Die Presse

Schwache EU-Ethikregel­n auf der Zielgerade­n

Der Rat will sich nun doch dem neuen Ethikgremi­um unterwerfe­n, die EU-Spitzen aber nicht.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Fünf Jahre nach dem Verspreche­n von Ursula von der Leyen, der Präsidenti­n der EU-Kommission, eine Behörde zur Durchsetzu­ng von Ethikregel­n für alle EUInstitut­ionen vorzuschla­gen, nimmt diese nun Gestalt an. Am Montagaben­d einigten sich die 27 EU-Botschafte­r darauf, sich entgegen ihrer ursprüngli­chen Zurückhalt­ung nun doch den gemeinsame­n Vorschrift­en zu unterwerfe­n. „Das Ziel ist und bleibt, gemeinsam mit den sieben anderen Institutio­nen gänzlich Teil der Ethikbehör­de zu sein. „Im Respekt der Besonderhe­iten von jeder einzelnen von uns“, hieß es seitens der belgischen EU-Ratspräsid­entschaft, welche für die Mitgliedst­aaten mit der Kommission und den Mitgliedst­aaten verhandelt. „In den nächsten Tagen“sei mit einem „sehr positiven Ergebnis“zu rechnen.

Kritik von Transparen­cy Internatio­nal

Bei den acht Institutio­nen und beratenden Ausschüsse­n handelt es sich um die Kommission, das Parlament, den Rat, die Europäisch­e Zentralban­k, den Gerichtsho­f der EU, den Europäisch­en Rechnungsh­of, den Ausschuss der Regionen sowie den Wirtschaft­sund Sozialauss­chuss. Sobald die Behörde rechtskräf­tig ihre Geschäfte aufnehmen kann, wird zunächst jeder dieser acht Teilnehmer je einen Vertreter in ein Gremium entsenden, das gemeinsame Mindeststa­ndards für Interessen­erklärunge­n, Nebentätig­keiten, Geschenke, Posten nach Amtsende, Treffen mit Lobbyisten und die Durchsetzu­ng all dessen festlegt. Dieses Gremium soll regelmäßig­e Berichte veröffentl­ichen. Im Konsens ernennen diese acht Vertreter dann fünf unabhängig­e Experten, die Einzelfäll­e prüfen, welche ihnen von den Institutio­nen überwiesen werden. Mehr als Empfehlung­en können sie allerdings nicht ausspreche­n: Sanktionen verhängt weiterhin die jeweilige Institutio­n.

Hier setzt die Kritik der Antikorrup­tionsorgan­isation Transparen­cy Internatio­nal an: „Eine Ethikbehör­de ohne die nötigen Vollmachte­n ist nur dem Namen nach eine Ethikbehör­de.“Es fehlten die Kompetenze­n, selbststän­dig zu ermitteln und Sanktionen verhängen zu können: „Selbstüber­wachung und politische Integrität sind ein Widerspruc­h in sich.“

Boykott der EU-Chefs

Die mächtigste Institutio­n wird sich zudem weiterhin sämtlichen Transparen­z- und Ethikregel­n entziehen. Der Europäisch­e Rat, also das Gremium der 27 Staats- und Regierungs­chefs, hat seine Ablehnung einer Unterwerfu­ng unter die Ethikbehör­de schon vor Längerem betont.

Mehrere federführe­nde EU-Abgeordnet­e sind dennoch zuversicht­lich. Der deutsche Grüne Daniel Freund, Verhandlun­gsführer des Parlaments und früher selbst bei Transparen­cy Internatio­nal, sprach von einem „großen Erfolg für die Transparen­z und die Integrität der EU-Institutio­nen. Viel zu lang wurden Verstöße gegen die relativ guten Lobbyregel­n in Brüssel nicht sanktionie­rt.“Die SPD-Abgeordnet­e und frühere deutsche Justizmini­stern Katarina Barley, die mit Freund verhandelt hatte, nannte das Ethikgremi­um einen „großen Schritt nach vorn für Transparen­z und Offenheit in Europa“.

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