Die Knackpunkte im Ringen um Geiseldeal
In Katar findet eine neue Verhandlungsrunde über eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung von Geiseln statt. Was fordert die Hamas? Und wie weit will Israel gehen?
Eine neue Verhandlungsrunde zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas in Katar soll diese Woche den Durchbruch für eine Feuerpause im Gaza-Krieg bringen. Israels Geheimdienstchef, David Barnea, wollte am Montag zu den Gesprächen in die katarische Hauptstadt Doha fliegen. Dass Barnea persönlich die Delegation leitet, sei ein positives Signal, sagt Kristof Kleemann, Projektdirektor der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem, zur „Presse“.
Katar hatte Ende November eine erste Feuerpause in Gaza vermittelt, die eine Woche hielt. Damals wurden 105 Geiseln freigelassen, die beim Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober von den Terroristen verschleppt worden waren; Israel entließ im Gegenzug etwa 240 palästinensische Häftlinge. Rund 100 Geiseln sind noch in der Gewalt der Hamas; 33 weitere Geiseln sind in den Händen der Entführer gestorben.
In Katar wird Barnea dem Hamas-Chef, Ismael Hanijeh, der in Doha lebt, nicht persönlich gegenübersitzen: Vermittler aus Katar, Ägypten und den USA pendeln in Doha zwischen den Israelis und den Hamas-Funktionären. Wie lang die Gespräche dauern werden, ist noch offen.
Ein Überblick über Pläne, Probleme und Positionen:
Der Plan
In Doha wird über einen Dreistufenplan gesprochen, zu dem sich die Hamas vorige Woche geäußert hatte. Demnach soll zunächst eine sechswöchige Feuerpause in Kraft treten. In dieser Zeit will die Hamas 35 Alte, Kranke und Frauen – einschließlich israelischer Soldatinnen – freilassen, während Israel bis zu 700 palästinensische Häftlinge aus seinen Gefängnissen entlassen soll. Zudem sollen sich israelische Soldaten laut Hamas aus Teilen des Gazastreifens zurückziehen, um die Rückkehr vertriebener palästinensischer Zivilisten in den Norden des Gebiets zu ermöglichen. In Phase zwei soll laut Hamas eine unbefristete Waffenruhe folgen. Innerhalb weiterer sechs Wochen will die Hamas die verbleibenden gefangenen israelischen Soldaten freilassen. In Phase drei soll Israel die Abriegelung des Gazastreifens beenden,
damit der Wiederaufbau der zerstörten Gegend beginnen kann.
Die Probleme
Israels Regierung lehnt die Forderung der Hamas nach einem permanenten Waffenstillstand ab. Premier Benjamin Netanjahu halte „nach wie vor am vollständigen Sieg gegen die Hamas fest“, sagt Kleemann von der Friedrich-Naumann-Stiftung. „Die Forderung der Hamas, auch verurteilte Mörder freizulassen und die Kampfhandlungen langfristig einzustellen, wird bei Netanjahus rechten Koalitionspartnern auf großen Widerstand stoßen.“Unterhändler aus Katar, Ägypten und den USA versuchten vor Wiederaufnahme der Verhandlungen, Israel und Hamas zu Kompromissen zu bewegen. Israelische Regierungsvertreter erkennen nach Kleemanns Einschätzung an, dass die Hamas mit ihren jüngsten Vorschlägen mehr Entgegenkommen signalisiert. So nannte die Hamas erstmals konkrete Zahlen für Geiseln und Gefangene, die in den verschiedenen Phasen freikommen sollen.
Die Positionen
Die neue Beweglichkeit der Kriegsparteien ist ein Zeichen für den wachsenden Druck auf Israel und die Hamas, eine Lösung zu finden. Große Teile der israelischen Öf
fentlichkeit fordern von Netanjahu, einer neuen Feuerpause zuzustimmen, um die Geiseln nach Hause zu holen. Die UNO verlangt eine sofortige Waffenruhe, um eine Hungersnot im Gazastreifen zu verhindern. EU-Spitzenpolitiker und auch die USA als wichtigster Partner Israels kritisieren Netanjahus Pläne für eine Offensive im Süden des Gazastreifens.
Auch die Hamas wird zu einer Kursänderung gedrängt. Sie hatte den Vermittler Katar, der viel politisches Kapital in seine Bemühungen investiert hat, durch übertriebene Forderungen an Israel verärgert. Die katarische Führung soll Hamas-Funktionären in Doha mit dem Rauswurf aus dem Emirat und der Sperre ihrer Konten gedroht haben. Und auch in der palästinensischen Bevölkerung regt sich Unmut. Nach den vielen Todesopfern und den großen Zerstörungen durch den von der Hamas provozierten Krieg müsse die Terrorgruppe nun zeigen, dass sie „auf der Seite des Volkes steht“, zitierte die britische Zeitung „Guardian“eine Quelle aus dem Umfeld der Hamas.
Geheimdienstchef Barnea forderte nach Medienberichten von Netanjahus Regierung freie Hand für die Gespräche in Doha. Nun hänge viel davon ab, ob der Premier dazu bereit sei, meint Kleemann: „Der Schlüssel zu Fortschritten hängt von Netanjahus Entscheidung ab, den Unterhändlern einen gewissen Handlungsspielraum zu geben.“Netanjahu habe es mit einer Einigung nicht eilig. „Und das könnte der Hauptgrund für die Verzögerungen beim Abschluss eines Deals sein.“