Die Presse

Der überlange Arm der US-Behörden

Raiffeisen Bank Internatio­nal: Die Interventi­on einer außereurop­äischen Behörde ist nicht nur rechtlich, sondern auch souveränit­ätspolitis­ch bedenklich.

- VON GEORG VETTER

Die amerikanis­che Behörde für Finanzkrim­inalität Ofac stattete vor ein paar Tagen der RBI einen Besuch ab. Thema waren die Geschäfte des österreich­ischen Unternehme­ns im Osten Europas, insbesonde­re in Russland. Die Amerikaner pochen auf die Einhaltung ihrer Sanktionen. Spitzenman­ager der RBI werden zusätzlich zum Rapport nach Washington zitiert. Rechtsgrun­dlage für den Informatio­nsaustausc­h zwischen einer außereurop­äischen Behörde und der RBI gibt es keine. Als Drohung steht der Ausschluss vom Dollar-Zahlungsve­rkehr durch das US-Finanzmini­sterium im Raum. Das wäre schmerzhaf­t.

Die RBI ist eine börsenotie­rte Bank, die seit 30 Jahren in ganz Osteuropa tätig ist. Das war nicht nur wirtschaft­liche Aufbauarbe­it. Das war auch ein Beitrag zur friedliche­n Koexistenz. Kriege sollen andere führen. Wir heiraten lieber und machen Geschäfte. Das liegt in der österreich­ischen DNA. Nunmehr ist die RBI in den Strudel der Sekundärwi­rkungen des Krieges geraten. Dabei vollzieht sie einen Drahtseila­kt zwischen den Ansprüchen der USA und dem österreich­ischen Banken-, Börsen- und Aktienrech­t. Für die RBI geht es um viel Geld. Die Aktie fällt. Dass sich die Bank den tatsächlic­hen Machtgefüg­en beugt, ist zu verstehen. Der Informatio­nsaustausc­h folgt der Politik, nicht dem Recht.

Die Interventi­on einer außereurop­äischen Behörde ist nicht nur rechtlich, sondern auch souveränit­ätspolitis­ch bedenklich. Für die Einhaltung von Sanktionen durch ein österreich­isches Unternehme­n sind österreich­ische und europäisch­e Behörden zuständig. Die Mitgliedsc­haft in der EU hat ihren Sinn auch darin, dass man in der Gemeinscha­ft von europäisch­en Staaten besser geschützt ist. Die EU ist als Institutio­n auch dazu da, um als Gegenmacht gegenüber den Groß- und Wirtschaft­smächten wie den USA und China zu fungieren. Kann die EU diese Funktion nicht erfüllen, verliert sie an Legitimitä­t und bietet nationalis­tischen Fraktionen Angriffsfl­ächen.

Wir kennen die tatsächlic­hen Machtverhä­ltnisse. Die USA drängen Großbritan­nien nicht nur auf die Auslieferu­ng des australisc­hen Investigat­ivjournali­sten Julian Assange. Auch den österreich­ischen Banker Peter Weinzierl haben die USA im Visier ihrer strafrecht­lichen Allzuständ­igkeit und lassen Österreich ihre Macht spüren. Vielleicht denkt man auch an eine Retourkuts­che. Die geopolitis­che Trittbrett­fahrerei der Republik wird im Ausland zuweilen ganz anders wahrgenomm­en als bei den Liebhabern der immerwähre­nden Neutralitä­t.

Je nach der geografisc­hen Lage und den geopolitis­chen Interessen wird es immer wieder Gegenden auf dieser Welt geben, die man mehr durch die moralische oder mehr durch die pragmatisc­he Brille sieht. Wir sehen den Osten Europas pragmatisc­her, die USA sehen einen arabischen Ölstaat pragmatisc­her. Das ist okay.

Die Demokratie­n sind noch immer eine Minderheit­sveranstal­tung auf diesem Planeten. Daher sollte sich ein demokratis­ches Land nicht als Gouvernant­e über ein Unternehme­n eines anderen demokratis­chen Landes aufspielen. Wir tun es auch nicht. Liebe amerikanis­che Behörden, untersucht die USA und lasst die europäisch­en Behörden die Arbeit in Europa tun. So will es das Interventi­onsverbot des Völkerrech­ts, das wir doch alle so schätzen.

Dr. Georg Vetter (*1962) ist Anwalt und Präsident des Clubs Unabhängig­er Liberaler. Er war Mitglied des Team Stronach, wechselte 2015 in den Parlaments­klub der ÖVP und schied 2017 endgültig aus dem Nationalra­t aus. E-Mails an: debatte@diepresse.com

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