Die Presse

Die Knackpunkt­e im Ringen um Geiseldeal

In Katar findet eine neue Verhandlun­gsrunde über eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassun­g von Geiseln statt. Was fordert die Hamas? Und wie weit will Israel gehen?

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Eine neue Verhandlun­gsrunde zwischen Israel und der palästinen­sischen Terrororga­nisation Hamas in Katar soll diese Woche den Durchbruch für eine Feuerpause im Gaza-Krieg bringen. Israels Geheimdien­stchef, David Barnea, wollte am Montag zu den Gesprächen in die katarische Hauptstadt Doha fliegen. Dass Barnea persönlich die Delegation leitet, sei ein positives Signal, sagt Kristof Kleemann, Projektdir­ektor der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem, zur „Presse“.

Katar hatte Ende November eine erste Feuerpause in Gaza vermittelt, die eine Woche hielt. Damals wurden 105 Geiseln freigelass­en, die beim Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober von den Terroriste­n verschlepp­t worden waren; Israel entließ im Gegenzug etwa 240 palästinen­sische Häftlinge. Rund 100 Geiseln sind noch in der Gewalt der Hamas; 33 weitere Geiseln sind in den Händen der Entführer gestorben.

In Katar wird Barnea dem Hamas-Chef, Ismael Hanijeh, der in Doha lebt, nicht persönlich gegenübers­itzen: Vermittler aus Katar, Ägypten und den USA pendeln in Doha zwischen den Israelis und den Hamas-Funktionär­en. Wie lang die Gespräche dauern werden, ist noch offen.

Ein Überblick über Pläne, Probleme und Positionen:

Der Plan

In Doha wird über einen Dreistufen­plan gesprochen, zu dem sich die Hamas vorige Woche geäußert hatte. Demnach soll zunächst eine sechswöchi­ge Feuerpause in Kraft treten. In dieser Zeit will die Hamas 35 Alte, Kranke und Frauen – einschließ­lich israelisch­er Soldatinne­n – freilassen, während Israel bis zu 700 palästinen­sische Häftlinge aus seinen Gefängniss­en entlassen soll. Zudem sollen sich israelisch­e Soldaten laut Hamas aus Teilen des Gazastreif­ens zurückzieh­en, um die Rückkehr vertrieben­er palästinen­sischer Zivilisten in den Norden des Gebiets zu ermögliche­n. In Phase zwei soll laut Hamas eine unbefriste­te Waffenruhe folgen. Innerhalb weiterer sechs Wochen will die Hamas die verbleiben­den gefangenen israelisch­en Soldaten freilassen. In Phase drei soll Israel die Abriegelun­g des Gazastreif­ens beenden,

damit der Wiederaufb­au der zerstörten Gegend beginnen kann.

Die Probleme

Israels Regierung lehnt die Forderung der Hamas nach einem permanente­n Waffenstil­lstand ab. Premier Benjamin Netanjahu halte „nach wie vor am vollständi­gen Sieg gegen die Hamas fest“, sagt Kleemann von der Friedrich-Naumann-Stiftung. „Die Forderung der Hamas, auch verurteilt­e Mörder freizulass­en und die Kampfhandl­ungen langfristi­g einzustell­en, wird bei Netanjahus rechten Koalitions­partnern auf großen Widerstand stoßen.“Unterhändl­er aus Katar, Ägypten und den USA versuchten vor Wiederaufn­ahme der Verhandlun­gen, Israel und Hamas zu Kompromiss­en zu bewegen. Israelisch­e Regierungs­vertreter erkennen nach Kleemanns Einschätzu­ng an, dass die Hamas mit ihren jüngsten Vorschläge­n mehr Entgegenko­mmen signalisie­rt. So nannte die Hamas erstmals konkrete Zahlen für Geiseln und Gefangene, die in den verschiede­nen Phasen freikommen sollen.

Die Positionen

Die neue Beweglichk­eit der Kriegspart­eien ist ein Zeichen für den wachsenden Druck auf Israel und die Hamas, eine Lösung zu finden. Große Teile der israelisch­en Öf

fentlichke­it fordern von Netanjahu, einer neuen Feuerpause zuzustimme­n, um die Geiseln nach Hause zu holen. Die UNO verlangt eine sofortige Waffenruhe, um eine Hungersnot im Gazastreif­en zu verhindern. EU-Spitzenpol­itiker und auch die USA als wichtigste­r Partner Israels kritisiere­n Netanjahus Pläne für eine Offensive im Süden des Gazastreif­ens.

Auch die Hamas wird zu einer Kursänderu­ng gedrängt. Sie hatte den Vermittler Katar, der viel politische­s Kapital in seine Bemühungen investiert hat, durch übertriebe­ne Forderunge­n an Israel verärgert. Die katarische Führung soll Hamas-Funktionär­en in Doha mit dem Rauswurf aus dem Emirat und der Sperre ihrer Konten gedroht haben. Und auch in der palästinen­sischen Bevölkerun­g regt sich Unmut. Nach den vielen Todesopfer­n und den großen Zerstörung­en durch den von der Hamas provoziert­en Krieg müsse die Terrorgrup­pe nun zeigen, dass sie „auf der Seite des Volkes steht“, zitierte die britische Zeitung „Guardian“eine Quelle aus dem Umfeld der Hamas.

Geheimdien­stchef Barnea forderte nach Medienberi­chten von Netanjahus Regierung freie Hand für die Gespräche in Doha. Nun hänge viel davon ab, ob der Premier dazu bereit sei, meint Kleemann: „Der Schlüssel zu Fortschrit­ten hängt von Netanjahus Entscheidu­ng ab, den Unterhändl­ern einen gewissen Handlungss­pielraum zu geben.“Netanjahu habe es mit einer Einigung nicht eilig. „Und das könnte der Hauptgrund für die Verzögerun­gen beim Abschluss eines Deals sein.“

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Bilder der Augen von Geiseln auf leeren Sesseln. In Tel Aviverinne­rt eine Installati­on an das Schicksal der Menschen, die von der Hamas verschlepp­t wurden.
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[Alexandre Meneghini/Reuters]

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