Der überlange Arm der US-Behörden
Raiffeisen Bank International: Die Intervention einer außereuropäischen Behörde ist nicht nur rechtlich, sondern auch souveränitätspolitisch bedenklich.
Die amerikanische Behörde für Finanzkriminalität Ofac stattete vor ein paar Tagen der RBI einen Besuch ab. Thema waren die Geschäfte des österreichischen Unternehmens im Osten Europas, insbesondere in Russland. Die Amerikaner pochen auf die Einhaltung ihrer Sanktionen. Spitzenmanager der RBI werden zusätzlich zum Rapport nach Washington zitiert. Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch zwischen einer außereuropäischen Behörde und der RBI gibt es keine. Als Drohung steht der Ausschluss vom Dollar-Zahlungsverkehr durch das US-Finanzministerium im Raum. Das wäre schmerzhaft.
Die RBI ist eine börsenotierte Bank, die seit 30 Jahren in ganz Osteuropa tätig ist. Das war nicht nur wirtschaftliche Aufbauarbeit. Das war auch ein Beitrag zur friedlichen Koexistenz. Kriege sollen andere führen. Wir heiraten lieber und machen Geschäfte. Das liegt in der österreichischen DNA. Nunmehr ist die RBI in den Strudel der Sekundärwirkungen des Krieges geraten. Dabei vollzieht sie einen Drahtseilakt zwischen den Ansprüchen der USA und dem österreichischen Banken-, Börsen- und Aktienrecht. Für die RBI geht es um viel Geld. Die Aktie fällt. Dass sich die Bank den tatsächlichen Machtgefügen beugt, ist zu verstehen. Der Informationsaustausch folgt der Politik, nicht dem Recht.
Die Intervention einer außereuropäischen Behörde ist nicht nur rechtlich, sondern auch souveränitätspolitisch bedenklich. Für die Einhaltung von Sanktionen durch ein österreichisches Unternehmen sind österreichische und europäische Behörden zuständig. Die Mitgliedschaft in der EU hat ihren Sinn auch darin, dass man in der Gemeinschaft von europäischen Staaten besser geschützt ist. Die EU ist als Institution auch dazu da, um als Gegenmacht gegenüber den Groß- und Wirtschaftsmächten wie den USA und China zu fungieren. Kann die EU diese Funktion nicht erfüllen, verliert sie an Legitimität und bietet nationalistischen Fraktionen Angriffsflächen.
Wir kennen die tatsächlichen Machtverhältnisse. Die USA drängen Großbritannien nicht nur auf die Auslieferung des australischen Investigativjournalisten Julian Assange. Auch den österreichischen Banker Peter Weinzierl haben die USA im Visier ihrer strafrechtlichen Allzuständigkeit und lassen Österreich ihre Macht spüren. Vielleicht denkt man auch an eine Retourkutsche. Die geopolitische Trittbrettfahrerei der Republik wird im Ausland zuweilen ganz anders wahrgenommen als bei den Liebhabern der immerwährenden Neutralität.
Je nach der geografischen Lage und den geopolitischen Interessen wird es immer wieder Gegenden auf dieser Welt geben, die man mehr durch die moralische oder mehr durch die pragmatische Brille sieht. Wir sehen den Osten Europas pragmatischer, die USA sehen einen arabischen Ölstaat pragmatischer. Das ist okay.
Die Demokratien sind noch immer eine Minderheitsveranstaltung auf diesem Planeten. Daher sollte sich ein demokratisches Land nicht als Gouvernante über ein Unternehmen eines anderen demokratischen Landes aufspielen. Wir tun es auch nicht. Liebe amerikanische Behörden, untersucht die USA und lasst die europäischen Behörden die Arbeit in Europa tun. So will es das Interventionsverbot des Völkerrechts, das wir doch alle so schätzen.
Dr. Georg Vetter (*1962) ist Anwalt und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Er war Mitglied des Team Stronach, wechselte 2015 in den Parlamentsklub der ÖVP und schied 2017 endgültig aus dem Nationalrat aus. E-Mails an: debatte@diepresse.com