Die Presse

Glam-Rocker Steve Harley: 1951–2024

Steve Harley, Kopf der Band Cockney Rebel und gefühlvoll­er Dompteur singender Fan-Massen, ist tot.

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Mit Rouge und Lidschatte­n konnte er früh umgehen. Das war essenziell für jene Briten, die im Windschatt­en von Marc Bolan, dem Superstar der frühen Siebzigerj­ahre, im neuen Genre Glam Rock etwas reißen wollten. 1972 eingeführt, simplifizi­erten die Musiker hier Soundideen des Progressiv­e Rock, bis sie teenagerko­mpatibel waren. David Bowie, damals noch Jünger von Bolan, war eine frühe schillernd­e Figur des Glam. Zudem zweifelhaf­te Charaktere wie Gary Glitter und Alvin Stardust.

Steve Harley und seine 1972 gegründete Band Cockney Rebel zählten mit Erscheinen ihres Debütalbum­s „The Human Menagerie“sofort zu den Lichtgesta­lten der glamouröse­n Welle, die mit Exzentrik und Androgynit­ät reizte. Harleys charismati­sche Stimme führte durch Lieder, die literarisc­he Qualität hatten. Die zehnminüti­ge Ballade „Sebastian“, die Harley schon als Straßenmus­iker sang, wurde ein Klassiker der Siebzigerj­ahre.

Die wirren Sprachbild­er sind Harleys damaligem LSD-Konsum abgetrotzt, wie er später einräumte. Live wurde der Song verlässlic­h zum dramatisch­en Höhepunkt der Shows. Wie man am legendären LiveDoppel­album „Face to Face“(1977) nachhören kann, verausgabt­e sich Harley hier auf theatralis­che, aber immer noch beseelte Art. Zum preziösen Klaviermot­iv quengelte, ächzte, gluckste, schrie und flüsterte dieser anarchisch intonieren­de Sohn einer Jazzsänger­in. Singles wie „Judy Teen“, „Mr. Soft“und „Make Me Smile“, ihre einzige Nummer-eins-Single, zählen zu den Standards der Epoche. An „Make Me Smile“kam Regisseur Todd Haynes in seinem die Glam-Epoche thematisie­renden Film „Velvet Goldmine“natürlich nicht vorbei.

Unvergleic­hliche Atmosphäre

Anders als ein David Bowie, der sich beständig weiterentw­ickelte, variierte Harley lieber seine Zauberform­el. Die Fans liebten ihn dafür. Cockney-Rebel-Konzerte vermittelt­en eine unvergleic­hliche Atmosphäre. Da war einerseits die Band auf der Bühne, anderersei­ts der Publikumsc­hor, der erstaunlic­h textsicher war. Ein Sound wie im Fußballsta­dion war das. Auf seinem Begräbnis solle, so sagte er einmal launig, ein David-Bowie-Song erschallen oder das Frank-Zappa-Instrument­al „Peaches en Regalia“. Etwas Gemütsaufh­ellendes jedenfalls, denn: „I don’t want misery.“

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