verwendet werden sollen, etwa der „Zwerg“. Aber so hat man kleinwüchsige Menschen damals genannt.
Schon Grillparzer hat Rudolf II. in seinem „Bruderzwist in Habsburg“als einen Kaiser gezeichnet, der träge und unwillig war zu regieren. In manchen Romanen werde er als komplett unfähig dargestellt, sagt Michaela Vocelka. Das wollten beide nicht, es sollte anklingen, dass Rudolf schwierig war, aber ihnen ging es darum, sich dieser Figur neutral zu nähern. Karl Vocelka ergänzt : In Schüben sei Rudolf immer misstrauischer geworden und habe die Politik links liegen lassen. Aber er hat die Wissenschaft gefördert, eine große Sammlung angelegt und daneben an Goldmacherei und Esoterik geglaubt. Diese Vielfalt der Ideen – „das macht ihn sehr spannend“, sagt Karl Vocelka.
Ein Roman – zwei Autoren
Wie schreibt man zu zweit einen Roman? Es gibt eine Rollenverteilung. „Karl ist sehr gut darin, zu skizzieren und ein Grundgerüst zu machen, ich bin dann diejenige, die herummalt.“Das Grundgerüst wurde stets angepasst, sogar der Mörder, der ursprünglich vorgesehen war, wurde geändert.
In den späten 1970er-Jahren hat Karl Vocelka mit dem Schreiben begonnen. Dann kam das Leben dazwischen, wissenschaftliche Projekte und Publikationen. Vor etwa eineinhalb Jahren wurde das Fragment hervorgeholt und vollkommen überarbeitet. Jetzt ist das Buch erschienen.
„Auf den Schultern von Riesen“, heißt eines der letzten Bücher von Umberto Eco. Karl und Michaela Vocelka scheinen sich dort wohlzufühlen. Es gibt schon Pläne für eine Fortsetzung.