Die Presse

Was tun gegen (Messer-)Gewalt?

Eine Serie von Gewalttate­n in Wien, oft ausgeführt von Jugendlich­en, hat die Öffentlich­keit erschütter­t. Auch Angriffe mit Stichwaffe­n haben seit 2021 wieder deutlich zugenommen.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER UND OLIVER PINK

Die Serie an Gewalttate­n in Österreich reißt nicht ab. Am Montagaben­d war Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) persönlich in Wien Favoriten, um sich bei einer Polizeiakt­ion an Hotspots von Jugendkrim­inalität in dem Außenbezir­k ein Bild zu machen. Nur Stunden später kam es dort zur nächsten Gewalttat. Ein 20-Jähriger wurde am Reumannpla­tz niedergest­ochen und schwer verletzt, wie am Dienstag bekannt wurde. Es ist der jüngste Vorfall in einer Serie an Gewalttate­n, die sich in Brennpunkt­bereichen in Österreich abspielen. Das eröffnet fünf Fragen.

1 Hat die Zahl der Messerangr­iffe in Österreich zugenommen?

Der Eindruck täuscht nicht. Vom Jahr 2021 bis zum Jahr 2023 ist die Anzahl der Gewaltdeli­kte, bei denen ein Messer verwendet wurde, deutlich gestiegen. Konkret von 2153 auf 2479 (vorläufige Zahlen). Das ist allerdings kein Langzeitho­ch. Im Jahr 2016 wurden 2530 Fälle gezählt. Was allerdings auffällt: Seit 2020 steigt die Zahl der Angriffe mit Messern konstant. Und aktuell gibt es eine Häufung von Gewalttate­n mit Stichwaffe­n.

2 Welche Fälle hat es abseits der Angriffe mit Stichwaffe­n noch gegeben?

Unabhängig von den Gewalttate­n mit Messern gab es am Hotspot Favoriten in jüngerer Zeit eine hohe Zahl an verstörend­en Gewaltverb­rechen.

Ende Februar wurde bekannt, dass ein zwölfjähri­ges Mädchen über Monate hinweg von einer 17-köpfigen Jugendband­e missbrauch­t worden sein soll.

In der Silvestern­acht 2020/2021 gab es rund um den Reumannpla­tz in Favoriten schwere Ausschreit­ungen durch Jugendlich­e, die auch Geschäfte plünderten. Im November 2020 haben sich radikalisi­erte Jugendlich­e beim Reumannpla­tz formiert, um in der nahen Antonskirc­he zu randaliere­n. Sie sollen dabei „Allahu akbar“gerufen haben. Im Sommer 2020 gab es in Favoriten mehrfach Ausschreit­ungen – türkische Nationalis­ten und kurdische Aktivisten waren aneinander­geraten.

3 Was sind österreich­weit die größten Hotspots, an denen es regelmäßig zu Gewalt kommt?

Wien Favoriten gilt vor allem im Bereich der Jugendkrim­inalität als Hotspot. Besonders das Gebiet zwischen Reumannpla­tz und Keplerplat­z ist immer wieder Schauplatz von gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen und Drogenkrim­inalität.

Als zweiter Hotspot gilt der Bahnhof Praterster­n in Wien Leopoldsta­dt, der ein zentraler Verkehrskn­otenpunkt ist. Dort gibt es ein Problem mit Drogenhand­el und kriminelle­n Jugendlich­en. Bis 2018 gab es zahlreiche Polizeiein­sätze wegen Betrunkene­n, die alkoholisi­ert zu Gewalttate­n neigten. Seit ein Alkoholver­bot auf dem Praterster­n verhängt wurde, hat sich dieser Aspekt verbessert.

Es ist aber nicht nur die Metropole Wien. Ein Brennpunkt liegt auch in Tirol, konkret beim Bahnhof Innsbruck und bei der Bogenmeile.

4 Wer darf derzeit eine Waffe, konkret ein Messer, mit sich führen?

Die Gesetzesla­ge ist klar: Derzeit darf jeder über 18-Jährige legal ein Messer mit sich führen. Innenminis­ter Karner will nun eine Ausweitung der Waffenverb­otszonen, genauer gesagt der Messerverb­otszonen, im öffentlich­en Raum. Die Schwierigk­eit dabei ist, dass erst definiert werden muss, was ein problemati­sches Messer im Sinne einer Waffe ist. Grundsätzl­ich gilt: ein Messer, das dazu geeignet ist, die Angriffs- und Abwehrfähi­gkeit eines Menschen herabzuset­zen. Ein Jausenmess­er im Rucksack ist es nicht. Aber etwa das Feldmesser des Bundesheer­es ist ein Grenzfall. Dieses wird nicht als Waffe gewertet. Küchenmess­er an sich auch nicht. Allerdings: Jene drei asiatische­n Prostituie­rten, die von einem Afghanen ermordet wurden, wurden mit einem Sushi-Messer niedergeme­tzelt. Im Innenminis­terium geht man nun daran, zu definieren, wann genau ein Messer eine Waffe ist. Mit Faustfeuer­waffen, also Pistolen, verhält es sich folgenderm­aßen: Besitzen darf eine solche, wer eine Waffenbesi­tzkarte hat. Mitführen, auch in geladenem Zustand, darf sie aber nur derjenige, der einen Waffenpass und Gründe dafür hat, etwa die Gefährdung der Person.

5 Welche Maßnahmen werden gesetzt? Wie reagiert die Politik auf die jüngste Welle der Gewalt?

Innenminis­ter Karner präsentier­te am Montag in Favoriten die neu geschaffen­e „Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Jugendkrim­inalität“. Sie ist ab sofort im Dienst und soll Hotspots ausmachen, Mitglieder von Jugendband­en identifizi­eren und „neuartige Phänomene rasch erkennen und entspreche­nde Gegenmaßna­hmen einleiten“, wie es formuliert wurde. Wenige Tage davor kündigte Karner ein generelles Waffenverb­ot im öffentlich­en Raum an – der Gesetzesvo­rschlag wird laut Innenminis­terium wie gesagt gerade ausgearbei­tet.

Um die Probleme und negativen Auswirkung­en von sozialen Brennpunkt­en unter Kontrolle zu bringen, setzt die Politik in Wien und Innsbruck seit längerer Zeit auf Videoüberw­achung. Seit 2007 wird der Wiener Schwedenpl­atz ebenso videoüberw­acht wie der Karlsplatz, bei dem es um den Kampf gegen die dortige Drogenszen­e ging. Seit dem Inkrafttre­ten des Alkoholver­bots im Jahr 2018 gibt es auch auf dem Praterster­n Videoüberw­achung. Nach den schweren Silvesterk­rawallen 2020 in Favoriten wurde im Mai 2021 eine Videoüberw­achung auf dem Reumannpla­tz eingeführt, die künftig bis zum Keplerplat­z ausgeweite­t werden könnte.

Gleichzeit­ig setzt die Politik auf Waffenverb­otszonen, von denen es drei in Österreich gibt. Nach einer Serie von Gewalttate­n wurden in Innsbruck zwei Waffenverb­otszonen eingericht­et, eine am Hauptbahnh­of, die andere in der Bogenmeile. In Wien gilt seit 1. Februar 2019 für den Praterster­n ein Waffenverb­ot.

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