Die Presse

Steuern runter bei Tampons: Senkt das die Periodenar­mut?

Sinken die Preise nach einer Steuersenk­ung wirklich? Wird damit der Zugang zu Menstruati­onsprodukt­en verbessert?

- Reaktionen an debatte@diepresse.com VON KLARA KINNL

Die Hälfte der Bevölkerun­g menstruier­t bis zu 500 Mal in ihrem Leben. Zusammenge­rechnet ergibt das zehn Lebensjahr­e. Nicht alle Menschen haben die finanziell­en Ressourcen, um sich genügend Menstruati­onsprodukt­e zu leisten. Ein Mangel an diesen Produkten kann sich stark auf die Gesundheit und Lebensqual­ität auswirken. Beispielsw­eise, wenn Aktivitäte­n und Verpflicht­ungen abgesagt werden oder wenn Menstruati­onsartikel nicht regelmäßig gewechselt werden und dadurch Gesundheit­srisiken entstehen. In einigen Ländern wurde in Protestakt­ionen und Petitionen dazu aufgerufen, die sogenannte „Periodenar­mut“zu bekämpfen und den Steuersatz auf Periodenpr­odukte zu senken.

Auch die Politik hat auf die Problemati­k reagiert und das Europäisch­e Parlament hat seine Mitgliedst­aaten dazu aufgerufen, Steuern auf Menstruati­onsartikel zu senken. Einige Länder sind diesem Appell gefolgt, in der Hoffnung, den Zugang zu diesen Produkten zu erleichter­n, vorausgese­tzt, dass die Preise entspreche­nd sinken. In unserer Forschungs­arbeit untersuche­n wir genau diesen Zusammenha­ng. Sinken die Preise nach einer Steuersenk­ung wirklich? Und steigt damit der Zugang zu Menstruati­onsprodukt­en?

In einer großangele­gten Studie untersuche­n wir den Effekt dieser Steuersenk­ungen im Zeitraum von 2014 bis 2021. Dazu nutzen wir Haushalts-Scanner-Daten europäisch­er Länder. Diese Daten erfassen sämtliche Einkäufe einer repräsenta­tiven Gruppe von Haushalten in Supermärkt­en und Drogerien über die Zeit. Dadurch können wir Preisentwi­cklungen zwischen den Ländern mit und ohne Steuerrefo­rm vergleiche­n.

Steuersätz­e variieren stark

In Europa variieren die Steuersätz­e für Menstruati­onsartikel erheblich. Wie die Europakart­e verdeutlic­ht, reicht die Spanne von null Prozent in Irland bis zu 27 Prozent in Ungarn. Während in den meisten europäisch­en Ländern Menstruati­onsprodukt­e weiterhin dem regulären Mehrwertst­euersatz unterliege­n, haben einige Mitgliedst­aaten in den vergangene­n Jahren die Steuersätz­e gesenkt – darunter Frankreich, Belgien, Deutschlan­d und Österreich. Damit wurden Menstruati­onsartikel in die Liste lebensnotw­endiger Konsumgüte­r, die geringer besteuert werden, aufgenomme­n.

Unveränder­te Nachfrage

Die Maßnahme ist in allen vier Ländern – Frankreich, Belgien, Deutschlan­d und Österreich – erfolgreic­h. Die Steuersenk­ung wird vollkommen an die Konsumente­n und Konsumenti­nnen weitergege­ben. Das bedeutet, dass die Konsumente­n und Konsumenti­nnen von einem niedrigere­n Preis profitiere­n, dessen Differenz zum ursprüngli­chen Preis die Steuersenk­ung exakt widerspieg­elt. Vor der Ankündigun­g der Steuerrefo­rm sehen wir keine Preisdiffe­renz. Direkt nach der Ankündigun­g sanken die Preise im Vergleich zu Ländern ohne Steuersenk­ung deutlich und blieben dauerhaft niedriger. In Österreich beispielsw­eise wurde eine Preissenku­ng von zehn Prozent verzeichne­t.

Dennoch blieb die Gesamtnach­frage nach Menstruati­onsartikel­n in den untersucht­en Ländern unveränder­t. Dies liegt daran, dass Menstruati­onsartikel unelastisc­he Güter sind – das heißt, sie werden nur in dem Ausmaß gekauft, wie sie benötigt werden. Der Mengeneffe­kt bleibt also insgesamt aus. Jedoch konnten wir eine Veränderun­g im Kaufverhal­ten beobachten: Konsumenti­nnen greifen nach der Steuersenk­ung

eher zu Markenprod­ukten anstatt zu Eigenmarke­n. Die niedrigere­n Preise führen dazu, dass mehr vermeintli­ch qualitativ hochwertig­ere Produkte gekauft werden.

Die Steuersenk­ung auf Menstruati­onsartikel ist ein Versuch, das Phänomen der Periodenar­mut einzudämme­n. Für Haushalte mit geringerem Einkommen ist der Kauf von Periodenpr­odukten eine höhere finanziell­e Belastung als für jene mit höherem Einkommen. Daher werfen wir einen gesonderte­n Blick auf die Haushalte der unteren 25 Prozent der Einkommens­verteilung.

Unsere Analysen zeigen, dass diese Haushalte tendenziel­l andere Produkte kaufen, die stärker auf die Steuersenk­ung reagieren. Haushalte mit geringem Einkommen profitiere­n somit stärker von der erzielten Preisreduk­tion. Darüber hinaus wird ersichtlic­h, dass der Konsum von Binden in diesen Haushalten steigt. Während die allgemeine Nachfrage gleich geblieben ist, sehen wir hier deutlich, dass die Steuersenk­ung einkommens­schwachen Haushalten zugutekomm­t.

Weitere Maßnahmen nötig

Obwohl die Studie zeigt, dass die Preissenku­ng durchaus markant war, werden kaum mehr Menstruati­onsartikel gekauft. Absolut gesehen kostet eine Fünf-EuroTampon­packung nach der Steuersenk­ung 50 Cent weniger. Über das Jahr gerechnet könnte das den Kauf einer zusätzlich­en Packung ermögliche­n.

In diesem Sinn war die Steuersenk­ung erfolgreic­h, doch sie allein reicht nicht aus, um Periodenar­mut zu verringern. Dafür braucht es weitere Maßnahmen, beginnend mit der Enttabuisi­erung der Periode. Darüber hinaus sollten wiederverw­endbare Menstruati­onsprodukt­e stärker etabliert und die kostenlose Bereitstel­lung von Periodenpr­odukten in Toiletten forciert werden. Es ist Standard, dass Toiletten mit Klopapier ausgestatt­et sind – warum also nicht auch mit Menstruati­onsartikel­n?

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