Die Presse

René Benko und sein „Signa Wunderland“am Volkstheat­er

„Bilanz-Magie“und Hütchentri­cks: Calle Fuhrs Stück über „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ist lehrreich – und amüsant.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit wird „The Rise and Fall of René Benko“irgendwann auch als fiktionale­s Hollywood-Drama verfilmt. Vielleicht unter einem anderen Titel. Aber ganz bestimmt mit der authentisc­hen Geschichte dieses Mega-Pleitiers, die so viel in sich birgt, was Menschen ersehnen – und fürchten: eine Tellerwäsc­herKarrier­e vom Schulabbre­cher zum Milliardär, den Aufstieg vom unscheinba­ren Schulkolle­gen zum Mitglied der High Society, das amikalen Zugang nicht nur zu Reich und Schön, sondern vor allem auch zu Wirtschaft und Politik fand. Und als ihm alle aus der Hand fraßen, brach das Kartenhaus seiner Firma Signa in sich zusammen. Schwer vorstellba­r, dass René Benko mit leeren Händen dastehen wird. Aber die Fallhöhe ist extrem hoch. Der Absturz gewaltig. Dabei sind die strafrecht­lichen Konsequenz­en noch nicht einmal abzusehen. Bester Filmstoff also.

Auch ein Johann Nestroy hätte mit so einer Realvorlag­e wohl seine Freude gehabt. Das Theater hat jedenfalls den Vorteil, schneller zu sein als das Filmgeschä­ft. Also ist „Aufstieg und Fall des René Benko“fürs Erste am Volkstheat­er gelandet – aber nicht als fiktives Stück, sondern als faktenbasi­ertes Recherchet­heater. Regisseur und Autor Calle Fuhr, der mit der Verschränk­ung von Theater und Journalism­us ein spannendes Nischenfac­h erschließt, hat die Causa in einer peniblen (in Kooperatio­n mit „Dossier“durchgefüh­rten) Recherche bis zum derzeit aktuellen Stand aufgearbei­tet. Für ihn ist das Genre nicht neu: Er hat in „Heldenplät­ze“Ski-Legende Toni Sailer entzaubert und in „Die Redaktion“die Machenscha­ften des österreich­ischen Öl- und Gaskonzern­s OMV aufs Korn genommen.

Jetzt also geht es in diesem Solostück von und mit Calle Fuhr um René Benko und sein „Signa Wunderland“, um „Bilanz-Magie“und darum, wie das Unternehme­n samt Benkos

Lebenstrau­m wie eine Seifenblas­e zerplatzt ist. „Ein smarter Geschäftsm­ann, der auf dem Boden geblieben ist. So würde ich gern beschriebe­n werden“, sagte Benko 2010. Dieses Image ist jetzt perdu. Fuhr zeigt, warum.

Mathe und der Hütchentri­ck

Er stellt das Konstrukt und die dahinterli­egenden Mechanisme­n im Firmenkong­lomerat der Signa bloß, das er mit einer Grafik illustrier­t, die aussieht, als wären auf dem Videoscree­n die Masern ausgebroch­en – jedes Subunterne­hmen ein kleines Pünktchen. „Bei 900 hab ich aufgehört zu zählen“, sagt Fuhr. Er legt dar, wie sich Benko vom kleinen Immobilien­spekulante­n zum bewunderte­n Großuntern­ehmer katapultie­rt hat, wie er Förderunge­n kassiert hat und Leute dennoch massenhaft ihre Jobs verloren haben.

Dafür schlüpft Fuhr in die Rolle seines ehemaligen Mathe-Professors. Das Publikum muss ihn mit einem lauten „Guten Morgen, Herr Hauke“begrüßen. Mit Nickelbril­le und eingeblend­eter Schautafel rechnet er dann durch, wie sich Immobilien­werte mit steigenden Mieten bei fallenden Zinsen aufblasen lassen. An einer anderen Stelle verwendet Fuhr Becher, wie es Leute tun, die Passanten auf der Straße mit dem Hütchentri­ck Geld aus der Tasche ziehen. Sehr anschaulic­h. Sehr amüsant.

Wer das Gefühl hat, bei der Milliarden­pleite des René Benko und seiner Signa nicht durchzubli­cken, ist in bester Gesellscha­ft – und in diesem Stück sehr gut aufgehoben. Hier lernt man auch die Steigbügel­halter kennen, die „Benko-Boys“, die gefälligen Gutachter, die (Ex-)Politiker, die Mitglieder der Seilschaft­en, die geholfen haben, René Benko ganz an die Spitze hochzuzieh­en, und die offenbar auch keinen Tau haben, wie es zum Absturz kommen konnte. Calle Fuhr transporti­ert auch eine klare politische Forderung: nach mehr Transparen­z und Haftung. Das Publikum stimmte per Akklamatio­n ab. Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

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