Eine Investition in die Zukunft
Die Wiener Wirtschaft setzt auf Nachwuchsarbeit, um den Bedarf an Fachkräften zu stillen. Die Zahl der Lehrlinge und der Ausbildungsbetriebe steigt.
Ein wirksames Rezept gegen den Fachkräftemangel heißt Lehrlingsausbildung, meinen Wiens Unternehmen. Unterstützt von der WK Wien engagieren sich zahlreiche Betriebe, um möglichst viele Jugendliche für die Lehre zu motivieren und sie zu Fachkräften auszubilden. Das schlägt sich in den Lehrlingszahlen nieder: Sie sind nach dem coronabedingten Knick deutlich gestiegen und liegen aktuell um fast ein Achtel höher als vor fünf Jahren.
Mit ein Grund ist auch das gestiegene Image dieser Ausbildung. Lehrlinge sind heute längst nicht nur Pflichtschulabsolventen, wie etwa Doris Minich, Chefin des Gartenund Landschaftsbaubetriebs Minichs Gärten, erzählt: In ihrem 22-köpfigen Team gibt es vier Nachwuchskräfte, neben Jugendlichen auch Spätberufene mit akademischer Vorbildung. „Ich möchte meine Mitarbeiter selbst schulen“, sagt die engagierte Meisterin. Ihr Betrieb trägt das Wiener „Top Lehrbetrieb“-Gütesiegel und es wird viel für die Nachwuchsausbildung getan. „Natürlich kostet Lehrlingsausbildung Zeit und Ressourcen, aber es ist eine Investition in die Zukunft, die sich lohnt“, ist Minich überzeugt.
Positive Bilanz
Diese Meinung vertritt auch Patrick Gottsbacher, Geschäftsführer der Immo Objekttechnik GmbH. Das Liesinger Planungsbüro hat sich im Vorjahr entschlossen, selbst Techniker heranzuziehen. Seit August werden zwei Jugendliche zu technischen Zeichnern ausgebildet. Das bisherige Resümee ist auf beiden Seiten positiv und Gottsbacher appelliert an andere Betriebe, keine Scheu vor der Lehrlingsausbildung zu haben. Wichtig sei jedoch Geduld und Zeit: „Dass der Lehrling am zweiten Tag schon die Elektrik eines Hochhauses plant, darf man nicht erwarten“, betont er.
So wie Gottsbacher entdecken immer mehr Betriebe die Notwendigkeit der Fachkräfteausbildung.
Das zeigt sich an der Zahl der Lehrbetriebe, die 2023 um zwei Prozent gewachsen ist. Zur Verstärkung dieses Trends finanzieren WK Wien, Arbeitsmarktservice und Wiener Arbeitnehmer Förderungsfonds Lehrstellenberater. Das Team hat allein im Vorjahr mehr als 1000 Betriebe kontaktiert, um sie zu beraten und beim Schritt zum Lehrbetrieb zu unterstützen. Die Resultate: mehr als 750 Feststellungsbescheide – die formale Berechtigung, in einem bestimmten Lehrberuf Lehrlinge auszubilden – und über 700 Lehrstellenzusagen. Auch bei vielen anderen Themen unterstützt die WK Unternehmen bei der Lehrlingsausbildung (siehe Artikel rechts außen).
Reduktion der Bürokratie
Es gibt aber noch einiges zu tun, meint WK-Wien-Präsident Walter Ruck: „Wir sehen, dass es Handlungsbedarf bei den Rahmenbedingungen gibt. Hier braucht es Verbesserungen, damit die Ausbildung von Lehrlingen leichter und die Motivation für die Betriebe erhöht wird.“Konkret fordert die WK Wien die Refundierung der Kommunalsteuer für Lehrlinge an die Lehrbetriebe und eine höhere Förderung bei Übernahme von Lehrlingen aus der überbetrieblichen Ausbildung. Ein weiterer Wunsch der WKW ist ein Stipendium für erwachsene Lehrlinge, das Spätberufenen während der Lehrzeit eine selbstständige Lebensführung erleichtern soll.
Dringend reduziert gehört nach Meinung der WKW auch die Bürokratie. Vor allem weniger StatistikMeldepflichten und leichtere Auflösbarkeit von Lehrverträgen, wenn es gar nicht passt, werden gewünscht. Eine weitere Forderung der WK ist die Einführung einer Bildungspflicht: Jugendliche sollen das Schulsystem erst nach Erreichen bestimmter Mindestbildungsziele verlassen können und nicht – wie jetzt – nach dem Absolvieren von neun Schuljahren. Derzeit sei der Anteil der Jugendlichen, die das Schulsystem ohne ausreichende Grundkompetenzen verlassen, zu hoch.