Der Wahlkampf auf dem Battleground Favoriten
Viel abzuwägen gibt es bei einem Messerverbot im öffentlichen Raum nicht. Man sollte es einfach umsetzen. Sonst gilt es die Relationen zu wahren.
In Wien Favoriten – aber nicht nur dort – nimmt die Jugendkriminalität erschreckende Ausmaße an. Die FPÖ veranstaltete aus diesem Anlass am vergangenen Freitag eine Demonstration. Wer dahinter parteipolitische Motive vermutet, liegt vermutlich nicht ganz falsch. Die Demo eskalierte. Rabiate Demobesucher, die ein Fernsehteam attackierten, auf der einen Seite. Lautstarke Gegendemonstranten und ein wild gewordener Kameramann, der Demobesucher mit seiner Kamera bis auf wenige Zentimeter nahe rückte, auf der anderen. Unschöne Szenen jedenfalls. Die Grünen luden zur „Eilt-PK“. Tenor: Herbert Kickl ist schuld.
Das ist auch nicht falsch. In seiner Stimmungsmache gegen diverse Medien, vor allem die herkömmlichen elektronischen, ob öffentlich-rechtlich oder privat, ist Herbert Kickl einigermaßen hemmungslos. Und dennoch wirkt die Aufwallung der politischen Konkurrenz von vergangener Woche – auch die ÖVP schloss sich an – nun seltsam schal. Oder genauer gesagt: nicht verhältnismäßig.
Am Sonntag wurde ein junger Mann vor dem Eissalon Tichy in Favoriten von anderen jungen Männern verfolgt und niedergestochen, weil er jungen, von diesen bedrängten Frauen zu Hilfe gekommen war. Am Montag wurde in derselben Gegend ein weiterer junger Mann niedergestochen. Von einer „Eilt-PK“der Grünen dazu ist nichts bekannt.
Diese selektive Wahrnehmung, dieses Messen mit zweierlei Maß, besorgt auch das Geschäft der FPÖ. Das eine ist eine aus dem Ruder gelaufene Demo, bei der FPÖ-Funktionäre noch dazu mäßigend eingegriffen haben. Das andere ist rohe Gewalt – ein Mordversuch.
Man merkt die Absicht. Es ist Wahlkampf.
Auftritt Innenminister Gerhard Karner: Am vergangenen Donnerstag nahm er an einer Schwerpunktaktion gegen Jugendkriminalität am Wiener Praterstern teil. Am Montagabend begab er sich zum Tatort in Wien Favoriten. Auch das kann man als Teil der Wahlkampfs, als Inszenierung abtun. Aber das dahinter stehende Problem ist real. Es ist ähnlich wie bei Karners Parteikollegen Karl Mahrer, der vor einigen Monaten etwas ungelenk mit der Kamera Wiener Märkte aufsuchte, nicht zuletzt in Favoriten – auch um auf das Problem der Jugendbandenkriminalität in Wien aufmerksam zu machen. „Welche Jugendbanden?“, wurde damals blauäugig gefragt. Diese Frage hat sich erübrigt.
Man fragt sich vielmehr unwillkürlich, warum es ein Messerverbot im öffentlichen Raum nicht schon längst gibt. Da gibt es nichts abzuwägen. Das gilt es einfach zu machen. Auch um der Polizei eine bessere Handhabe zu ermöglichen.
Skurrilerweise ist ausgerechnet die FPÖ dagegen. Vielleicht ist sie also doch nicht so sehr an der Lösung von Problemen interessiert, jedenfalls jetzt noch nicht. Wobei in diesem Fall die Annahme wahrscheinlicher ist, dass das archaische Verhältnis von manchen Autochthonen und Zugewanderten zu Waffen ein ähnliches ist.
Man wird bei all dem jedenfalls nicht um das Thema Zuwanderung, die weitgehend unkontrollierte und vor allem die mangelhafte Integration umhinkommen. Denn gerade Zuwanderer sind selbst oft Opfer dieser Entwicklung, insbesondere in den sogenannten Problemvierteln. Auch jener 21-jährige Soldat, der am Sonntag vor dem Eissalon in Favoriten niedergestochen wurde, hat Migrationshintergrund.
Diesbezügliche Missstände, ob nun echt oder nur so wahrgenommen, zahlen mutmaßlich weiter auf das Konto der FPÖ ein. Deswegen scheint auch die ÖVP – abseits der Innenminister-Auftritte – zurückhaltender damit umzugehen. Eine jüngst fertig gestellte Studie des Integrationsfonds über einen Höchststand an arbeitslosen Asylwerbern und subsidiär Schutzberechtigten machte das ÖVP-geführte Integrationsministerium gar nicht erst zum Thema. Journalisten entdeckten das von sich aus. Früher einmal hätte es eine „Eilt-PK“dazu gegeben.
Aber Politik vorrangig als Reaktion auf die FPÖ zu verstehen, um etwas zu tun oder nicht zu tun, ist immer eine schlechte Idee.