Schwache EU-Ethikregeln auf der Zielgeraden
Der Rat will sich nun doch dem neuen Ethikgremium unterwerfen, die EU-Spitzen aber nicht.
Fünf Jahre nach dem Versprechen von Ursula von der Leyen, der Präsidentin der EU-Kommission, eine Behörde zur Durchsetzung von Ethikregeln für alle EUInstitutionen vorzuschlagen, nimmt diese nun Gestalt an. Am Montagabend einigten sich die 27 EU-Botschafter darauf, sich entgegen ihrer ursprünglichen Zurückhaltung nun doch den gemeinsamen Vorschriften zu unterwerfen. „Das Ziel ist und bleibt, gemeinsam mit den sieben anderen Institutionen gänzlich Teil der Ethikbehörde zu sein. „Im Respekt der Besonderheiten von jeder einzelnen von uns“, hieß es seitens der belgischen EU-Ratspräsidentschaft, welche für die Mitgliedstaaten mit der Kommission und den Mitgliedstaaten verhandelt. „In den nächsten Tagen“sei mit einem „sehr positiven Ergebnis“zu rechnen.
Kritik von Transparency International
Bei den acht Institutionen und beratenden Ausschüssen handelt es sich um die Kommission, das Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Gerichtshof der EU, den Europäischen Rechnungshof, den Ausschuss der Regionen sowie den Wirtschaftsund Sozialausschuss. Sobald die Behörde rechtskräftig ihre Geschäfte aufnehmen kann, wird zunächst jeder dieser acht Teilnehmer je einen Vertreter in ein Gremium entsenden, das gemeinsame Mindeststandards für Interessenerklärungen, Nebentätigkeiten, Geschenke, Posten nach Amtsende, Treffen mit Lobbyisten und die Durchsetzung all dessen festlegt. Dieses Gremium soll regelmäßige Berichte veröffentlichen. Im Konsens ernennen diese acht Vertreter dann fünf unabhängige Experten, die Einzelfälle prüfen, welche ihnen von den Institutionen überwiesen werden. Mehr als Empfehlungen können sie allerdings nicht aussprechen: Sanktionen verhängt weiterhin die jeweilige Institution.
Hier setzt die Kritik der Antikorruptionsorganisation Transparency International an: „Eine Ethikbehörde ohne die nötigen Vollmachten ist nur dem Namen nach eine Ethikbehörde.“Es fehlten die Kompetenzen, selbstständig zu ermitteln und Sanktionen verhängen zu können: „Selbstüberwachung und politische Integrität sind ein Widerspruch in sich.“
Boykott der EU-Chefs
Die mächtigste Institution wird sich zudem weiterhin sämtlichen Transparenz- und Ethikregeln entziehen. Der Europäische Rat, also das Gremium der 27 Staats- und Regierungschefs, hat seine Ablehnung einer Unterwerfung unter die Ethikbehörde schon vor Längerem betont.
Mehrere federführende EU-Abgeordnete sind dennoch zuversichtlich. Der deutsche Grüne Daniel Freund, Verhandlungsführer des Parlaments und früher selbst bei Transparency International, sprach von einem „großen Erfolg für die Transparenz und die Integrität der EU-Institutionen. Viel zu lang wurden Verstöße gegen die relativ guten Lobbyregeln in Brüssel nicht sanktioniert.“Die SPD-Abgeordnete und frühere deutsche Justizministern Katarina Barley, die mit Freund verhandelt hatte, nannte das Ethikgremium einen „großen Schritt nach vorn für Transparenz und Offenheit in Europa“.