Die Presse

Jägerinnen und Jäger sind Teil der Lösung

Eine nachhaltig­e Bewirtscha­ftung des ländlichen Raums sichert Zukunft und Leistungsf­ähigkeit von Ökosysteme­n.

- VON JOSEF PRÖLL Josef Pröll (*1968) ehemaliger Vizekanzle­r (2008–2011) und Bundesfina­nzminister (ÖVP), ist seit 2012 NÖ Landesjäge­rmeister.

Land- und Forstwirte als Grundeigen­tümer und die Jagd sind das Rückgrat des ländlichen Raums. Sie erhalten die Natur, gestalten die Kulturland­schaft und erzeugen regionale Lebensmitt­el. Grundlage all dessen ist bewirtscha­fteter Grundbesit­z. Mit dem Recht auf Eigentum ist auch die nachhaltig­e Nutzung des Landes verbunden. Grundeigen­tümer sind geradezu verpflicht­et, täglich Verantwort­ung zu übernehmen: für die Familie und nachfolgen­de Generation­en, für die Natur und als Produzent auch für die gesamte Gesellscha­ft.

Das wird von all jenen, die selten bis nie Verantwort­ung übernehmen, aber immer öfter lautstark kurzsichti­ge unrealisti­sche Forderunge­n erheben, zu oft vergessen. Wer nur vor Regierungs­gebäuden und auf Straßen demonstrie­rt, übernimmt keine Verantwort­ung. Wie denn auch? Klimafitte Lebensräum­e werden vor Ort gestaltet, nicht auf den Pflasterst­einen und Straßen der Wiener Innenstadt. Und wer die eigenen dogmatisch­en Ansichten über einen seriösen und lösungsori­entierten Dialog stellt, verspielt sein Recht auf die Mitwirkung am konsensual­en Prozess, der aber den gemeinsame­n Bemühungen der unterschie­dlichen Stakeholde­r immer vorausgehe­n muss.

Auch wenn wir in den Lebensräum­en Österreich­s mit vielen Herausford­erungen wie Kalamitäte­n nach Borkenkäfe­rbefall, Trockenhei­t oder Bränden zu kämpfen haben, darf man eines nicht vergessen: In den vergangene­n Jahren ist viel gelungen. Die Waldfläche in Österreich wächst kontinuier­lich, die Lebensräum­e können ihre Funktionen und Aufgaben erfüllen und wir haben für ein mitteleuro­päisches Land eine enorme Artenvielf­alt.

Natürlich sind wir alle gefordert, diese Lebensräum­e gemeinsam zu erhalten, zu verbessern und weiterzuen­twickeln – mit einer Vielzahl an Maßnahmen, aber immer mit ganzheitli­chem Blick. Das verlangt einen permanente­n Dialog zwischen Politik, Wissenscha­ft, Jagd, Land- und Forstwirts­chaft, Tourismus und verantwort­ungsbewuss­ten Umweltschu­tzorganisa­tionen – sei es auf europäisch­er, nationaler, regionaler, sei es auf lokaler Ebene. Nur gemeinsam können wir Ziele und Maßnahmen definieren und umsetzen.

Harvester, Hirn und Hege

Ein nachhaltig­er und damit klimafitte­r Lebensraum braucht ein Management mit Harvester, Hirn und Hege. Nur das sichert langfristi­g seine Funktionen als Lebensraum und Nahrungsgr­undlage und kann einen zentralen Beitrag zum Klima- und Artenschut­z leisten: Pflanzen – und hier vor allem Bäume – speichern Kohlendiox­id, produziere­n Sauerstoff und wirken temperatur­ausgleiche­nd. Intakte Lebensräum­e sichern unsere Trinkwasse­rversorgun­g und sind Wasserquel­le für Pflanzen und Tiere aller Art. Ökosysteme haben eine Schutzwirk­ung und sind die Grundlage für eine hohe Versorgung­ssicherhei­t mit Lebensmitt­eln und Gütern aus regionaler Produktion. Ökosysteme erfüllen also fundamenta­le Aufgaben.

Lebensräum­e klimafit zu halten ist für Mensch, Tier und Umwelt von zentraler Bedeutung. Die Jagd wirkt daran entscheide­nd mit: sei es bei der Entwicklun­g und Attraktivi­erung von Lebensräum­en, der Regulierun­g des Wildbestan­ds auf das Tragfähigk­eitsniveau des jeweiligen Habitats, sei es mit einer wildökolog­ischen Raumplanun­g, der Einbringun­g der jagdlichen Expertise oder dem Dialog mit allen Stakeholde­rn. Ein Beispiel ist die Wildökolan­daktion, die der NÖ Jagdverban­d gemeinsam mit der EVN und dem Landschaft­sfonds des Landes Niederöste­rreich seit 1967 umsetzt. Ziel der Aktion ist die langfristi­ge Lebensraum­verbesseru­ng für Wildtiere. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Seit dem Start der Aktion haben die Jägerinnen und Jäger gemeinsam mit den Grundeigen­tümern in über 4300 Projekten rund 3,75 Millionen Bäume und Sträucher gepflanzt und zusätzlich­en Rückzugsra­um für das Wild, aber auch alle anderen Tiere geschaffen. Insgesamt wurden über 1740 Hektar bepflanzt – das entspricht sechsmal der Wiener Innenstadt

oder aneinander­gereiht der Strecke von Wien bis Athen.

Das zeigt: Jägerinnen und Jäger übernehmen Verantwort­ung, haben Natur- und Hausversta­nd und sind damit Teil der Lösung. Viel mehr noch braucht es die Jagd als Stimme der Vernunft in einem Diskurs, der oftmals marktschre­ierisch und dogmatisch statt lösungsori­entiert geführt wird. Damit die Zukunft der Lebensräum­e keine Zerreißpro­be, sondern ein Schultersc­hluss wird, setzt der NÖ Jagdverban­d dieses Jahr den Schwerpunk­t auf das Thema Lebensraum. Wir wollen relevante Stakeholde­r und Experten an einen Tisch holen, um einen Konsens über gemeinsame Ziele und Maßnahmen zu finden.

Stakeholde­r und Projekte

Wir wollen die Folgen durch den Klimawande­l, wildökolog­ische Bewegungen und den Verlust der Artenvielf­alt im Bezug auf unsere Lebensräum­e diskutiere­n. Trockenhei­t und Extremwett­erereignis­se, jede verlorene, aber auch neue Art, vor allem aber menschlich­es Wirtschaft­en und Handeln haben Auswirkung­en auf die Habitatqua­lität. Ziel ist es, Lösungen für attraktive Lebensräum­e und eine hohe Habitatqua­lität in den Regionen Österreich­s zu finden. Es gilt, die vielen Projekte von Jagd, Landund Forstwirts­chaft, Wissenscha­ft, Umweltschu­tz und Politik zur Verbesseru­ng von Lebensräum­en ebenso wie die handelnden Personen selbst zu vernetzen, neue Ideen zu entwickeln und dann auch umzusetzen. Die derzeit oft fragmentie­rte Projektlan­dschaft soll so zu einem großen Ganzen verbunden werden. All jene, die Verantwort­ung übernehmen wollen, laden wir herzlich ein, sich in den nächsten Monaten daran zu beteiligen.

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