René Benko und sein „Signa Wunderland“am Volkstheater
„Bilanz-Magie“und Hütchentricks: Calle Fuhrs Stück über „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ist lehrreich – und amüsant.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird „The Rise and Fall of René Benko“irgendwann auch als fiktionales Hollywood-Drama verfilmt. Vielleicht unter einem anderen Titel. Aber ganz bestimmt mit der authentischen Geschichte dieses Mega-Pleitiers, die so viel in sich birgt, was Menschen ersehnen – und fürchten: eine TellerwäscherKarriere vom Schulabbrecher zum Milliardär, den Aufstieg vom unscheinbaren Schulkollegen zum Mitglied der High Society, das amikalen Zugang nicht nur zu Reich und Schön, sondern vor allem auch zu Wirtschaft und Politik fand. Und als ihm alle aus der Hand fraßen, brach das Kartenhaus seiner Firma Signa in sich zusammen. Schwer vorstellbar, dass René Benko mit leeren Händen dastehen wird. Aber die Fallhöhe ist extrem hoch. Der Absturz gewaltig. Dabei sind die strafrechtlichen Konsequenzen noch nicht einmal abzusehen. Bester Filmstoff also.
Auch ein Johann Nestroy hätte mit so einer Realvorlage wohl seine Freude gehabt. Das Theater hat jedenfalls den Vorteil, schneller zu sein als das Filmgeschäft. Also ist „Aufstieg und Fall des René Benko“fürs Erste am Volkstheater gelandet – aber nicht als fiktives Stück, sondern als faktenbasiertes Recherchetheater. Regisseur und Autor Calle Fuhr, der mit der Verschränkung von Theater und Journalismus ein spannendes Nischenfach erschließt, hat die Causa in einer peniblen (in Kooperation mit „Dossier“durchgeführten) Recherche bis zum derzeit aktuellen Stand aufgearbeitet. Für ihn ist das Genre nicht neu: Er hat in „Heldenplätze“Ski-Legende Toni Sailer entzaubert und in „Die Redaktion“die Machenschaften des österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV aufs Korn genommen.
Jetzt also geht es in diesem Solostück von und mit Calle Fuhr um René Benko und sein „Signa Wunderland“, um „Bilanz-Magie“und darum, wie das Unternehmen samt Benkos
Lebenstraum wie eine Seifenblase zerplatzt ist. „Ein smarter Geschäftsmann, der auf dem Boden geblieben ist. So würde ich gern beschrieben werden“, sagte Benko 2010. Dieses Image ist jetzt perdu. Fuhr zeigt, warum.
Mathe und der Hütchentrick
Er stellt das Konstrukt und die dahinterliegenden Mechanismen im Firmenkonglomerat der Signa bloß, das er mit einer Grafik illustriert, die aussieht, als wären auf dem Videoscreen die Masern ausgebrochen – jedes Subunternehmen ein kleines Pünktchen. „Bei 900 hab ich aufgehört zu zählen“, sagt Fuhr. Er legt dar, wie sich Benko vom kleinen Immobilienspekulanten zum bewunderten Großunternehmer katapultiert hat, wie er Förderungen kassiert hat und Leute dennoch massenhaft ihre Jobs verloren haben.
Dafür schlüpft Fuhr in die Rolle seines ehemaligen Mathe-Professors. Das Publikum muss ihn mit einem lauten „Guten Morgen, Herr Hauke“begrüßen. Mit Nickelbrille und eingeblendeter Schautafel rechnet er dann durch, wie sich Immobilienwerte mit steigenden Mieten bei fallenden Zinsen aufblasen lassen. An einer anderen Stelle verwendet Fuhr Becher, wie es Leute tun, die Passanten auf der Straße mit dem Hütchentrick Geld aus der Tasche ziehen. Sehr anschaulich. Sehr amüsant.
Wer das Gefühl hat, bei der Milliardenpleite des René Benko und seiner Signa nicht durchzublicken, ist in bester Gesellschaft – und in diesem Stück sehr gut aufgehoben. Hier lernt man auch die Steigbügelhalter kennen, die „Benko-Boys“, die gefälligen Gutachter, die (Ex-)Politiker, die Mitglieder der Seilschaften, die geholfen haben, René Benko ganz an die Spitze hochzuziehen, und die offenbar auch keinen Tau haben, wie es zum Absturz kommen konnte. Calle Fuhr transportiert auch eine klare politische Forderung: nach mehr Transparenz und Haftung. Das Publikum stimmte per Akklamation ab. Antrag mit großer Mehrheit angenommen.