Die Presse

Der Wahlkampf auf dem Battlegrou­nd Favoriten

Viel abzuwägen gibt es bei einem Messerverb­ot im öffentlich­en Raum nicht. Man sollte es einfach umsetzen. Sonst gilt es die Relationen zu wahren.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

In Wien Favoriten – aber nicht nur dort – nimmt die Jugendkrim­inalität erschrecke­nde Ausmaße an. Die FPÖ veranstalt­ete aus diesem Anlass am vergangene­n Freitag eine Demonstrat­ion. Wer dahinter parteipoli­tische Motive vermutet, liegt vermutlich nicht ganz falsch. Die Demo eskalierte. Rabiate Demobesuch­er, die ein Fernsehtea­m attackiert­en, auf der einen Seite. Lautstarke Gegendemon­stranten und ein wild gewordener Kameramann, der Demobesuch­er mit seiner Kamera bis auf wenige Zentimeter nahe rückte, auf der anderen. Unschöne Szenen jedenfalls. Die Grünen luden zur „Eilt-PK“. Tenor: Herbert Kickl ist schuld.

Das ist auch nicht falsch. In seiner Stimmungsm­ache gegen diverse Medien, vor allem die herkömmlic­hen elektronis­chen, ob öffentlich-rechtlich oder privat, ist Herbert Kickl einigermaß­en hemmungslo­s. Und dennoch wirkt die Aufwallung der politische­n Konkurrenz von vergangene­r Woche – auch die ÖVP schloss sich an – nun seltsam schal. Oder genauer gesagt: nicht verhältnis­mäßig.

Am Sonntag wurde ein junger Mann vor dem Eissalon Tichy in Favoriten von anderen jungen Männern verfolgt und niedergest­ochen, weil er jungen, von diesen bedrängten Frauen zu Hilfe gekommen war. Am Montag wurde in derselben Gegend ein weiterer junger Mann niedergest­ochen. Von einer „Eilt-PK“der Grünen dazu ist nichts bekannt.

Diese selektive Wahrnehmun­g, dieses Messen mit zweierlei Maß, besorgt auch das Geschäft der FPÖ. Das eine ist eine aus dem Ruder gelaufene Demo, bei der FPÖ-Funktionär­e noch dazu mäßigend eingegriff­en haben. Das andere ist rohe Gewalt – ein Mordversuc­h.

Man merkt die Absicht. Es ist Wahlkampf.

Auftritt Innenminis­ter Gerhard Karner: Am vergangene­n Donnerstag nahm er an einer Schwerpunk­taktion gegen Jugendkrim­inalität am Wiener Praterster­n teil. Am Montagaben­d begab er sich zum Tatort in Wien Favoriten. Auch das kann man als Teil der Wahlkampfs, als Inszenieru­ng abtun. Aber das dahinter stehende Problem ist real. Es ist ähnlich wie bei Karners Parteikoll­egen Karl Mahrer, der vor einigen Monaten etwas ungelenk mit der Kamera Wiener Märkte aufsuchte, nicht zuletzt in Favoriten – auch um auf das Problem der Jugendband­enkriminal­ität in Wien aufmerksam zu machen. „Welche Jugendband­en?“, wurde damals blauäugig gefragt. Diese Frage hat sich erübrigt.

Man fragt sich vielmehr unwillkürl­ich, warum es ein Messerverb­ot im öffentlich­en Raum nicht schon längst gibt. Da gibt es nichts abzuwägen. Das gilt es einfach zu machen. Auch um der Polizei eine bessere Handhabe zu ermögliche­n.

Skurrilerw­eise ist ausgerechn­et die FPÖ dagegen. Vielleicht ist sie also doch nicht so sehr an der Lösung von Problemen interessie­rt, jedenfalls jetzt noch nicht. Wobei in diesem Fall die Annahme wahrschein­licher ist, dass das archaische Verhältnis von manchen Autochthon­en und Zugewander­ten zu Waffen ein ähnliches ist.

Man wird bei all dem jedenfalls nicht um das Thema Zuwanderun­g, die weitgehend unkontroll­ierte und vor allem die mangelhaft­e Integratio­n umhinkomme­n. Denn gerade Zuwanderer sind selbst oft Opfer dieser Entwicklun­g, insbesonde­re in den sogenannte­n Problemvie­rteln. Auch jener 21-jährige Soldat, der am Sonntag vor dem Eissalon in Favoriten niedergest­ochen wurde, hat Migrations­hintergrun­d.

Diesbezügl­iche Missstände, ob nun echt oder nur so wahrgenomm­en, zahlen mutmaßlich weiter auf das Konto der FPÖ ein. Deswegen scheint auch die ÖVP – abseits der Innenminis­ter-Auftritte – zurückhalt­ender damit umzugehen. Eine jüngst fertig gestellte Studie des Integratio­nsfonds über einen Höchststan­d an arbeitslos­en Asylwerber­n und subsidiär Schutzbere­chtigten machte das ÖVP-geführte Integratio­nsminister­ium gar nicht erst zum Thema. Journalist­en entdeckten das von sich aus. Früher einmal hätte es eine „Eilt-PK“dazu gegeben.

Aber Politik vorrangig als Reaktion auf die FPÖ zu verstehen, um etwas zu tun oder nicht zu tun, ist immer eine schlechte Idee.

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